Schon mal in New York gewesen? Nein? Ich auch nicht. Ich glaube, ich bin mal so halb drüber geflogen. Ansonsten kenne ich New York nur aus den Nachrichten, aus Comicheften und aus Filmen. In den meisten Filmen, die ich gesehen habe, wurde die Stadt übrigens zerstört. Das spricht entweder gegen die Stadt New York oder gegen meinen Filmgeschmack. Wie dem auch sei. Wer sich immer ein bisschen vor New York gescheut hat, so wie ich, kann jetzt einen neuen, beinahe heimlichen Blick auf die Stadt der Städte werfen, wenn man ins Kino geht und sich „New York, I Love You“ ansieht.
Um die Stadt kennen zu lernen, kann man sich erst einmal ein paar schöne Bilder berühmter, weniger berühmter und gänzlich unbekannter, aber um so schönerer Plätze ansehen. Dann sollte man allerdings einen genaueren Blick auf die Menschen werfen, die natürlich einen Großteil des Charakters einer Stadt prägen. So geht es im Film um den Komponisten, der indisponiert ist, so dass sein Filmproduzent von ihm verlangt, das Gesamtwerk Dostojewskis zu lesen, was ihn in eine noch größere Sinnkrise stürzt. Es geht um eine junge jüdische Frau, die Diamanten für ihre Hochzeit kauft, sich aber nicht sicher ist, ob sie das strenge Leben haben will, das vor ihr steht. Es geht um einen Maler, der schon ewig versucht, diese eine bestimmte Frau, deren Gesicht er nicht vergessen kann, zu porträtieren. Es geht um einen Mann, der verzweifelt versucht, eine Frau kennen zu lernen und dabei höchst ungewöhnliche Wege geht. Wir sehen die Dokumentarfilmerin, die nie das richtige Bild einfangen kann, obwohl sie es direkt vor sich sieht. Wir sehen einen dreisten und raffinierten Dieb, der auf einen noch dreisteren und raffinierteren Dieb trifft. Wir begegnen einem Kerl, der es einfach nicht schafft, ein Taxi zu bekommen, das Ehepaar, das seinen 65. Hochzeitstag am Strand verbringt und wir erahnen die Tragik, die eine ehemalige Pariser Opernsängerin mit dem behinderten Pagen eines Hotels verbindet.
Ich könnte noch hundert weitere Menschen erwähnen, die alle irgendwie in dem Film auftauchen. „New York, I Love You“ ist, wie sein quasi Vorgänger „Paris Je t'aime“ ein Episodenfilm. Viele kleine Geschichten um sehr unterschiedliche Menschen bieten ein kleines und gleichzeitig großes Bild einer Stadt, die viel zu riesig ist, um sie überhaupt in dieser kurzen Zeit besser kennen zu lernen. Dieser Film bietet allerdings nicht das stereotype Bild des sozialen Brennpunktes und des von Kriminalität geschüttelten Molochs, sondern geht auf ganz gewöhnliche Menschen ein, die in New York leben. Bei manchen ist es ein spektakuläres Leben, mit schnellen Schnitten und knalligen Bildern. Andere dagegen fristen ein ganz leises und entspanntes Dasein, das durch lange Einstellungen und sinnlicher Musik eingefangen wird. Es hängt also davon ab, welcher Mensch welches Leben führt, wie das an jedem anderen Ort der Welt auch ist, nur dass es in diesem Film eine einzigartige Atmosphäre gibt, die eben speziell durch die Stadt New York auf so schwer zu deutende Weise geschaffen wird. Elf Regisseure haben bei „New York, I Love You“ mitgewirkt und obwohl sie allesamt unterschiedliche Stile einbringen, ist der Film rund und gut durchdacht zusammen gebaut worden. Auch, wenn man bei manchen Episoden das Gefühl hat, sie seien zu oberflächlich geraten, verstärkt das eigentlich nur den Eindruck, man fahre mit Bus durch die Stadt und beobachte im Vorbeifahren die Geschichten der einzelnen Menschen. Bei Manchen reicht der kurze Augenblick, bei anderen eben nicht.
„New York, I Love You“ ist ein Schnuppertag in New York. Man kann einen kleinen Blick auf eine riesige und nahezu unfassbare Stadt werfen, der aber höchstens dazu reicht, den Zuschauer dazu zu animieren, selbst eine Reise nach New York unternehmen zu wollen.
New York, I Love You (F/USA 2009): R.:Fatih Akim, Yvan Attal, Allen Hughes, Shumji Iwai, Wen Jiang, Joshua Marston, Mira Nair, Brett Ratner, Randall Balsmeyer, Shekhar Kapun, Natalie Portman; D.: Natalie Portman, Shiah LeBeouf, Orlando Bloom, Ethan Hawke, Andy Garcia, u.a.; Offizielle Homepage
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hier fehlt leider der hinweis auf das versteckspiel, das die regisseure mit der stadt getrieben haben. denn an sich sieht man nicht viel amerikanisches, typisch new-york-mäßiges. der film hätte auch wieder in paris spielen können - so einer stimmung wurde ich beim gucken zumindest zuteil.
AntwortenLöschenansonsten gefällt mir das hier wunderbar, wie auch der film.
interessant übrigens: die regisseure hatte nur eine begrenzte zeit vorgegeben, fanden sich unter zeitdruck wieder und mussten an einem bestimmten ort ganz spontan und "auf abruf" kreativ werden.
best,
josa.