Freitag, 18. Dezember 2009

Zombieland

Letzte Woche habe ich schon über die schöne Weihnachtszeit gesprochen. Weihnachten rückt näher, die Verwandten rücken auch näher und die Zeit der Besinnlichkeit und Nächstenliebe steht vor der Tür. Eine etwas unorthodoxe, aber hochinteressante Lektion in Sachen Nächstenliebe kann man derzeit im Kino lernen, wenn man sich den neuen Film von Ruben Fleischer ansieht. Der Film hat einen Titel, bei dem sich das Herz des eingefleischten Genrefans zu einem saftigen Steak weitet: "Zombieland"

Die Welt ist mal wieder völlig hinüber, denn die meisten Menschen haben sich wegen eines höchst aggressiven Virus in fleischfressende Untote verwandelt - Liebevoll "Zombies" genannt. Es gibt nur wenige Überlebende, wie zum Beispiel Columbus. Er schlägt sich so durch und will irgendwo hin, wo es keine Zombies gibt. Unterwegs trifft er auf Tellahassee. Der ist das genaue Gegenteil von Columbus. Ein knallharter Typ mit einem Arsch voll Waffen und einer etwas unheimlichen Vorliebe für Twinkies. Trotz offensichtlicher Differenzen verstehen sich die beiden aber doch ganz gut und machen sich gemeinsam auf den Weg zur zombiefreien Zone, wo auch immer die sein möge. Unterwegs vertreiben sich die beiden die Zeit mit der Suche nach dem Sinn des Lebens, dem Zombiekill der Woche und natürlich mit der Suche nach Twinkies. Sie treffen außerdem auf zwei hübsche Schwestern, die sie allerdings ständig austricksen und ihnen regelmäßig Autos und Waffen abnehmen. Da es nach der Zombieapokalypse ein bisschen an objektiv denkenden Mitmenschen mangelt, raufen sich schließlich alle vier zusammen und begeben sich auf einen Roadtripp ins sonnige - vermeintlich zombiefreie und twinkiereiche - Kalifornien.

Ja, es gibt schon merkwürdige Filme. Und es gibt auch Filme, die eigentlich nur Menschen mit einer ganz besonderen Veranlagung gefallen. Zombiefilme gehören auf jeden Fall dazu. "Zombieland" hat zwar alle Elemente eines klassischen Zombieszenarios, ist aber witzig. Ähnlich wie in "Shaun Of The Dead" wird das ganze Genre auf die Schippe genommen, allerdings nicht, ohne sich gleichzeitig tief davor zu verbeugen. Das ist das seltsame an diesen Filmen, aber ohne ordentliche Kopfschüsse, zerfetzte Kehlen und eklig verunstaltete Untote, die mit absoluter Verlässlichkeit und Konsequenz die Welt ins Chaos stürzen, können diese Filme nicht funktionieren. Lässt man sich darauf ein, dann geht „Zombieland“ sehr kulant mit dem unbedarften Zuschauer um. An echten Schockszenen wurde großzügig gespart, der Gewaltgrad ist verhältnismäßig niedrig und der Anteil an coolen Sprüchen und Slapstickeinlagen stark erhöht. Es ist sozusagen der Zombiefilm für die ganze Familie. Woody Harrelson ist ein Schauspieler, der sich für keine Rolle zu fein ist. Immer ein bisschen durchgeknallt mit einer Vorliebe für bescheuerte Kostüme, ist er in diesem Film genau richtig. Außerdem gibt es einen kurzen Auftritt eines überaus prominenten Zombies, den man hier nun wirklich nicht erwartet hätte. Technisch entspricht "Zombieland" voll und ganz den Genrekollegen der letzten Zeit. Aufwendige Aufnahmen leergefegter Straßen und brennender Wahrzeichen und Postkartenmotive und rundum gelungene Actioneinlagen.

"Zombieland" ist kein großer Überflieger, aber er macht Spaß und mischt die unisono gesungenen Weihnachtsgefühle ordentlich auf. Leider sind die weimarer Kinos allesamt Pussies und trauen sich nicht, diesen Film zur Weihnachtszeit zu zeigen. In Erfurt soll es aber doch das ein oder andere Kino geben, welches ein wenig Verständnis für Zombies aufbringt. Die sind nämlich auch nur zutiefst missverstandene Kreaturen, die sich nach Liebe und einer kleinen Umarmung sehnen.

Zombieland (USA 2009): R.: Ruben Fleischer; D.: Woody Harrelson, Jesse Eisenberg, Emma Stone, u.a.; M.: David Sardy; Ofiizielle Homepage

In Weimar: Pussies, Pussies, Pussies

Rezensionen On Air: In diesem Jahr gar nicht mehr. Ab 07.01.2010 wieder auf Radio Lotte Weimar.

Frohes Fest und bis nächstes Jahr
-J-

Freitag, 11. Dezember 2009

Whatever Works

„Alle Jahre wieder...“ Eine Phrase, die man vor allem zur Weihnachtszeit ständig hört. Man hört sie so oft, dass man sich ihrer Bedeutung nicht mehr sicher ist. Was soll das eigentlich heißen? Ist es ein Ausdruck von Vorfreude, oder eher von Resignation? Okay. Weihnachten kommt nun wirklich alle Jahre wieder. Der Winter kommt alle Jahre wieder. Ebenso, wie erhöhte Benzinpreise und die Energiekostenabrechnung. Das sind Dinge, über die man keine Kontrolle hat, weshalb sie ja auch immer wieder kommen. Worauf will ich eigentlich hinaus? Ach ja! Alle Jahre wieder gibt es einen neuen Film von Woody Allen. In diesem Jahr heißt er...Moment...Ich muss mal schnell nach sehen. Ach ja! „Whatever works“

