Mittwoch, 13. Oktober 2010

Goethe!


Goethe! Die marmorne Allmacht der Weimarer Kultur. Man kann keinen Meter durch die Stadt gehen, ohne nicht sein Gesicht zu erblicken. Zahlreiche Besucher aus aller Herren Länder strömen in die Stadt und leiden unter Schnappatmigkeit, wenn sie vor dem Denkmal am Theaterplatz stehen, oder gar die heiligen Hallen des Theaters selbst betreten dürfen. "Goethe" seufzt es aus allen Ecken und niemand, aber auch niemand wagt es, seine Bedeutung und Position in Frage zu stellen. Wäre Goethe noch am Leben, er würde sich wie ein Gott fühlen, wenn er durch die Weimarer Innenstadt liefe. Dass Goethe kein Gott war, sondern ein ganz normaler, verträumter und etwas tollpatschiger junger Kerl gewesen sein könnte, kann man bald im Kino beobachten. Am 14. Oktober startet "Goethe" in den deutschen Kinos. Vergangenen Mittwoch fand die Weimarpremiere statt und ich habe den Film schon mal sehen dürfen.

Lustig geht's los. Der völlig übernächtigte Goethe stolpert ungeschickt in die Doktorenprüfung hinein. Ist die Prüfungskommission zunächst gar nicht begeistert und äußerst pikiert, wird Goethes Auftritt mit schallendem Gelächter belohnt. Unter Freudentränen und Prusten teilt man ihm das Nichtbestehen der Prüfung mit.
"Scheißich!" sprichts und verlässt fliegenden Fußes die Universität.
Der alte Herr Goethe ist davon gar nicht begeistert und verdonnert seinen Sohn, ins idyllische Wetzlar zu fahren und dort Jura zu studieren.
Goethe, der sich viel lieber mit Poesie beschäftigt, muss sich fügen und widmet sich zähneknirschend aber mit einiger Gewissenhaftigkeit dem unbequemen Studium.
Unter den strengen Augen des Oberrichtiers Kästner bleibt ihm aber auch nichts anderes übrig.
Dennoch schafft es Goethe hin und wieder vor die Tür. Bei einem feuchtfröhlichen Tanzabend trifft er auf die junge und hübsche Charlotte Buff. Natürlich ist es sofort um beide geschehen. Doch, wenn nur immer alles so einfach wäre...Charlotte ist natürlich schon jemand anderem versprochen und ihre familiären Verpflichtungen zwingen sie dazu, sich für die Hochzeit zu entscheiden, die ihren zahlreichen Geschwistern das Dach über den Kopf und das Essen im Mund sichert.
Klar, dass das dem sensiblen und impulsiven Johann Goethe gar nicht gut bekommt.

Die bereits angesprochene steinerne, oder eben marmorne Allgegenwärtigkeit Goethes im Weimarer Alltag sorgt mitunter dafür, dass man als Einheimischer irgendwann nur noch mit den Augen rollen kann, hört man diesen Namen. Das wiederum sorgt dafür, dass ich mir gesagt habe, "Wen interessiert denn bitte schön die x-te Verfilmung Goethes Lebens?" Aber aller Skepsis zum Trotz ist ein schöner Film entstanden, der zwar bestimmt nicht der große Überflieger im deutschen Kino werden wird, aber durchaus zu unterhalten weiß. Abgesehen von solider und bekannter Handwerkskunst bietet der Film vor allem eine große Stärke. Der Quasi-Halbgott und die unantastbare unglaublich weit entfernte historische Figur Goethe wird hier auf einen ganz normalen Menschen reduziert. Der Film bietet zwar zahlreiche Ungenauigkeiten und sehr freie Interpretationen der wahren Begebenheiten, was aber den Unterhaltungswert enorm steigert.
Insgesamt hält sich "Goethe!" nahezu perfekt die Waage zwischen Ulk und Spaß, einer deftigen Prise Dramatik und einer nicht unpassend wirkenden Ernsthaftigkeit beim Thema Selbstmord.
Die Darsteller bieten eine souveräne Performance. Besonders hervor zu heben sind Miriam Stein, die hier ihren ersten Kinoauftritt absolviert hat und Moritz Bleibtreu, der auf herrlich schlichte Art und Weise den pikierten und spießigen Richter Albert Kästner darstellt. Selten hat es so viel Spaß gemacht, jemanden beim Teetrinken zu beobachten.

"Goethe!" ist ein schöner, kleiner Kostümfilm, der ein relativ frisches und angenehmes Bild auf den Goethe wirft. Es gibt schöne Bilder, schöne Menschen, schöne Musik und obendrein noch eine schöne Geschichte. Und selbst als Einheimischer der tagtäglich dem Goethe-Overkill ausgesetzt ist, fühlt man sich genötigt, hinterher zu sagen: "Goethe fetzt vielleicht doch!"

Goethe! (D, 2010): R.: Philipp Stölzl; D.: Alexander Fehling, Miriam Stein, Moritz Bleibtreu, u.a.; M.: Ingo Frenzel; Offizielle Homepage

In Weimar: CineStar, lichthaus

Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar.

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