Montag, 14. Januar 2013

Nachgereicht: In ihrem Haus

Einige Regisseure sind seit vielen Jahren im Geschäft. Sie haben nicht nur die aufregendsten Entwicklungen im Medium Film mit erlebt und überlebt, sie haben sie stets mit gestaltet und geprägt. Einige von diesen Altmeistern sind mit der Zeit mit gegangen, haben neue Techniken ausprobiert und haben sich angepasst. Andere sind bei dem geblieben, was sie schon immer gemacht haben und wirken deshalb heutzutage vielleicht etwas altmodisch. Woody Allen muss zum Beispiel gar nichts an seinem Stil ändern und kann sich voll und ganz auf seinen Stil des Geschichtenerzählens konzentrieren. Weil eben ein Woody Allen schon immer auf die gleiche Art Filme gemacht hat, hat er sich im Laufe der vielen Jahre einen festen Stamm von Fans angesammelt. Diese Fans wollen nichts Neues und wären regelrecht verärgert, wenn Allen jetzt beispielsweise einen rasanten Thriller machen würde.
Francois Ozon ist sicherlich genau so bedeutend, wie Woody Allen. Er hat dafür gesorgt, dass der französische Stil das ist, was er heute ist – im Guten, wie im Schlechten. Seine Filme waren irgendwie immer eine Mischung aus bierernster Gesellschaftsstudie und regelrecht grotesken Musicaleinlagen. So merkwürdig das klingen mag, Ozon ist ein unverzichtbarer Vertreter des typischen, französischen Films. Und der Altmeister ist immer noch aktiv und liefert regelmäßig neue Filme ab. Er wagt allerdings immer mal wieder Experimente und versucht sich auf Gebieten, die er bisher noch nicht so ausführlich bewandert hat. Mit „In ihrem Haus“ hat er sich tatsächlich an einem Thriller versucht – ohne Gesangseinlagen.

Germain ist Lehrer für Literatur und unterrichtet eine zehnte Klasse. Er hat sich vorgenommen, den jungen Menschen seine Begeisterung für die Sprache zu vermitteln. Die Schüler sind allerdings wenig motiviert und für die meisten bedeutet sein Unterricht nicht viel mehr, als die Zeit ab zu sitzen. Der zurück gezogene Claude allerdings, zeigt Talent. In einem Aufsatz über sein Wochenende beschreibt er wortgewandt, wie er einen Mitschüler zu Hause besucht, um ihm Nachhilfe zu geben. Etwas am Schreibstil des Jungen erweckt das Interesse des Lehrers und er ermutigt ihn, weiter zu schreiben. Die Geschichte des Mitschülers und seiner Familie entwickelt sich allerdings in eine merkwürdige Richtung. Germain realisiert nicht, dass die Dinge, die Claude schreibt keineswegs nur ausgedacht sind. Germain steigert sich immer mehr herein. Erst, als ihn seine eigene Frau auf die gefährliche Wendung aufmerksam macht, will er das Schreibexperiment stoppen. Aber dafür ist es bereits zu spät. Claude hat sich in den Kopf gesetzt, die Geschichte um die Familie fertig zu schreiben und nimmt dafür auch in Kauf, das Leben der Familie zu zerstören.

Die Geschichte wird langsam begonnen und die Figuren werden auf klassische Weise vorgestellt. Hier sind keine Quantensprünge zu erwarten. Der biedere Literaturlehrer sieht lustigerweise wirklich ein bisschen aus, wie Woody Allen und hat in der deutschen Fassung sogar dessen Synchronstimme.
Auch der typische Klassenmob, bestehend aus lärmenden Proletenkindern darf nicht fehlen, ebenso wenig, wie der melancholische Blick in die tiefen Augen des des besonderen Schülers. Der Film geizt also nicht mit Klischees und auch die Story ist recht vorhersehbar, wird zwischendurch allerdings noch aufgelockert mit einer Nebenhandlung, in der Germains Frau auf recht unterhaltsame Weise nach neuen Künstlern für ihre angeschlagene Galerie sucht. All das plätschert aber nur so vor sich hin und bietet einen mäßig dynamischen Spannungsbogen. Fabrice Luchini wirkt in seinem Spiel irgendwie festgefahren. Er bewegt sich in einem enorm engen Rahmen und sein Repertoire an Mimik und Gestik ist selten abwechslungsreich. Ob er nun den überzeichneten Fabrikbesitzer in den bunten 60ern spielt, oder eben einen frustrierten Literaturlehrer, scheint für ihn keinen großen Unterschied zu machen. Da hilft leider auch nicht eine so charismatische und intensive Schauspielerin, wie Kristin Scott Thomas an seiner Seite.
Der Film lässt relativ schnell die Hosen herunter und man gibt ebenso schnell die Hoffnung auf, dass noch etwas spannendes passiert. Leider geht auch das Ende des Films gründlich vor den Baum. Erst wird ein absurder Mindfuck provoziert und dann will Ozon sehr krampfig noch einmal das Ruder herumreißen und konstruiert ein quasi-Happy-End, welches gar keinen Sinn mehr ergibt.

So wenig ich mit früheren Ozon-Filmen anfangen konnte, habe ich es doch immer irgendwie akzeptiert, weil er über so viele Jahre seinem Stil treu geblieben ist. Mit aller Gewalt hat er hier versucht, etwas neues zu schaffen, hat aber lediglich Altbackenes aufgewärmt. Vielleicht sollte in seinem nächsten Film doch wieder gesungen werden. Die Groteske – ob nun absichtlich, oder unfreiwillig – passt besser zu dem Bild, welches ich von Ozon und der filmischen Epoche, der er angehört, in meinem Kopf gezeichnet und gespeichert habe.

Dans La Maison (F, 2012): R.: Francois Ozon; D.: Fabrice Luchini, Ernst Umhauer, Kristin Scott Thomas, u.a.; M.: Philippe Rombi; OffizielleHomepage

Der Filmblog zum Hören: Jeden Sonntag, 14:00 bis 15:00 Uhr auf RadioLotte Weimar.

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