Das mit der Heizkostenabrechnung ist aber auch immer gemein. Was soll man denn machen? Wenn es kalt ist, muss man heizen. Dazu hat man doch das blöde Ding zu Hause. Aber egal, wie viel man im Vorjahr bezahlt hat, es kommt immer irgendwie die böse Überraschung.
Oh! Aber eigentlich sollte ich ja über den neuen Film von Woody Allen schreiben. Der hat nun mit Heizrechnungen gar nichts zu tun. Obwohl er es rein charismatechnisch durchaus mit einem Heizkörper aufnehmen könnte. Es geht jedenfalls um Boris. Ja Boris. So, wie Boris Karloff in „Frankenstein“. Ihr wisst schon. Der verrückte Professor, der einen künstlichen Menschen erschaffen will, aus Leichenteilen und technischen Geräten. Dazu braucht er ganz viel Strom. Frankensteins Rechnung wäre bestimmt auch nicht ohne gewesen, wenn er nicht die Kraft eines Blitzes benutzt hätte.
Apropos Blitz. Im neuen Woody-Allen-Film geht es gewissermaßen auch um Blitze. Blitze der Lethargie. So ein bisschen wie bei „Garden State“. Die Szene, in der Zach Braff im Flugzeug sitzt. Einfach genial. Und wie sich seine Figur im Laufe des Films wandelt. Wie er vom lethargischen und desillusionierten Großstädter regelrecht aufblüht und das nur durch die Kraft der Liebe. Eine wunderschöne Geschichte.
Huch, aber ich schweife ab. Es sollte ja um „Whatever Works“ gehen. Hihi! Aber das mit dem Abschweifen erinnert mich an Dustin Hofman und Robert de Niro in „Wag The Dog“. Die Beiden scheinen ständig aneinander vorbei zu reden und wechseln so oft und unerwartet das Thema, dass man brüllen könnte vor Lachen.
Oh, ach ja. Also Boris in „Whatever Works“ brüllt auch immer mal rum. Wenn er Kindern Schach beibringen soll, zum Beispiel. Das erinnert mich an Jack Nicholson in „Besser geht’s nicht“. Er spielt da so einen Kotzbrocken, bei dem man nie so richtig weiß, ob er ein typischer Antiheld ist und ob er sich irgendwann vom Saulus zum Paulus wandelt. Aber Jack Nicholson ist ein Schauspieler, den man so einen krassen Wandel auf jeden Fall abnimmt. Leider spielt er nicht im neuen Woody-Allen-Film mit. Da gibt es ja nicht mal richtige Action, wie bei „2012“. Da gibt es eine Szene, in der John Cusack in einer schwarzen Limousine durch L.A. fährt und um ihn herum stürzt alles zusammen. Und dann fährt er durch einen - gerade umstürzenden – Wolkenkratzer hindurch. Unglaublich! Irre! Wow! Da war ich hin und weg. Einfach Klasse!
Was? Ach ja...“Whatever Works“...Woody Allen ist ja schon ein richtig alter Knacker. Alte Schule und so. So ein bisschen, wie Clint Eastwood. Nur, dass Clint immer besser wird und stets neue Elemente in seine Filme einfließen lässt. So, wie in „Gran Torino“ Was für ein Film! Was für eine Story und der Abgang. Schlicht genial. So müssen Filme sein, die im Gedächtnis bleiben.
Apropos Gedächtnis. „Whatever Works“ erinnert mich an eine Tasse, guten, alten, englischen Tees. So, wie ihn Judi Dench in „Tagebuch eines Skandals“ immer trinkt, wenn sie ihrem Tagebuch alle möglichen Intrigen anvertraut. Ich finde es schön, Judi Dench in guten Filmen zu sehen. Immer, wenn ich denke „Oh mein Gott! Jetzt spielt sie auch noch in James Bond mit. Hat sie nichts besseres zu spielen?“, hat sie plötzlich eine ganz andere Rolle in einem ganz anderen Film. Und jedes Mal beweist sie mit Leichtigkeit, dass sie noch immer eine unglaublich gute Schauspielerin ist. Einfach nur cool.

Ach ja...“Whatever Works“ ist ein typischer Allen-Film. Wer seine Filme schon immer mochte, wird auch diesen mögen. Wer sich noch nie mit seinem Stil anfreunden konnte, braucht nicht zu hoffen, dass der neueste Teil der Alan-Serie etwas daran ändern wird. Same proceedure as every year, Woody.

Whatever Works (USA 2009): R.: Woody Allen; D.: Larry David, Evan Rachel Wood, Patricia Clarkson, u.a.; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

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Freitag, 4. Dezember 2009

Gesetz der Rache

Es ist schon nicht einfach im Leben. Man hat Probleme mit dem Job, dem Auto, dem Finanzamt, oder damit, dass zwei Irre in dein Haus eindringen, deine Frau und dein Kind erschlagen und mit Bewährungsstrafen davon kommen. Und wem soll man da wieder die Schuld geben? Richtig! Dem System, das alles umfasst und für unser aller Elend verantwortlich ist. Aber ist das System nun etwas greifbares, etwas real existierendes, oder gar nur ein Konstrukt auf einer anderen Ebene des kollektiven Bewusstseins? Ist es eine höhere Macht, die uns mit dem System strafen will? Was, zum Teufel, ist dieses System überhaupt? Fragen, die viele Menschen beantworten können, es aber nicht tun, wie zum Beispiel Regisseur F. Gary Gray in seinem neuen Film „Das Gesetz der Rache“

Clyde ist Familienvater und führt das typische amerikanische Familienleben. Frau, Kind, Haus und Hund. Dieser Traum aus den Lifestylemagazinen wird jäh zerstört, als zwei Gauner zunächst freundlich an der Tür klopfen und dann Frau und Kind ermorden, während Clyde hilflos zusehen muss. Klarer Fall, könnte man nun denken. Die beiden Mörder werden gefasst und vor Gericht gezerrt. Es besteht kein Zweifel, dass sie für schuldig befunden werden. Doch da schlägt das System zu. Der Staatsanwalt Nick erhält das Angebot, einen Deal ab zu wickeln. Ein Gangster verrät den anderen. Einer wird hingerichtet, der andere kommt für drei Jahre in den Knast. Das System, oder eine höhere Macht vielleicht zwingen Nick dazu, auf den Deal ein zu gehen. Gesagt, getan: Daumen hoch für Anwalt, Richter und Mörder; Flunsch auf dem Gesicht des betroffenen Vaters. Der hat das System voll und ganz durchschaut und will nun mittels sadistischer und gnadenloser Selbstjustiz zeigen, wie furchtbar und schlecht das System ist.

