Mittwoch, 7. März 2012

Glück

Sie gilt als eine der erfolgreichsten Filmschaffenden Deutschlands. Gleichzeitig ist sie eine gefragte Autorin, deren Bücher sich stets mit der Gegenwartsstudie einer Gesellschaft beschäftigen, die sich gerne anders darstellt, als es der Wahrheit entspricht. In erfrischend bissigem Ton hält uns Doris Dörrie erbarmungslos den Spiegel vor. Diesen bissigen Ton sucht man allerdings in ihren Filmen vergeblich. Oft verschenkten Filme, wie „Nackt“ oder jüngst „Die Friseuse“ zu viel Potential und die durchaus guten Ansätze und Ideen versanken in der Bedeutungslosigkeit. Einmal gelang ihr ein Meisterwerk. „Kirschblüten – Hanami“ erzählte eine tragisch-schöne Geschichte, strotzte nur so vor kraftvollen Bildern und wurde obendrein noch von unglaublich starken Darstellern getragen. Ein rundum gelungener Film. Ob es Dörrie mit ihrer neuesten Arbeit „Glück“ schafft, diese Leistung zu wiederholen? Der Titel und die Story klingen vielversprechend.

Irina lebt in Berlin. Sie ist illegal hier, da sie ihre Heimat verlassen musste, nachdem dort der Krieg ausgebrochen ist und ihre gesamte Familie getötet wurde. Als illegale Einwanderin hat sie nicht viele Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Deshalb arbeitet sie als Prostituierte. Kalle ist ein Straßenpunk, der niemanden was tut, außer sich selbst. Er hat sich in dieses Leben hinein gleiten lassen und zeigt keinerlei Ambitionen, die darüber hinaus gingen, sich Kleingeld für ein Bier zusammen zu schnorren oder einen Platz zum Schlafen zu finden.
Eines Tages treffen die beiden aufeinander und scheinen sich gut zu verstehen. Gemeinsam erkennen sie, dass sie nur noch den jeweils anderen haben und beschließen, zusammen zu ziehen. Irina mietet eine kleine Wohnung, in der sie weiter ihre Dienste als Prostituierte anbietet. Kalle sucht sich einen Job als Zeitungsausträger. Sie schaffen es tatsächlich, sich eine kleine Portion Glück zu erarbeiten, nur um festzustellen, dass es sehr viel Kraft braucht, sich dieses Glück zu erhalten.

Wie gesagt: Die Geschichte klingt vielversprechend und auch die Bilder, die man im Trailer zu sehen bekommt, verstärken den positiven Eindruck. Mit dieser Vorbereitung im Kino, stellt man fest, dass der positive Eindruck für die ersten zwanzig anhält und dann beginnt man, sich zu fragen, was der Film will.
Das Potential der sehr speziellen Figuren verpufft in nichtssagenden Szenen, die selbst auf ästhetischer Ebene nicht überzeugen können. Man merkt lange nicht, was nicht stimmt, denn die Musik passt, die Bilder sind meistens schön und Handlungspunkte liegen eigentlich dicht bei einander. Doch alles zum Trotz bleibt der Film seelenlos und oberflächlich. Die Motive der Hauptfiguren halten einer direkten Hinterfragung nicht lange stand. Zum Beispiel die Tatsache, dass Irina als Vergewaltigungsopfer regelmäßig Anfälle bekommt, wenn ihr Freund Kalle sie berühren will, dieses Manko aber offenbar nicht auftritt, wenn sie einen Freier begrüßt, ist rätselhaft. Fast schon störend ist der Umschwung eine halbe Stunde vor Ende des Films. Aus dem zarten Liebesfilmchen wird ein Kriminalspiel mit einigen Szenen, die kotzfreudigen Schmetterlingen im Bauch eine neue Daseinsebene ermöglichen. Aber auch der Kriminalaspaket der Geschichte wird nur am Rande und ganz schnell abgehandelt, nur damit das Liebespaar am Ende sagen kann: „...bei allem, was wir durchgemacht haben...“
Wenigstens sind die beiden Hauptdarsteller Alba Rohrwacher und Vinzenz Kiefer positiv aufgefallen. Deren Zusammenspiel wirkt überzeugend und steckt voller Kraft. Man bekommt fast den Eindruck, die beiden warten die ganze Zeit auf den Startschuss; darauf, dass es endlich los geht.

Aber da rollt bereits der Abspann über die Leinwand und man hört einen von Dörrie verfassten und von Tomte-Sänger Thees Uhlmann produzierten Song. Im strauchelndem Schulenglisch heißt es hier „When you are happy, I am too“ und unterstreicht den Eindruck des gesamten Films. Ich war nicht glücklich, was Dörrie rein energetisch gesehen, spüren müsste und bei ihren nächsten Filmprojekten mehr in die Tiefe gehen sollte. So viel verschenktes Potential, lässt sich kaum wieder gut machen. Ein Film, der das vermag, wäre etwas Unfassbares und Ungreifbares. Eben so, wie pures Glück.

Glück (D, 2012): R.: Doris Dörrie; D.: Alba Rohrwacher, Vinzenz Kiefer, Matthias Brandt, u.a.; M.: Hauschka; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

Der Filmblog zum Hören: Jeden Donnerstag, 12:00 bis 13:00 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

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