Freitag, 26. März 2010

Boxhagener Platz

Die historische Aufarbeitung der DDR-Zeit hat gerade erst begonnen und es wird noch sehr lange dauern, bis sie abgeschlossen ist. Erschwerend hierbei ist sicher die oft zitierte "Mauer in den Köpfen". Der Film ist hierbei ein sehr wichtiges Medium, um den Zugang zum Thema zu erleichtern. Egal, ob ein Film ernsthaft, mit einem Augenzwinkern, oder mit einer gänzlich neuen Perspektive an die DDR heran geht, er trägt einen kleinen, aber wichtigen Teil zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte bei.
"Boxhagener Platz" heißt der neue FIlm von Matti Geschoneck und es geht um die 68er...Aber im Osten.

Holger ist 14 Jahre alt. Seiner Oma - Ottie - sind alle Männer hörig. Sie hat schon fünf Männer überlebt und der sechste klopft bereits an die Himmelspforte. Und schon stehen die nächsten Kandidaten bereit. Der Altnazi Fisch-Winkler und der intellektuelle Trunkenbold, Karl.
Holgers Vater ist der Genosse Abschnittsbevollmächtigte und seine Mutter spielt die Rebellin, die demonstrativ am Käfig rüttelt.
Eines Tages wird Fisch-Winkler tot in seinem Laden aufgefunden. Die Polizei nimmt die Ermittlungen auf und tappt zunächst im Dunkeln. Karl bringt Holger allerdings auf eine heiße Idee. Ist eine militante Studentengruppe aus dem Westen gekommen, um hier auf Nazijagd zu gehen? Gibt es die Kommune 25 wirklich, oder weiß Karl am Ende mehr, als er zugeben will?
Holger hat kaum Zeit, sich um den Fall zu kümmern, denn stets hilft er der Oma beim Einkaufen oder bei der Pflege, der zahlreichen Gräber. Dann tauchen Stasimitarbeiter auf und die Situation wird immer ernster.

Für alle, die DDR-Filme scheuen, weil sie es einfach nicht mehr sehen wollen, oder weil sie glauben, die Filme verhohnepipeln diese Zeit nur, sei gesagt, dass der ständige Vergleich von "Boxhagener Platz" mit "Sonnenallee" völlig haltlos und aus der Luft gegriffen ist.
Beide Filme handeln zwar von einer bestimmten Zeit in der DDR, mehr Gemeinsamkeiten gibt es aber nicht. "Boxhagener Platz" ist locker inszeniert, aber nicht, ohne auf eine beständige Ernsthaftigkeit zu bauen, so, dass der Film nicht zur Ulk-Klamotte verkommt. Alle Scherze haben ein einen hohen authentischen Touch und entstehen eher aus ganz alltäglichen Situationen. Gerade, weil viele Alltagsszenen den Grundtenor des Films bilden, wirken die "Fingerzeig-Szenen", in denen der Polizistenvater Vorträge über die Vorteile des Sozialismus hält, oder die Lehrerein Holger über Menschen aufklärt, die mit Unwahrheiten dem Staat schaden wollen, ein bisschen überstilisiert und aufgesetzt. Insgesamt überzeugen aber die guten Schauspieler, die trockene humorvolle Inszenierung und vor allem die unglaublich ausführlich aufgebaute Kulisse. Es überrascht immer wieder, wie viel von diesem ganzen Krempel noch übrig ist, der eben vor 40 Jahren in Mode war.

"Boxhagener Platz" bietet einen kleinen Blick auf die DDR in einem sehr kleinen Viertel. Wir sehen, wie die Menschen dort gelebt haben und was sie beschäftigt hat. Ganz einfach. Hier gibt es dann doch eine Gemeinsamkeit mit "Sonnenallee". Es wird nicht gejammert. Den Menschen geht es nicht schlecht und sie führen ein ganz normales Leben.

Boxhagener Platz (D 2010): R.: Matti Geschoneck; D.: Gudrun Richter, Samuel Schneider, Horst Krause, u.a.; M.: Florian Tessloff; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

Rezensionen On Air: Immer Donnerstag, 12:25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar

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