Es lässt sich kaum verbergen, dass sich die Begeisterung für dieses Machwerk arg in Grenzen hält. Die Story ist vorhersehbar und steht vor allem auf sehr wackligen Füßen, soll sie dem Zuschauer doch die Schlechtigkeit des Systems aufzeigen – was immer man nun darunter versteht – und predigen, dass man alles besser machen kann, wenn man nur will. Der Held des Films straft seinen Reden Lügen, indem er selbst zum Mörder wird. Der Gipfel der Sinnlosigkeit der gesamten Message kündigt sich zum Finale an. Durch das Ende wird nämlich vor allem eins gezeigt: Das System funktioniert offensichtlich doch. Hinzu kommt die Inszenierung der verschiedenen Mordanschläge, bei der sich sehr viel Mühe gegeben wurde, sie möglichst detailliert darzustellen. Hier geilen sich Regisseur und Hauptdarsteller regelmäßig auf, so dass der verkrüppelte Zeigefinger, der immer pro forma gewedelt wird, völlig untergeht. Kurz gesagt: Story oberflächlich zusammen geschustert, um mittelmäßige Actionszenen und Gewaltakte unterzubringen. Manchmal soll wohl der Eindruck tiefsinniger Ansätze vermittelt werden, weshalb die Hauptcharaktere stets in unglaublich klischeehafte Dialoge verstrickt werden. Um die Suppe zu vervollständigen, merkt man Gerard Buttler keinerlei schauspielerische Ambitionen an. Ein und der selbe Gesichtsausdruck und so viel Charisma wie die Statue der Justizia, die regelmäßig zu sehen ist. Im Gegensatz zu Justizia ist bei ihm aber von Anfang an klar, auf welche Seite die Waage geht, was der ganzen Angelegenheit natürlich recht viel Spannung nimmt.

Ich könnte hier noch seitenweise weiter wettern, belasse es an dieser Stelle und empfehele, den Film nicht zu sehen. Wer es dennoch tut, wird auch keinen Schaden davon tragen, es bleibt nämlich sowieso nichts hängen und man hat den Film eigentlich sofort wieder vergessen.

Law Abiding Citizen (USA 2009): R.: F. Gary Gray; D.: Gerard Butler, Jamie Foxx, Leslie Bibb, u.a.; M.: Brian Tyler; Offizielle Homepage

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Donnerstag, 26. November 2009

Away We Go

Man hätte sich wirklich schon ernsthafte Sorgen um Sam Mendes machen können, wurden seine Filme immer tragischer und schwerer zu schlucken. Man hat sich gefragt, welche tief greifenden Erlebnisse dieser Regisseur in seinen Filmen da zu verarbeiten versuchte. Doch nun scheint er in eine neue Phase seines Schaffens geraten zu sein. Nach „American Beauty“, „Road To Perdition“ und dem unsagbar traurigen „Zeiten des Aufruhrs“ kommt nun tatsächlich so etwas ähnliches, wie eine Komödie. Zumindest aber ein Film mit einem prinzipiell positivem Anklang, mit dem Titel „Away We Go“

Burt und Verona sind ein etwas ungewöhnliches Pärchen. Sie leben in einem kleinen Häuschen, dass diese Bezeichnung nur noch der Form halber trägt. Er ist Versicherungsvertreter und hat sehr unkonventionelle Methoden entwickelt, sie zu verkaufen. Wäre man so spießig und festgefahren, wie alle anderen Figuren in dieser Geschichte, könnte man sagen, Burt und Verona seien ein wenig verrückt. Aber an sich sind sie ganz normal und haben eben den ein oder anderen Tick, wie eigentlich jeder.
Eines Nachts geschieht es und Verona wird schwanger. Auch, wenn das etwas überraschend passiert, sind die beiden doch überglücklich und bereiten sich intensiv auf ihr baldiges Familienglück vor. Mitten in den Vorbereitungen lassen Burts Eltern die Bombe platzen und teilen mit, dass sie noch vor der Geburt des Enkels nach Belgien zu ziehen gedenken.
Da Burt und Verona ursprünglich nur hier her gezogen waren, um in der Nähe seiner Eltern zu sein, entschließen sie sich, ihr Glück wo anders zu versuchen. Es kommen mehrere Orte in Frage. In Phoenix lebt eine alte Freundin von Verona, In Madison eine Cousine von Burt und in Tucson Veronas Schwester. Also wird ein straffer Reiseplan zusammen gestellt und eine Station nach der anderen abgehakt. Dort, wo es den beiden am Besten gefallen würde, würden sie bleiben. Dabei begegnen sie zahlreichen Menschen, die sie stets glauben lassen, sie selbst seien die einzigen normalen Leute in der Gegend.

„Away We Go“ ist ein wunderschöner, kleiner Film, der auf bezaubernde Weise mit den Klischees, der amerikanischen gesellschaft spielt. Dabei nutzt er eben auch die uramerikanischen Stilelemente von Familienkomödie und Roadmovie, um sie dezent durch den Kakao zu ziehen. Zum Beispiel ist der Film in Kapitel unterteilt, die stets das erzählen, was die beiden Hauptfiguren an einem Ort erleben. Außerdem werden an jedem Ort völlig unterschiedliche Menschen mit ebenso unterschiedlichen Lebensphilosphien vorgestellt. Auf diese Weise tut Sam Mendes eigentlich das gleiche, wie immer. Er zeichnet ein eindeutig kritisches Bilder Gesellschaft, welches eben diesmal durch die kleine schöne Geschichte und den Kontext der verschiedenen, teils absurden Situationen, in denen Burt und Verona auf andere Menschen treffen, enorm unterhaltsam geraten ist. Beinahe immer könnte man sagen, man ist schon mal jemanden begegnet, der auch so ist. Die Hyperaktive Bürofreundin und ihr brummiger, desillusionierter Ehemann, oder auch die freischwebende Esoterik-Dozentin, die überaus fragwürdige Praktiken bei der Erziehung ihrer Kinder pflegt. Es ist alles aus dem Leben gegriffen und eigentlich nichts ungewöhnlich. Aber in dieser Kombination macht es großen Spaß, diese Dinge zu beobachten. Und auch, wenn es diese Elemente sind, die den Film letztendlich zu etwas Besonderem machen, würde es doch ohne die gut konstruierte und durchdachte Story nicht funktionieren. Die wird nur von den beiden Hauptfiguren getragen, die mit ihren Eigenheiten und Macken so rührend dargestellt werden, dass man Burt und Verona ganz schnell ins Herz schließt und beihnahe traurig ist, als der Film vorbei ist.

