Vor drei Wochen habe ich hier einen Film besprochen, der durch die Metapher einer Science-Fiction-Story recht eindeutig Kritik an den sozialen Zuständen Südafrikas übte. „District 9“ ging dabei viele interessante Wege, verzettelte sich am Ende aber zu sehr im Motiv der Alieninvasion an sich, so dass die eigentliche Botschaft etwas verloren ging. Dem gleichen Thema, aber auf völlig andere Weise, widmet sich der neue Film von Steve Jacobs, „Schande“
David Lurie ist Literaturprofessor an einer Universität in Kapstadt. Nach mehreren gescheiterten Ehen und einer mehr schlechten, als rechten Karriere hat er sich zu einem weltfremden Misanthropen entwickelt. Eines Tages entdeckt er die junge Studentin Melanie und nutzt seine Position, um sie zu verführen. Die Affäre kommt ans Licht und David wird sowohl vom Kollegium, als auch von der Öffentlichkeit an den Pranger gestellt. David ist allerdings völlig desinteressiert und geradezu lethargisch, so dass er einfach seine Schuld zu gibt und deshalb seine Anstellung verliert. Daraufhin tritt er den Rückzug an und fährt aufs Land, um seine Tochter zu besuchen.
Die lesbische Lucy lebt fernab von der Zivilisation auf einem Stück Land und betreibt dort eine Art Hundepension. Sie baut Blumen an, die sie regelmäßig auf dem Markt verkauft und so ihr Geld verdient. Außerdem teilt sie sich das Land mit dem Schwarzen Petrus und lebt mit ihm in einer Art Wohngemeinschaft. David sieht sich mit seinen stark ausgeprägten Vorurteilen konfrontiert und versucht, mit großem Nachdruck, seine Tochter zu überreden, das unsichere Leben auf dem Land aufzugeben. Lucy will davon nichts wissen. Sie glaubt daran, dass ein harmonisches Zusammenleben aller Menschen in Südafrika möglich ist, trotz der Auswirkungen und Schäden, die die Apartheid hinterlassen hat. Eines Tages werden David und Lucy von drei schwarzen Herumtreibern überfallen und ausgeraubt. David wird schwer verletzt und Lucy vergewaltigt.
Trotz der überwältigenden Scham bleibt Lucy bei ihrem Glauben und will in der Einsamkeit bleiben und nicht einmal zur Polizei gehen.
Der 2000 erschienene Roman „Schande“ von J.M. Coetzee erregte viel Aufsehen, da er ein hartes aber authentisches Bild des heutigen Südafrikas zeichnete und eine unverhohlene Gesellschaftskritik lieferte, die keiner so leicht schlucken wollte. Für diesen Roman ist Coetzee als erster Autor weltweit zweimal mit dem Booker-Prize ausgezeichnet worden. Nun wurde der Roman von Steve Jacobs behutsam und sehr sensibel verfilmt. John Malkovich übernimmt die Rolle des Professor Lurie und wächst weit über sich hinaus. Er füllt diese Figur so intensiv mit Leben, dass der Rest des Films stilistisch in den Hintergrund gerät. Deshalb verzichtet Steve Jacobs auch auf aufwendige oder unangebrachte Spielereien und lässt durch ganz klare und eindeutige Bilder die Atmosphäre des rauen und ungastlichen Hinterlandes Südafrikas wirken. Auch geht Jacobs relativ kompromisslos mit den Gefühlen und dem Gemütszustand seines Publikums um und unterwirft den Film einer ständig wachsenden Anspannung, die sich einfach nicht auflösen will. Die Nerven liegen blank und man fühlt sich einfach deprimiert, ob der harten Realität dieses Szenarios. Das ist der größte Pluspunkt des Films. Er lässt keine Distanz zu, sondern holt den Zuschauer ganz nah heran. Man kann überhaupt nicht auf die Idee, kommen, zu sagen: Es ist in Südafrika und das ist weit weg.
„Schande“ ist harter Tobak und nichts für den gemütlichen Kinoabend nebenbei. Aber um so wichtiger, da es selten gelingt, ein derart realistisches Bild über eine Gesellschaft zu zeichnen, ohne wirklich Partei für die eine, oder die andere Seite zu ergreifen. Nach diesem Film hat man keinen Kloß im Hals, sondern Beton im Bauch
Disgrace (Australien / Südafrika 2008): R.: Steve Jacobs; D.: John Malkovich, Paula Arundell, Jessica Haines, u.a.; M.: Antony Partos; Offizielle Homepage
In Weimar: lichthaus
Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12.25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar.
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