Was weiß ich denn über Griechenland? Sie haben eine ziemlich abgefahrene Mythologie mit super Geschichten und Charakteren, die ständig von Hollywoodproduzenten fulminant in pures Geld verwandelt werden. In Griechenland gibt es leckeren Schafskäse, Gyros und Krautsalat. Außerdem konnten sie in diesem Jahr nicht besonders gut Fußball spielen. Das war es eigentlich auch schon. Ach ja: Die Schulden. Naja, da will ich mal nicht mit dem Finger auf die Griechen zeigen, bei uns sieht's in ein paar Jahren wahrscheinlich genau so aus. Wer all das auch schon wusste, nun aber gern noch erfahren möchte, wie die ganz normalen Griechen selbst so drauf sind, könnte sich für „Kleine Wunder in Athen“ interessieren, den neuen Film von Filipos Tsitos.
Stafros ist Grieche und hat ein Problem. Denn richtige Rocker und Griechen haben immer ein Problem. Mit Regeln zum Beispiel. Oder mit Sicherheitskräften, die sie daran hindern wollen, ganze Stadien auseinander zu nehmen. Sie haben ein Problem mit denen da Oben und mit Albanern. Abgesehen davon geht’s ihm ganz gut. Er hat einen kleinen Kiosk, ein kleines Haus und drei Kumpels, die auch jeder einen kleinen Kiosk und ein kleines Haus haben. Stafros muss sich außerdem um seine Mutter kümmern, die nach einem Schlaganfall nicht nur stark pflegebedürftig ist, sondern auch noch arge Gedächtnisprobleme hat. Außerdem hat Stafros noch eine geschiedene Frau, die mit irgendeinem Kerl zusammen wohnt, den er natürlich nicht ausstehen kann. Außerdem kommen immer mehr Chinesen in sein Viertel, die gegenüber ein großes Restaurant eröffnen wollen und jeden Laden in der Nähe aufkaufen wollen. Außerdem will die Stadt ein interkulturelles Denkmal errichten. Genau vor seiner Nase, verflucht nochmal. Wo soll er denn jetzt Fußball spielen? Und diese Albaner. Ständig laufen sie durch die Gegend und bringen den Hund, den armen Patriotos zur Verzweiflung. Außerdem taucht Nikos plötzlich auf – natürlich ein Albaner – und Stafros' Mutter fängt plötzlich an, nur noch albanisch zu sprechen, seine Freunde wollen nichts mehr mit ihm zu tun haben und Mama verbietet ihm immer noch, seine Rockplatten zu hören. Verdammt! Sein Leben ist eigentlich total beschissen.
„Kleine Wunder in Athen“ ist auch ein kleiner Film, der auf ganz schlichte Art ein authentisches Bild des heutigen Griechenland und des Lebens in Athen zeichnet. Dabei schafft es Regisseur Filipos Tsitos auf verblüffende Art und Weise, Witz und Alltagstragik zu vermischen, ohne, dass es aufgesetzt oder gezwungen wirkt. Er lässt die Skurilität mancher Bilder und Situationen einfach wirken, ohne, sie mit einem übertriebenen Gagfeuerwerk zu feiern, oder einen unpassenden Spannungsbogen ein zu flechten. Es ist eben, wie gesagt, ein ganz schlichter Film. Er behandelt nicht die Großen Probleme, wie Euroschulden, oder gewalttätige Demonstrationen, sondern eben die Dinge, die im Grunde jeder nachvollziehen kann, egal, ob er nun aus Griechenland kommt, oder nicht. Zunächst ist man beispielsweise noch schockiert, wegen des ungezügelten Rassismus, den Stafros und seine Freunde an den Tag legen, denkt sich dann aber bald, dass das ja bei uns im Grunde nicht anders ist. Die Musik verdient auch noch eine Erwähnung. Die ist nämlich alles andere als griechisch. Wir hören ganz kleine, unbekannte, aber wirkungsvolle Rocksongs, die auch das Gesamtbild des Filmes wiedergeben. Schlichtheit, in Perfektion zelebriert. So hochtrabend über diesen Film zu schwadronieren, kommt mir jetzt irgendwie seltsam vor, macht aber deutlich, je weniger ein Film zeigt, desto mehr kann man in ihm sehen.
„Kleine Wunder in Athen“ zelebriert diesen Stil ohne die Schwermütigkeit eines trägen Dramas und auch ohne die visuelle Härte der Dogma-Filme. Damit meine ich: Ein schöner kleiner Film über kleine Dinge, die in Athen passieren. Wenn man genau hin sieht, erkennt man vielleicht auch das ein oder andere Wunder.
Akadimia Platonos (GRE, 2009): R.: Filipos Tsitos; D.: Antonis Kafetzopoulos, Anastasis Kozdine, Yorgos Souxes, u.a.; M.: Nikos Kypourgos, Offizielle Homepage
In Weimar: lichthaus
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