„Away We Go“ - der neue Film von Sam Mendes, der einen Weg gefunden hat, die amerikanische Gesellschaft kritisch darzustellen und gleichzeitg einen positiven Grundtenor an zu schlagen. So gut seine vorhergehenden Filme auch waren, wirklich wohl hat man sich hinterher nie gefühlt

Away We Go (USA 2009): R.: Sam Mendes; D.: John Krasinski, Maya Rudolph, Maggie Gyllenhaal, u.a.; M.: Alexi Murdoch; Offizielle Homepage

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Donnerstag, 19. November 2009

2012

Wenn ein Haus zu alt ist, wenn es im Laufe der unzähligen Jahre zu große und irreparable Schäden erlitten hat, dann sollte man es wegreißen und ein neues Haus errichten. Das könnte das Credo von Regisseur Roland Emmerich sein, der in seinen Filmen immer wieder die restlose Zerstörung von Menschenhand errichteter Gebäude und Monumente zelebriert. Irgendwas kommt immer daher, um sich so richtig schön auszutoben. Mal sind es Aliens, mal nuklear verseuchte Riesenechsen, das Ozonloch oder eben, wie im neuesten Machwerk, eine Sonneneruption. Die soll im Jahr 2012 den Weltuntergang einleuten und den kann man sich jetzt schon mal im gleichnamigen Film im Kino ansehen.

Wie gesagt: Die Sonne sorgt dafür, dass der Neutrinoanteil im Erdinneren steigt und der Druck immer größer wird. Dass die Erdkruste bricht, ist nur noch eine Frage der Zeit. Die Anzeichen verdichten sich und vielerorts gibt es merkwürdige Vorkommnisse. Auf Straßen entstehen zum Beispiel große Risse und der glücklose Schriftsteller Jackson will mit seinen Kindern den Yellowstonepark besuchen, stößt dort aber an allen Ecken auf Absperrungen und am Himmel zeigen sich verdächtig viele Militärhubschrauber. Von offizieller Seite gibt es kollektives Abwinken und die Meldung, dass alles im grünen Bereich sei. Ein durchgeknalter Radiomoderator, den Jackson trifft, ist allerdings der Meinung, es handele sich hierbei um eine Verschwörung und die Regierungen der Welt verschweigen den baldigen Weltuntergang. Und der steht laut einer alten Prophezeiung der Maya unmittelbar bevor. Für Jackson ist klar, dass er mit seinen Kindern lieber das Weite suchen sollte und fährt mit ihnen wieder nach Hause nach Los Angeles. Kaum dort angekommen, geht’s auch schon los. Der Boden wackelt wie verrückt, tut sich auf und verschluckt die ganze Stadt. Vorher konnte Jackson noch eine geheimnisvolle Karte erbeuten, auf der im Himalaja verzeichnete Rettungsstationen zu finden sind. Die großen Regierungen der Welt haben dort das Projekt „Arche“ gestartet. Jackson macht sich also in einem geklauten Flugzeug auf den Weg, um seine Familie vor der weiter andauernden globalen Katastrophe zu retten.

Mit einem Wort: Die Sotry ist völlig egal. Das Interesse an dem „warum“ schläft ein, sobald so etwas schwer zu erfassendes, wie Neutrinos ins Spiel kommen, die sich entgegen ihrer Definition überhaupt nicht neutral verhalten. Dem entsprechend kurz fällt auch die Einführung aus. Und dann wird es toll. Der Boden bebt und keiner der Steine, die je ein Mensch übereinander gebaut hat, bleibt auf dem anderen. Autobahnen werden von Abgründen verschluckt, bei denen man bis zum Erdkern gucken kann. Wolkenkratzer fliegen durch die Gegend. Ebenso, wie Autos, Trümmer, Menschen, etc. Die Katastrophen sind allesamt perfekt und bildgewaltig inszeniert und bilden so die regelmäßigen Höhepunkte des Films. Emmerich denkt dabei an alles, was man so braucht. Die Protagonisten sind immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort und egal, wie schnell jemand flieht: Der Abgrund tut sich immer nur wenige Zentimeter hinter dem Fahrzeug auf. Für ein bisschen Drama sorgt eine Familiengeschichte, wie sie das Leben niemals schreiben würde und John Cusack mit seiner lockeren, manchmal etwas flapsigen Art sogar für den oder anderen Lacher.

„2012“ macht einfach nur unglaublichen Spaß. Man verzichtet gerne auf eine anspruchsvolle Story, wenn man dafür mit derart perfekten Actionszenen belohnt wird. Der Film könnte auch heißen „2012 – Das Jahr, in dem alles kaputt ging“ oder auch „Das Jahr, in dem Danny Glover Präsident wurde“. Es hätten auch wieder Aliens sein können; völlig egal. In keinem anderen Film hat man bis jetzt eine Flutwelle über den Himalaja schwappen sehen und was Superlative angeht, ist Emmerich wirklich ein absoluter Meister, der nie mehr macht, als er sich zu traut. Deshalb ist dieser neue Film vielleicht auch so überzeugend. Vor allem aber ist er großes Kino und Unterhaltung bester Güte. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

2012 (USA 2009): R.: Roland Emmerich; D.: John Cusack, Armanda Peet; Chiwetel Ejiofor, Danny Glover, u.a.; Offizielle Homepage

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Montag, 16. November 2009

(500) Days Of Summer

Beziehungen zwischen Mann und Frau sind das alltäglichste der Welt. Tausende Paare finden und trennen sich minütlich auf der ganzen Welt. Jeder Mensch kann irgendwas zu diesem Thema erzählen. Ganz klar, dass die Liebe auch das wichtigste Motiv ist, seit der Film überhaupt erfunden wurde. So gibt es unzählige Liebesdramen, -schnulzen und romatische Komödien. Es ist zu einem Genre avanciert, welches immer bis kurz vor dem Überlaufen ausgereizt wird und natürlich steht immer schon der nächste Liebesfilm in den Startlöchern. Doch immer, bevor man völlig resigniert, ob dieses schieren Überschwangs, mächtiger rosa Brillen und menschlicher Gefühle, tauchen manchmal besonders schöne Genrezierden auf. Zu nennen wäre hier zum Beispiel „Garden State“ von Zach Braff und jetzt neu „(500) Days of Summer“ von Marc Webb.

Tom ist kein besonders auffälliger Mensch und vor allem ist er Grußkartendesigner. Er hat den festen Glauben, eines Tages der Liebe seines Lebens zu begegnen. Die taucht unerwartet in Person der neuen Assistentin des Chefs auf. Ihr Name ist Summer, sie ist bildhübsch und steht auf The Smiths. Tom weiß ganz sicher, dass sie die Frau ist, die er immer gesucht hat, allerdings erklärt ihm Summer nach ersten, zaghaften Annäherungsversuchen, dass sie nicht an die Liebe glaubt. Noch bevor sich Tom darüber wundern, oder gar ausführlich Gedanken machen kann, liegt sie bereits in seinen Armen. Verwirrung, Aufregung und vor allem unfassbare Glückseligkeit erfüllen nun Toms Alltag. Während er versucht, seine Liebste zu verstehen und ihren ständigen Stimmungsschwankungen eine schlüssige Bedeutung zuzuordnen, erkundet Tom auf diese Weise sein eigenes Leben. Es wird alles minutiös analysiert und dokumentiert, ohne, dass Tom den Antworten auf die falschen Fragen näher kommt. Vom ersten Treffen bis zum Abschied vergehen genau 500 Tage. 500 Tage, in denen all das passiert, was in tausend anderen Beziehungen tagtäglich auch passiert.

