Jeder macht sich immer irgendwie Gedanken um das Alter. Entweder man ist jung und fühlt sich älter, eckt aber ständig an, weil man eben noch zu jung ist – beim Kaufen von Bier zum Beispiel – oder man ist alt und fühlt sich aber noch älter und eckt überall an, weil man das Gefühl hat, alle anderen wären jünger, was sie aber nicht sind. Das alles wird dadurch kompliziert, dass niemand offen über das Alter und das älter werden redet, weil er nie weiß, wem er damit auf die Füße tritt. Auf was hab ich mich da eingelassen, als ich mir den neuen Film mit Corinna Harfouch, „Giulias Verschwinden“ angesehen habe?
Also. Ganz von Vorne. Es geht um Giulia. Sie hat Geburtstag. Ihren Fünfzigsten. Und damit gehen ihre Probleme oder Komplexe los. Eigentlich fühlt sie sich gar nicht alt, aber eine offensichtlich alte Frau hält ihr im Bus buchstäblich einen Spiegel vor die Augen. „Uns Alte sieht man eben nicht. Wir sind unsichtbar“ Erschrocken stellt Giulia zwei Dinge fest. Beim Blick in die verspiegelte Scheibe vom Bus sieht sie sich selbst nicht mehr. Außerdem merkt sie, dass sie gerade überhaupt keine Lust mehr hat, da hin zu gehen, wo hin sie unterwegs war. Zu ihrer Geburtstagsfeier nämlich. Die soll in einem Restaurant statt finden, in der fünf ihrer Freunde sehnsüchtig auf sie warten. Und die haben natürlich kein besseres Thema als das Alter. Wie schrecklich alles wäre. Der körperliche Zerfall, die Dinge, die man früher noch bedenkenlos essen konnte, die Fußkrämpfe beim Sex. Giulia tut also das einzige, was sie ihrer Meinung nach noch tun kann. Sie verschwindet...
Dass das Thema nicht so ganz einfach werden würde, merkte ich schon während des Films. Um mich herum gab es ununterbrochenes amüsiertes Gekicher und Schenkelgeklopfe und ich fand irgendwie alles oberflächlich und lahm. Die Figuren im Film reden über das Alter und tauschen im Grunde nur Klischees und Plattitüden aus. Was eben jedem zum Thema älter werden als erstes einfällt. Die Oberflächlichkeit geht so weit, dass man über die Figuren gar nichts erfährt. Auch die schauspielerische Leistung ist flach geraten. Die Texte und Dialoge klingen wie abgelesen und haben so viel Intensität wie in einem Werbespot für Faltencreme. Der episodenhafte Stil der Dramaturgie ist zwar ein netter Ansatz, wird aber auch nicht weiter vertieft und trägt am Ende sogar eher zur Verwirrung bei, weil alle Figuren, die zu Beginn nichts miteinander zu tun hatten, plötzlich doch zusammen kommen. Technisch hat mich der Film noch mehr geärgert. Ich weiß ja, dass alle auf die unheimlich praktische Digitalkameratechnik schwören, aber sehen die heutigen Filmemacher denn nicht, dass es einfach schlecht aussieht? Während ich mich hier in aller Ruhe auslasse und mich immer mehr herein steigere, wie saublöd ich diesen Film fand, merke ich, dass der Film womöglich doch recht hat in seiner Aussage und ich mich nur meinem Alter entsprechend verhalte. Was für ein saublöder Film. Ja, na klar. Aber nur, weil ich zu jung bin, um ihn zu verstehen. Dieser Film könnte das Altersfreigabesystem in Deutschland revolutionieren. „Nicht geeignet für Personen unter 50“ Die einen würden das bestimmt toll finden, die anderen wutentbrannt und beleidigt das Kino verlassen.
„Giulias Verschwinden“ geht ganz schlicht und kompromisslos an das Thema Alter und älter werden heran. Das funktioniert so gut, dass es eigentlich nur eine sehr kleine Zielgruppe geben kann, der dieser Film ausnahmslos gefallen wird. Im Zweifelsfall kann man sich auf Corinna Harfouch freuen. Damit macht man nichts verkehrt. Als ich einer Kollegin übrigens erzählt habe, ich glaubte, der Film würde ihr bestimmt gefallen, fragte sie mich, wie alt Giulia denn sei. „Sie feiert ihren Fünfzigsten“ - „Na vielen lieben Dank auch!“ - Uff!
Giulias Verschwinden (D/CH 2009): R.: Christoph Schaub; D.: Corinna Harfouch, Bruno Ganz, u.a.; M.: Balz Bachmann; Offizielle Homepage
In Weimar: lichthaus
Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 live auf Radio Lotte Weimar.
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