Freitag, 8. Januar 2010

Das Kabinett des Doktor Parnassus

Ja, spannend hat es aufgehört. Das Kinojahr 2009 war so, wie man sich so ein Kinojahr wünscht. Es gab die großen Blockbuster, auf die man sich schon Jahre gefreut hat. Es gab wieder diese kleinen Filme, die ganz klammheimlich einfach an den Bundesstart gehen und dann nach zwei Wochen genau so heimlich wieder verschwinden und trotzdem kriegt man sie nicht mehr aus dem Kopf, wenn man sie gesehen hat. Es gab Überraschungen, Enttäuschungen und es gab Star Trek. Perfekt also. Und spannend beginnt das neue Kinojahr. Mit einem Film, der schon ein Jahr überfällig ist und eigentlich schon als gecancelt galt. Die Produktion erlitt nämlich einen herben Schlag, als der Hauptdarsteller überraschend verstarb, und gerade mal die Hälfte abgedreht war. Jetzt ist der Film trotzdem fertig, startet aber im Glanze schwerster Konkurrenz. „Disney's Weihnachtsgeschcihte“ und „Avatar“ vergällten den angestrebten Start zur Weihnachtszeit, und noch bevor dieser Film auslaufen wird, wird sich Tim Burtons „Alice im Wunderland“ anschicken, die Kinokassen zu stürmen. Dennoch hat der Film eine ganz besondere Stellung, denn es ist ein ungewöhnliches Märchen in einem unkonventionellen Stil erzählt: Terry Gilliams neuester Film „Das Kabinett des Doktor Parnassus“

In einer modernen Welt, in der die meisten Menschen einen Großteil ihrer Zeit vor dem Computer, mit dem Handy oder in der Kneipe verbringen, tingelt ein illustrer Schausteller durch London. Mit einem nahezu antiken Pferdewagen und einer, vor Altersschwäche ächzenden, Bühne versucht Doktor Parnassus zusammen mit seiner lieblichen Tochter Valentine und seinen beiden Gehilfen Percy und Anton, die modernen, durch das Leben eilenden Menschen zu verzaubern. Der Doktor hat nämlich die spezielle Fähigkeit, die Gedanken der Gäste zu lesen und zu kontrollieren. Er führt sie stets in ihre Gedankenwelt, in der sie immer wieder vor der Wahl stehen, die spirituelle Läuterung zu erfahren, oder ein lasterhaftes Leben in Sünde zu führen. Die Show dient allerdings nicht nur der Unterhaltung und Verzauberung des Publikums. Eigentlicher Hintergrund ist ein Pakt, den Parnassus mit dem Teufel – hier in Gestalt des bösen Mr. Nick – getroffen hat. Doch das Geschäft läuft nicht gut. Es fließt kein Geld in die Kasse und Mr. Nick sitzt dem Doktor im Nacken, denn der will Valentine haben, sollte er es nicht schaffen, die erforderliche Menge an Seelen zu sammeln. Da taucht plötzlich und unverhofft der unbekannte Tony auf. Er scheint ein echtes Naturtalent zu sein, und die Kasse klingelt. Noch während alle glauben, dass das Blatt sich zu wenden scheint, wird Tony von seiner Vergangenheit eingeholt und den Details über sich, die er lieber verschwiegen hat.

Terry Gilliam ist ein guter Regisseur. Hat er sich zu Beginn seiner Karriere mit Monty Python ausgetobt, wurden seine Filme immer anspruchsvoller und komplexer. Er schaffte es immer, mit ganz einfachen Mitteln, fantastische Welten zu schaffen, die immer ein bisschen verrückt waren und immer an die schmutzigere Version der Wirklichkeit erinnert haben. Er zeigt immer alte Dinge und man erkennt ihren früheren Glanz daran, dass er nun nicht mehr zu sehen ist. Alles ist schmutzig und angegammelt. Die Farbe blättert ab. So verhält es sich auch mit seinen Figuren. Sie waren früher große, schillernde Wesen, die nun ebenso verbraucht aussehen, wie es ihr Leben auch ist. Dieses Motiv zieht sich durch alle Gilliam-Filme und taucht natürlich auch im „Kabinett des Doktor Parnassus“ auf. Auf herrlich altmodische Weise kreiert Gilliam wunderschöne Bilder, die sich mit ihrer Visualität und Wirkung nicht hinter CGI-Bombasten verstecken müssen. Es ist nicht so, dass ich alles Neue und Digitale im Film verteufele, aber es beruhigt mich ungemein, wenn ein Terry Gilliam zeigt, dass es selbst heutzutage auch noch ohne Computertricks funktioniert. Die Produktionsgeschichte von „Das Kabinett des Doktor Parnassus“ selbst bietet genug Stoff für ein Drehbuch. Hauptdarsteller Heath Ledger starb, bevor der Film auch nur in Ansätzen fertig gestellt war. Gilliam hatte bereits aufgegeben und der Film sollte gar nicht mehr kommen. Durch Einspringen dreier sehr bekannter Freunde Ledgers, die obendrein auf ihre Gage verzichteten, wurde der Film gerettet und letztendlich doch noch fertig gestellt.

Und es ist ein schöner Film geworden, der eine schöne, etwas schräge Geschichte erzählt und schöne Bilder für Auge und Kopf bietet. Damit gesellt er sich nahtlos zu vielen bisherigen Gilliam-Filmen, denn alles, was man an „Time Bandits“, „König der Fischer“ oder „Brothers Grimm“ toll fand, wird man auch hier finden.

The Imaginarium of Doctor Parnassus (USA 2009): R.: Terry Gilliam; D.: Heath Ledger, Christopher Plummer, Lily Cole, Tom Waits, u.a.; M.: Jeff & Mychael Danna; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus; CineStar

Rezensionen On Air: Immer Donnerstag, 12:25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar

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