Was macht diesen Film also so besonders? Auch eine Frage, die nicht so leicht beantwortet werden kann, aber wenn man den Film sieht, weiß man es. Bevor ich es mir hier zu leicht mache, doch noch ein paar erläuternde Worte. Marc Webb hat zum einen eine sehr unkonventionelle Erzählstruktur gewählt, denn anders, als der Titel vermuten lässt, wird die Geschichte nicht chronologisch abgehandelt. Außerdem ist der Film von einem erfrischend visuellem Rahmen umgeben. Hier verschmelzen also Erzählebene und visuelle Darstellung zu einem nahezu perfekten Gleichklang. Mit gekonnten Schnitten und schönen Überleitungen fließt der Film beinahe unmerkbar durch seine anderthalb Stunden Laufzeit. Trotz der scheinbar chaotischen Abfolge der Ereignisse, ist die ganze Story rund und stets nachvollziehbar geblieben. Wodurch diese Wirkung erzielt wird, ist wirklich schwer zu erklären, aber es könnte an der charmanten Inszenierung der ganzen Geschichte liegen, an der stimmigen Musik und natürlich auch an den beiden Hauptdarstellern. Vielleicht funktioniert der Film aber auch deshalb so gut, weil er einfach ganz nah an der Wirklichkeit ist und wahrscheinlich jeder sagen kann, das ein oder andere habe er genauso erlebt, wie es der Film zeigt.
Ist „(500) Days of Summer“ nun eine romantische Komödie? Ja. Aber eine, die sich fernab vom Kitsch und der stereotypen Darstellung von Liebe und Herzschmerz bewegt, die Hollywood in tausend anderen Filmen suggeriert.

„(500) Days of Summer“ beschreitet keine gänzlich neuen Wege, macht aber bei dem Versuch, die Liebe zu erklären eine sehr gute Figur. Ein wunderschönder, kleiner Film, der vor allem zwischen schwer verdaulichen Brocken, wie „Antichrist“ und „Das weiße Band“ doch tatsächlich die Hoffnung sät, dass die Welt doch kein so übler Ort ist.

(500) Days of Summer (USA 2009): R.: Marc Webb; D.: Joseph Gordon-Levitt, Zooey Deschanel, Geoffrey Arend, u.a.; M.: Michael Danna; Offizielle Homepage

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Mittwoch, 4. November 2009

Das weiße Band

Vor 12 Jahren hat ein deutscher Film die Gemüter der Kinobesucher nicht nur aufgewühlt sondern diese auch mit ihren eigenen Dämonen und Ängsten regelrecht gefoltert. Die Rede ist von „Funny Games“ von Regisseur Michael Haneke, der wie kein anderer Film zuvor die schrecklichsten Dinge thematisierte, ohne sie wirklich darzustellen. Alles wurde der Fantasie des Zuschauers überlassen, was es noch viel schlimmer machte. Seitdem ist viel Zeit vergangen und Haneke hat seitdem viel dazu gelernt. War „Funny Games“ noch vergleichsweise roh, sowohl was Handlung anging, als auch den visuellen Stil, hat er mit seinem neuen Film „Das weiße Band“ eine neue Ebene des Kopfkinos erreicht.

Ein kleines Dorf im Norden Deutschlands zur Kaiserzeit. Der erste Weltkrieg steht kurz bevor, aber das weiß noch niemand. In dem kleinen Dorf herrscht Frieden und Idylle und ein streng geregelter Tagesablauf. Alle sind mehr oder weniger zufrieden, denn es lässt sich unter dem Baron angemessen leben, wenn auch der ein oder andere hart dafür arbeiten muss. Eines Tages geschieht etwas merkwürdiges. Der Dorfarzt erleidet einen schweren Reitunfall. Sein Pferd stürzt über ein nahezu unsichtbares Seil, welches quer über den Boden gespannt ist. Ein Täter ist nicht aufzufinden und selbst ein hinzu gerufener Polizist kann keine brauchbaren Hinweise entdecken. Kurz darauf passiert ein grauenhafter Unfall, bei dem die Frau eines Bauern auf tragische Weise ums Leben kommt. Die Harmonie im Dorf ist merkbar erschüttert. Ohne, dass ein wirklich nachweisbarer Zusammenhang zwischen diesen beiden Vorfällen besteht, entsteht eine merkwürdige Stimmung. Nach einer Weile geraten die merkwürdigen Ereignisse in Vergessenheit. Gerade fällt dem Dorflehrer auf, dass sich die Kinder des Pfarrers irgendwie sonderbar verhalten, da wird der Sohn des Barons verschleppt und schwer misshandelt. Wieder fehlt jede Spur von den Tätern und auch die Apelle des Barons und des Pfarrers führen weder dazu, dass sich jemand der Taten für schuldig bekennt, noch dass die grausigen Ereignisse abbrechen.

„Das weiße Band“ liefert ein authentisches Zeitbild des Lebens in Deutschland vor dem ersten Weltkrieg ab. Auch, wenn dieser Krieg nie direkt im Film thematisiert ist, spielt der Zeitpunkt eine sehr wichtige Rolle für die Geschichte. Dieser Aspekt prägt nämlich die Stimmung und die Atmosphäre des gesamten Films. Obwohl die Figuren noch nicht wissen können, was sich in Bälde ereignen wird, ist sich der Zuschauer ständig dessen bewusst und empfindet die Idylle und den Frieden immer als eher trügerisch. Dadurch entsteht eine unglaubliche Spannung, die aber eigentlich kaum greifbar ist, wie der Schatten des drohenden Krieges. Zusätzlich bedient sich Haneke noch zahlreicher anderer Mittel, um den Film zu stilisieren. Am auffallendsten ist natürlich, dass alles in klarem Schwarzweiß gefilmt wurde. Ebenso klar sind auch die Figuren der Geschichte entwickelt. Jeder erfüllt irgendeinen Zweck und keiner, der Charaktere scheint überflüssig oder nur ein Platzhalter zu sein. Das Erlebnis wird noch intensiver dadurch, dass es keine komponierte Filmmusik gibt und nur Originalton verwendet wird. Der Film ist also auf das absolut Wesentliche reduziert, was den, sagen wir mal, typischen Haneke-Effekt erzielt, dass man in seiner Vorstellung mehr wahr nimmt, als das, was die Augen sehen. Man bekommt schwere Beklemmungen in einer Szene, in der der Pfarrer seine unartigen Kinder bestraft, oder wenn der Bauer seine verunglückte Frau am Totenbett besucht. Durch sorgfältig ausgewählte Perspektiven und Winkel fängt die Kamera alles ein, ohne wirklich was zu zeigen.

