Eine Hochzeit soll im Prinzip für alle Beteiligten ein schönes und unvergessliches Erlebnis werden. In unterschiedlichen Kulturen wird dieser festliche Akt auf unterschiedliche Weise zelebriert. Schauen wir nach Amerika. Dort ist eine Hochzeit – zumindest in Filmen - immer eine riesige Veranstaltung mit unzähligen Gästen, Programmpunkten und Bergen von Essen. Ein organisatorischer Alptraum und alles muss perfekt sein. Nichts darf schief gehen. Beim krampfhaften Ringen um Perfektion kann es passieren, dass man den Blick für das Wesentliche verliert. Unliebsame Gäste, eine völlig zerrüttete Familie und geradezu hysterische Sucht nach Harmonie, all das kann man im neuen Film von Jonathan Demme, „Rachels Hochzeit“, sehen.
Kym hat eine unangenehme Karriere als Junkie hinter sich. Seit neun Monaten ist sie clean und darf nun für ein Wochenende die Entzugsklinik verlassen. Ihre Schwester Rachel heiratet. Zu Hause begegnet man Kym mit Skepsis und Misstrauen, denn sie ist das schwarze Schaf der Familie. Neben zahlreichen unausgesprochenen Vorwürfen, plagt sich Kym mit Schuldgefühlen, denn sie fühlt sich verantwortlich dafür, dass ihre Eltern sich getrennt haben.
Zur Hochzeit versammelt sich nun die ganze Familie und die Erinnerungen kommen mit aller Wucht zurück. Es ist viel Ärger vorprogrammiert und es gibt viel Streit um Banalitäten. Immer wieder steht der Konflikt zwischen den beiden ungleichen Schwestern im Vordergrund. Während Rachel nämlich eine erfolgreiche Karriere als Psychologin bevor steht, muss Kym immer wieder Treffen anonymer Suchtkranker besuchen und ihre Zukunft sieht gar nicht so rosig aus. Außerdem ist Kym so versessen auf Wiedergutmachung, dass sie sich am laufenden Band bei allen Menschen pauschal entschuldigt und glaubt, damit seien alle Zwistigkeiten beigelegt. Zusätzlich tut sich Kym sehr schwer damit, sich einzugliedern, da sie viele Familienmitglieder nicht mehr kennt.
Dabei darf die bevorstehende Hochzeit nicht außer Acht gelassen werden. Weswegen alle bestrebt sind, sich ihre gute Laune nicht verderben zu lassen.
„Rachels Hochzeit“ ist ein schlichter Film und Regisseur Jonathan Demme („Das Schweigen der Lämmer“, „Der Manchurian Kandidat“) zeigt, dass er nach zahlreichen seltsamen Filmen, noch ganz normale Menschen filmen kann. Der Film ist so schlicht, dass man sich teilweise an Vinterbergs „Das Fest“ erinnert fühlt, auch wenn Demme den Dogma-Stil nicht ganz so brutal nutzt. Wir sehen minutenlange Begrüßungsszenen, ohne dass etwas prägnantes passiert. Es gibt Dialoge, die absolut belanglos sind und ins Nichts führen. Überhaupt ist die ganze Familie so unspektakulär normal dargestellt, dass man sich bald eher wie ein Voyer, als wie ein Kinobesucher vorkommt. Das erfüllt den Film mit einer gewissen Spannung und ist im Vergleich mit anderen aktuellen Kinofilmen der lebende Beweis für „Weniger ist mehr“.
Hervorzuheben ist die Hauptdarstellerin Anne Hathaway, die endlich mal nicht in dümmlich-leichten Teenie-Komödien zu sehen ist und durchaus schauspielerische Qualitäten besitzt, die man ihr nicht zu getraut hätte. Sie schafft es, die patzige und freche, böse Schwester zu mimen, der scheinbar alles völlig egal ist, was mit der Familie zu tun hat, aber innerlich unglaubliches Leid erfährt und sich von niemanden verstanden fühlt.
„Rachels Hochzeit“ ist kein wichtiger Film und wegen seines reduzierten Stils auch völlig unspektakulär. Dennoch wird eine hochdramatische Geschichte erzählt und trotz des Quasi-Happy-Ends bleibt einem ein kleiner Kloß im Hals.
Nach Genuss des Films hat man übrigens auf alles Lust, nur nicht aufs Heiraten.
Rachels Hochzeit (USA 2008): R.: Jonathan Demme; D.: Anne Hathaway, Rosemarie DeWitt, Bill Irwin, u.a; M.: Zafer Tawil; Offizielle Homepage
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Donnerstag, 9. April 2009
Jonathan Demme - Rachels Hochzeit
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zu was für zeiten postest du denn immer? junge, du musst auch mal schlafen ;)
AntwortenLöschenlg aus bln,
jule:*