Seit einigen Wochen geistert ein Filmtitel ganz besonders oft durch die Medien und ist derzeit nicht aus der Filmwelt weg zu denken. „The King’s Speech“ war nicht nur bei allen wichtigen Filmfestivals vertreten, hat nicht nur Oscar-Nominierungen in nahezu jeder wichtigen Kategorie erhalten, sondern bietet einem Schauspieler, der im Laufe der Jahre immer bekannter geworden ist, die perfekte Bühne für einen unvergesslichen Auftritt.
Es geht um King George VI. Nachdem sein Vater gestorben ist, übernimmt zunächst sein älterer Bruder die Bürde der Krone und als Bruder des Königs fällt es George zu, regelmäßig bei öffentlichen Auftritten, kurze Reden zu halten. Allerdings hat er ein schweres Stotterproblem, welches seit seiner frühesten Kindheit verankert ist und keiner der Ärzte, die ihn bisher behandelt haben, konnte überzeugende Resultate liefern. Georges Frau hat nun einen neuen Experten für Sprechstörungen gefunden. Lionel Louge übernimmt den berühmten Patienten und konfrontiert den Prinzen mit ungewöhnlichen und vor allem, für einen Monarchen unangebrachten Behandlungsmethoden. Lionel merkt schnell, dass ein Großteil des Problems in Georges Psyche und ständiger Unsicherheit liegt und drängt ihn immer häufiger dazu, aus sich heraus zu gehen und über sein Leben und sehr private Details zu reden. In mühevoller Arbeit lässt sich George auf die merkwürdigen Übungen ein und baut langsam und zaghaft eine Freundschaft zu Lionel auf.
Natürlich ist die Erwartung an diesen Film besonders in den letzten Wochen enorm gesteigert worden. Überall hängen Plakate, ständig hört und sieht man Trailer im Radio oder im Fernsehen und man trifft nur auf verzückte Mienen derer, die den Film bereits gesehen haben. Im Schatten einer regelrechten Oscarflut*, die zu erwarten ist, muss der Film einfach super und total knorke sein und hat obendrein nicht weniger als der beste Film aller Zeiten zu sein. Diese Erwartungshaltung mag ein wenig übertrieben sein und würde man sie einnehmen, würde der Film dieser natürlich nicht gerecht werden. Erwartet man hingegen einen kleinen, schlichten Film, der eine schöne Geschichte erzählt und dann auch noch von sehr guten Schauspielern präsentiert wird, bekommt man genau das. „The King’s Speech“ ist tatsächlich einfach, wendet aber einige technische Tricks an. Zum Beispiel ist der ganze Film recht blass und farblich reduziert. Man bekommt ein bisschen den Eindruck, man guckt sich alte Fotos an, die nachträglich koloriert wurden. Im Gegensatz dazu glänzen eben die Darsteller und vor allem Colin Firth und Geoffrey Rush spielen sehr präzise und gut konstruierte Figuren, so dass es großen Spaß macht, ihnen dabei zu zu sehen. Moment mal! Konstruierte Figuren? Ja! Zwar hat Drehbuchautor David Seidler die Geschichte selbst recherchiert und aufgeschrieben, aber auf Bitten der Witwe König Georges VI ein paar dramaturgische Kniffe angewandt und die Figuren dadurch leicht verändert. Pah! Na und? Pfeif doch auf historische Genauigkeit! „The King’s Speech“ ist gute Unterhaltung und rührt die nahe am Wasser gebauten Zuschauer das ein oder andere Mal dazu, geräuschvoll ins Taschentuch zu schniefen.
„The King’s Speech“ ist ein ganz einfacher Film, der mit klassischen Mitteln eine historische Figur beleuchtet, und dabei trotzdem einen lockeren, fast frechen Ton anschlägt. Der Hype um diesen Film macht es fast ein bisschen kaputt, denn natürlich ist es nicht der beste Film aller Zeiten. Was man aber ohne Übertreibung sagen kann, ist, dass Colin Firth tatsächlich sehr gut spielt und ich ihm mal sämtliche Daumen drück für den kommenden Sonntag.
* “The King’s Speech hat bei der Oscarverleihung 2011 die Auszeichnungen für den besten Film, die beste Regie, den besten Hauptdarsteller und für das beste Originaldrehbuch erhalten.
The King’s Speech (GB, 2011): R.: Tom Hooper; D.: Colin Firht, Geoffrey Rush, Helena Bonham Carter, u.a.; M.: Alexandre Desplat; Offizielle Homepage
In Weimar: lichthaus, CineStar
Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar.
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