Selten hat mich ein Film mehr berührt, als „Das weiße Band“. Trotz der reduzierten, geradezu eiskalten Inszenierung ist die Geschichte von Anfang an sehr spannend und voller tragischer Momente, die einen sehr schwer schlucken lassen. Was auf der psychischen Ebene geschieht, ist natürlich bei jedem anders, weshalb dieser Film einfach jedem empfohlen sei.

Das weiße Band (D, 2009): R.: Michael haneke; D.: Christian Fredel, Leonie Benesch, Josef Bierbichler, u.a.; Offizielle Homepage

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Donnerstag, 29. Oktober 2009

Verblendung

Harry Potter scheint abgelöst zu sein. Zumindest in hiesigen Buchhandlungen. Schon lange gibt es keine Schlangen sehnsüchtig wartender Hobbymagier mehr und schon längst sind die Bestsellerlisten Zauberschülerfrei. Es gibt also Platz für Neues. Wenn man dann eine "Thriller-Trilogie" mit dem Namen Millenium entdeckt, die mit dem reißerischen Prädikat „spannend“ geschmückt ist, deren erster Teil "Verblendung" heißt und gerade verfilmt wurde, und man den Namen des Autors liest - Stieg Larsson - wird man allerdings erstmal skeptisch.

Mikael Blomkvist ist Journalist für das politische Magazin "Millenium". Er hat gerade eine Reportage über einen korrupten Großindustriellen veröffentlicht und wird nun wegen Verleumdung zu Gefängnisstrafe verurteilt. Bis er seine Haftstrafe antreten muss, wird er beurlaubt. Doch er bekommt nicht viel Zeit, sich auszuruhen. Der Milliardär Henryk Vanger engagiert ihn, um einen 40 Jahre alten Fall aufzuklären. Die Nichte Vangers, Harriet, verschwand eines Tages spurlos. Vanger glaubt, sie sei ermordet worden, Mikael ist sich da nicht so sicher und beginnt seine Untersuchungen. Er sieht sich einer komplizierten Familiengeschichte gegenüber, die voller Intrigen steckt. Die Familie Vanger bildet nämlich auch den Vorstand einer der größten Konzerne im Land. Dadurch hat praktisch jeder, der noch lebenden Familienmitglieder ein Motiv. Keiner der befragten Vangers gibt wirklich Auskunft, so dass Mikael nicht besonders gut vorran kommt und kurz davor steht, aufzugeben. Da erhält er plötzlich unerwartete Hilfe. Die Hackerin Lisbeth Salander, die Blomkvist bereits früher beobachtet hat, nimmt Kontakt mit ihm auf und liefert ihm erste brauchbare Spuren, zum Beispiel der Hinweis, dass Harriet tatsächlich ermordet worden ist. Gemeinsam nehmen Mikael und Lisbeth die Untersuchungen wieder auf und kommen einem grausigen Geheimnis Schritt für Schritt auf die Spur.

"Verblendung" ist der erste Teil der Milleniumtrilogie, die nun im Einjahresabstand in die Kinos kommt. Die Vorlage ist das Vorzeigemodell einer erfolgreichen Romanreihe. Der spannende Thriller vom schwedischen Schriftsteller und Journalisten Stieg Larsson fand keine Beachtung und Larsson hatte große Probleme, einen Verlag zu finden. Ungeachtet dessen schrieb er immer weiter, denn der kommerzielle Erfolg seiner Bücher interessierte ihn weniger. Er wollte, dass sie veröffentlicht wurden. Ein ihm bekannter Verleger nahm ihm den Stoff letztendlich ab und mit mäßigem Erfolg startete der Verkauf. Nebenbei publizierte Larsson einige Artikel über die Neo-Rechtsextremistische Szene in Europa und sorgte damit für einige Aufregung und auch unangenehme Aufmerksamkeit. Zu gleichen Teilen erhielt er neue Aufträge wie auch Morddrohungen. Gerade, als seine Bücher bekannter wurden und astronomische Verkaufszahlen einfahren, verstarb Larsson völlig überraschend an einem Herzinfarkt. Während die Bücher unglaublich spannend sind, bietet die Verfilmung jedoch eher durchschnittliche Thrillerkost. Der Fall ist sehr spannend und es macht großen Spaß, zu sehen, wie die beiden Protagonisten einen 40 Jahre alten Fall langsam aber sicher aufklären können. Dennoch fehlt es dem Film ein wenig an Dynamik und er braucht sehr lange, um richtig in Fahrt zu kommen. Hervor zu heben ist auf jeden Fall die Darstellung Michael Nyqvisrs und der Newcommerin Naomi Repace, der die Rolle der toughen und rätselhaften Hackerin Lisbeth wie auf den Leib geschrieben ist.

Insgesamt ist der Film eher wie eine sehr lange spannende, aber nicht ungewöhnliche Tatort-Folge. Das lässt ein wenig an der Berechtigung des Hypes um Stieg Larsson zweifeln, weshalb ich mir für die beiden weiteren Teil lieber die Bücher vornehmen werde und die Filme einfach auslassen werde.

