Dienstag, 15. Januar 2013

Beasts Of The Southern Wild

Es war die erste große Überraschung in diesem Jahr und entwickelte sich in rasanter Geschwindigkeit vom niedrig budgetierten Außenseiterprojekt zum Geheimtipp zahlreicher renommierter Festivals. Der Name Sundance ziert das Plakat und garantiert so ein kreatives und alternatives Filmerlebnis. Dann kam die überraschende Nachricht, dass der Film zahlreiche Oscar-Nominierungen erhalten hat. Unter Anderem geht „Beasts of the Southern Wild“ ins Rennen um den Preis für den besten Film und für die beste Hauptdarstellerin. Ebenso schnell war ich angefixt und ganz wild auf den Film – und noch schneller kam die Ernüchterung.

Wir sind irgendwoim Süden der USA in den Sümpfen. Genauer gesagt, befinden wir uns in der kleinen Siedlung Bathtub. Hier lebt das kleine Mädchen Hushpuppy mit ihrem Vater. Die Leute in Bathtub sind ein eigenes Völkchen. In ihrer Isolation sehen sie einen Segen und lieben ihre Heimat, auch wenn diese nicht mehr als eine Ansammlung stinkender Sümpfe darstellt – zumindest für Außenstehende. Hushpuppy kennt das Leben in ihrer Welt und harmoniert mit ihrer Umgebung so sehr, dass ein Lächeln reicht, um einen Fisch zu fangen. Eines Tages kommt ein großer Sturm, der den Bewohnern von Bathtub keinerlei Angst bereitet. Im Gegenteil. Sie freuen sich darauf und sagen sich: „Wenn das Wasser zurück kommt, um sich zu holen, was ihm früher schon zu stand, dann werden wir die letzten sein, die etwas dagegen tun werden.“
Und so ist es dann auch. Der Sturm überflutet alles und Hushpuppy, ihr Vater und einige andere Bewohner des Ortes, ziehen sich in ein kleines Lager zurück, wo sie fortan leben. Doch die Menschen von der anderen Seite des Dammes wollen das Gebiet zwangsevakuieren und der Sturm hat obendrein noch ein paar urzeitliche Bestien zu tage gefördert.

Beasts Of The Southern Wild“ ist der erste Spielfilm der Künstlergruppe „Court 13“, die in den letzten Jahren mit einigen aufregenden Kurzfilmen auf sich aufmerksam machte. In diesen Kurzfilmen bedienten sich die Bilder einer ganz besonderen Sprache und vor allem die Art und Weise, wie digitale Effekte mit realen Bildern harmonierten, war etwas Besonderes und ein echter Hingucker. In Verbindung mit der ungewöhnlichen Geschichte und den Bildern, die sich automatisch im Kopf etablierten, versprach dieser Film ein echtes visuelles Highlight zu werden und das Kinojahr mit einem Knall zu eröffnen. Von den visuellen Fähigkeiten des Künstlerkollektives ist während des gesamten Filmes kaum etwas zu sehen. Schlimmer noch; das niedrige Budget zwang die Filmemacher dazu, nicht nur an Ausstattung und Kostümen zu sparen, sondern offensichtlich auch an Filmmaterial und Ausrüstung. Einige Einstellungen und Szenen sind mit ganz einfachen Digitalkameras aufgenommen und das Bild wackelt so sehr, dass man fast nichts zu erkennen vermag. Andere Bilder wirken dafür wiederum total perfekt komponiert. Wenn zum Beispiel die urzeitlichen Viecher in Suprazeitlupe durch das Dickicht streifen, sieht das schon beeindruckend aus. Ebenso beeindruckend ist eine kurze Szene in einem Nachtclub, der auf Stelzen in Mitten der Wassermassen immer noch geöffnet hat.
Derartige Momente kommen aber viel zu selten. Stattdessen sehen wir kitschige Bilder vom kleinen Mädchen – der Heldin des Filmes – die mit ihren sechs Jahren nie aufgibt und immer weiter kämpft. Nur wofür sie das tut, wird nicht klar. Ihr Blick spiegelt häufig den Zweifel wider, wenn sie von ihrem zu Hause spricht. Ist ihr zu Hause nicht eigentlich im Schlamm versunken?
Die Metaphern, die der Film entwirft, sind ebenfalls nicht besonders einfallsreich. Klar! Wir haben es relativ schnell kapiert, dass es sich um die Katrina-Thematik handelt und die Urzeitviecher stehen für die bösen Behörden, die Hushpuppy aus ihrer Heimat verschleppen wollen. Angesichts der Absurdität der Lebensphilosophie des Vaters, die in keinster Weise nachvollziehbar ist, sondern einfach nur idiotisch und lebensmüde, ist man sogar gewillt, den paramilitärischen Beamten, oder eben den Auerochsen, einfach recht zu geben und zu sagen: „Nun lasst euch halt retten. Ist doch egal!“
Für das amerikanische Publikum ist es sicher ein Fest, diese simplen Sinnbilder zu sehen und es ist viel einfacher, derartige politische und auch gesellschaftliche Kritik in Zuckerwatte zu packen und mit sich überschlagender Stimme kreischend auf das kleine süße und so tapfere Mädel zu zeigen und zu sagen: „Sie ist so stark. Wäre ich nur auch so stark“

So gesehen kann man sich als enttäuschter Kritiker noch weiter hineinsteigern und dem Film offen praktizierten Patriotismus vorwerfen und sagen, der Film verharmlose die wirklich schrecklichen Zustände in den Überschwemmungsgebieten des Hurrikans. Ja, genau! So gesehen ist der Film patriotischer – und damit schlimmer – als ein „Zero Dark Thrity“. So einem Film sieht man es sofort an, dass hier lediglich die umstrittene Außenpolitik der vereinigten Staaten gerechtfertigt werden soll. Einem kleinen sechsjährigen Mädchen mit feuchten Kulleraugen jedoch nicht.

Beasts Of The Southern Wild (USA, 2012): R.: Ben Zeitlin; D.: Quvenzahne Wallis, Dwight Henry, Levy Easterly, u.a.; M.: Court 13; OffizielleHomepage

In Weimar: lichthaus

Der Filmblog zum Hören: Jeden Sonntag, 14:00 bis 15:00 Uhr auf RadioLotte Weimar.

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