Män Som Hatar Kvinnor (Dänemark, Deutschland, Schweden 2009): R.: Niels Arden Oplev; D.: Naomi Repace, Michael Nyqvist, Sven-Bertl Taube, u.a. M.: Jacob Groth; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus, CineStar

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Mittwoch, 14. Oktober 2009

Love Exposure

Mann und Frau wollen ins Kino. Also konsultiert man gemeinsam das Kinoprogramm. Welcher Film soll es sein? Mann will Explosionen, scharfe Autos, heiße Frauen. Frau will Romantik, einen süßen Hauptdarsteller, Drama und ein Happy End. Hier scheint es also einen Interessenkonflikt zu geben und früher gab es nur eine Möglichkeit, einen handfesten Streit zu vermeiden. Mann und Frau gehen in die Schnulze, da es für ihn sowieso nur eine Alibiveranstaltung ist und sie ohne weiteres bekommen hat, was sie wollte. Nun gibt es eine zweite und viel bessere Option, Unstimmigkeiten aus dem Weg zu gehen. Diese Option ist vom japanischen Regisseur Shion Sono, vereint alles, was Mann und Frau wollen, hat eine Laufzeit von 237 Minuten und trägt den einprägsamen Titel „Love Exposure“

Yu ist 17 Jahre alt. Sein Vater ist Priester geworden, nachdem dessen Frau wegen einer schweren Krankheit verstorben ist. Durch seine Mutter hat Yu ein großes Ziel: Die Frau finden, die seine persönliche Maria wird. Davon wird er allerdings vorerst abgebracht, denn sein Vater scheint sich zu sehr in seine Priesterrolle hinein zu steigern und verlangt von Yu täglich, seine Sünden zu beichten. Yu ist prinzipiell ein herzensguter Mensch und hat ein wenig lasterhaftes Leben vor zu weisen. Aus der Not heraus erfindet er seine Sünden, doch der Vater durchschaut das sofort und zeigt demonstrativ immer mehr Unmut. Um dem abzuhelfen startet Yu mit seinen Freunden zahlreiche Unternehmungen, um echte Sünden zu begehen. Vom offensichtlichen Erfolg angespornt kommt Yu auf die Idee, eine ganz spezielle Sünde zu praktizieren. Innerhalb kürzester Zeit wird er zum besten Höschen-Shooter der Stadt. Mit ausgefeilten Techniken und einer unbestechlichen Philosophie sammeln er und seine Freunde Höschen-Fotos, ohne dass die kollektive Weiblichkeit davon etwas mit bekommt. Über diesen unerschöpflichen Anstieg an schier unverzeihlichen Sünden ist Yu's Vater derart entsetzt, dass er kurzerhand auszieht. Eines Tages geschieht jedoch das Wunder und Yu trifft bei einer Schlägerei auf die schöne Yoko. Unmissverständliche körperliche Zeichen und sein Instinkt verraten ihm, Yoko ist seine Maria. Wie es der Zufall will, ist er allerdings als Frau verkleidet, als er sie trifft. Alles wird nun etwas kompliziert und die mysteriöse Sekte der „Church of Zero“ trägt zu weiteren Verwirrungen bei.

Was für ein Film! Wer sich darauf einlässt, wird mit wahnwitziger Geschwindigkeit in eine Geschichte gezogen, der man einfach nicht entkommen kann, egal, wie lang der Film noch weiter gehen würde. Die vier Stunden vergehen wie im Flug und machen sich höchstens dann bemerkbar, wenn man irgendwie ungünstig gesessen hat, oder die Blase nach ihrem Recht verlangt. Es ist unglaublich, mit welcher Leichtigkeit Regisseur Shion Sono mit den Genres spielt. Übergangslos wird aus einer völlig überzogenen Komödie ein Psychohorror, um dann in ein ausgewachsenes Drama überzugehen, welches sich anschließend in heißer Kung-Fu-Schwertkampfaction entlädt. Und dann wird es plötzlich ein Pornofilm mit Splattereinlagen, in dem das Blut sprudelt, als gäbe es kein Morgen. Dieser ständige Wechsel ist vollkommen überzeugend eingebaut. Man hat nie das Gefühl, es wäre unangebracht, oder gar übertrieben. Es mag an dieser Stelle überraschen, dass der Film in einem erfrischend schlichten Stil gehalten ist. Es gibt keinerlei CGI-Effekte, überzogene oder bombastische Actioneinlagen. Alles ist mit einfacher Digicam gefilmt und dennoch entstehen wunderschöne Bilder, die man nicht mehr vergisst. Außerdem schafft es der Film, trotz seiner ungewöhnlichen Länge und teils absurden Story, die Spannung aufrecht zu erhalten und am Ende einen sinnvollen Kreis zu schließen. So sehr man am Anfang auch von der fast schon rohen Ästhetik beeindruckt ist, stellt man fest, dass ein unglaublicher Aufwand dahinter steckt, all diese wahnwitzigen Elemente zu einer großartig erzählten Geschichte zu verknüpfen.

Ich zitiere nicht gerne die Texte, die in der Werbung für einen Film erscheinen, aber an dieser Stelle trifft es die Tatsache einfach auf den Punkt: „Love Exposure“ ist 237 Minuten Liebeswahn. Wer nicht gerne Filme sieht, bei denen er nicht weiß, was ihn erwartet, sollte es lassen. Filmfreaks, die einfach einen Film sehen wollen, der vollkommen anders ist als alles, was sie kennen, kommen hier nicht daran vorbei. Trotz allem Wahnsinns, weiß man am Ende des Filmes übrigens eins: In Japan ist sowas längst normal.

Ai no mukidashi (Japan, 2008): R.: Shion Sono; D.: Takahiro Nishijima, Hikari Mitsushima, Sakura Ando, ua.; M.: Tomohide Harada; Offizielle Homepage

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Samstag, 10. Oktober 2009

Schande

Vor drei Wochen habe ich hier einen Film besprochen, der durch die Metapher einer Science-Fiction-Story recht eindeutig Kritik an den sozialen Zuständen Südafrikas übte. „District 9“ ging dabei viele interessante Wege, verzettelte sich am Ende aber zu sehr im Motiv der Alieninvasion an sich, so dass die eigentliche Botschaft etwas verloren ging. Dem gleichen Thema, aber auf völlig andere Weise, widmet sich der neue Film von Steve Jacobs, „Schande“

David Lurie ist Literaturprofessor an einer Universität in Kapstadt. Nach mehreren gescheiterten Ehen und einer mehr schlechten, als rechten Karriere hat er sich zu einem weltfremden Misanthropen entwickelt. Eines Tages entdeckt er die junge Studentin Melanie und nutzt seine Position, um sie zu verführen. Die Affäre kommt ans Licht und David wird sowohl vom Kollegium, als auch von der Öffentlichkeit an den Pranger gestellt. David ist allerdings völlig desinteressiert und geradezu lethargisch, so dass er einfach seine Schuld zu gibt und deshalb seine Anstellung verliert. Daraufhin tritt er den Rückzug an und fährt aufs Land, um seine Tochter zu besuchen.
Die lesbische Lucy lebt fernab von der Zivilisation auf einem Stück Land und betreibt dort eine Art Hundepension. Sie baut Blumen an, die sie regelmäßig auf dem Markt verkauft und so ihr Geld verdient. Außerdem teilt sie sich das Land mit dem Schwarzen Petrus und lebt mit ihm in einer Art Wohngemeinschaft. David sieht sich mit seinen stark ausgeprägten Vorurteilen konfrontiert und versucht, mit großem Nachdruck, seine Tochter zu überreden, das unsichere Leben auf dem Land aufzugeben. Lucy will davon nichts wissen. Sie glaubt daran, dass ein harmonisches Zusammenleben aller Menschen in Südafrika möglich ist, trotz der Auswirkungen und Schäden, die die Apartheid hinterlassen hat. Eines Tages werden David und Lucy von drei schwarzen Herumtreibern überfallen und ausgeraubt. David wird schwer verletzt und Lucy vergewaltigt.
Trotz der überwältigenden Scham bleibt Lucy bei ihrem Glauben und will in der Einsamkeit bleiben und nicht einmal zur Polizei gehen.

Der 2000 erschienene Roman „Schande“ von J.M. Coetzee erregte viel Aufsehen, da er ein hartes aber authentisches Bild des heutigen Südafrikas zeichnete und eine unverhohlene Gesellschaftskritik lieferte, die keiner so leicht schlucken wollte. Für diesen Roman ist Coetzee als erster Autor weltweit zweimal mit dem Booker-Prize ausgezeichnet worden. Nun wurde der Roman von Steve Jacobs behutsam und sehr sensibel verfilmt. John Malkovich übernimmt die Rolle des Professor Lurie und wächst weit über sich hinaus. Er füllt diese Figur so intensiv mit Leben, dass der Rest des Films stilistisch in den Hintergrund gerät. Deshalb verzichtet Steve Jacobs auch auf aufwendige oder unangebrachte Spielereien und lässt durch ganz klare und eindeutige Bilder die Atmosphäre des rauen und ungastlichen Hinterlandes Südafrikas wirken. Auch geht Jacobs relativ kompromisslos mit den Gefühlen und dem Gemütszustand seines Publikums um und unterwirft den Film einer ständig wachsenden Anspannung, die sich einfach nicht auflösen will. Die Nerven liegen blank und man fühlt sich einfach deprimiert, ob der harten Realität dieses Szenarios. Das ist der größte Pluspunkt des Films. Er lässt keine Distanz zu, sondern holt den Zuschauer ganz nah heran. Man kann überhaupt nicht auf die Idee, kommen, zu sagen: Es ist in Südafrika und das ist weit weg.

„Schande“ ist harter Tobak und nichts für den gemütlichen Kinoabend nebenbei. Aber um so wichtiger, da es selten gelingt, ein derart realistisches Bild über eine Gesellschaft zu zeichnen, ohne wirklich Partei für die eine, oder die andere Seite zu ergreifen. Nach diesem Film hat man keinen Kloß im Hals, sondern Beton im Bauch

Disgrace (Australien / Südafrika 2008): R.: Steve Jacobs; D.: John Malkovich, Paula Arundell, Jessica Haines, u.a.; M.: Antony Partos; Offizielle Homepage

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Freitag, 2. Oktober 2009

Die Entführung der U-Bahn Pelham 123

Wir leben in einer unsicheren Welt, die durch eine ständige Angst vor dem Terror geprägt ist. Terroristen agieren nämlich in einem Bereich, der uns am meisten weh tut. In unserem Alltag. Sobald man vor die Tür geht, könnte es passieren. Nur, weil man an einem zentralen Gebäude vorbei läuft, oder weil man sich ein Fußballspiel ansieht, oder eben, weil man ein öffentliches Verkehrsmittel nutzt. Klar, dass es sich Hollywood nicht nehmen lässt, mit dieser Angst zu spielen und zahlreiche spannende Filme auf die Leinwand zu zaubern. Aktuell liefern sich Denzel Washington und John Travolta das bekannte stereotype Duell zwischen Gut und Böse in Tony Scotts neuem Film „Die Entführung der U-Bahn Pelham 123“

Hinter diesem unförmigen Monstertitel verbirgt sich eine ganz simple Story. Der Gangster Ryder betritt eines Morgens mit einigen Kumpanen die U-Bahn 123 der Linie 6 in Manhattan und entführt diese kurzerhand. Genau an diesem Tag hat Mr. Garber Dienst in der Fahrdienststelle. Zu ihm stellen die Entführer als erstes Kontakt her und verlangen innerhalb einer Stunde 10 Millionen Dollar Lösegeld. Überraschenderweise scheint die Beschaffung des Lösegeldes keinerlei Probleme zu bereiten. Auch das übliche Gerede, man verhandle nicht mit Terorristen, kommt nicht zum Tragen. Das einzige Problem ist Zeit. Ganz ehrlich: Versucht ihr doch mal innerhalb einer Stunde durch den Berufsverkehr von einem Ende Manhattans zum anderen zu kommen. Garbers Aufgabe ist es nun, Zeit zu schinden und sich auf ein packendes Psychoduell mit dem Anführer der Gangster ein zu lassen.

In den 70er Jahren gab es eine Reihe von Katastrophenfilmen, die allesamt spannend inszeniert zu unterhalten und zu erschrecken wussten. „Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123“ mit Robert Shaw und Walter Matheau bildete da keine Ausnahme. Der Film war für damalige Verhältnisse sehr hart und brutal und zudem noch politisch unkorrekt, was die Darstellung sozialer Randgruppen angeht. Zudem waren sich Held und Bösewicht ähnlicher, als man es erwartet hätte. Dazu noch die total simple Story, in der jeder Baustein passte und es wurde ein perfekter Thriller, der voll und ganz dem Zeitgeist vom kalten Krieg und allgemeiner Unzufriedenheit und der Angst vor dem Terror aus den eigenen Reihen entsprach. Ein durchaus nachvollziehbarer Schritt also, diesen Stoff neu zu verfilmen. Regisseur Tony Scott hat eine Vorliebe für schnelle und authentisch inszenierte Filme, neigt allerdings dazu, zu Gunsten von Action und Spannung, das ein oder andere Zugeständnis beim logischen Aufbau der Story zu machen. Bei der einfachen Geschichte von diesem Film allerdings kein Problem, könnte man denken.
Kommen wir zum Punkt: „Die Entführung der U-Bahn Pelham 123“ ist so packend und spannend, wie sein Titel. John Travolta hat in den letzten Jahren die Hoffnung gesät, er wäre als ernst zu nehmender Schauspieler zurück gekommen, sich allerdings zu oft hinreißen lassen, seltsame Rollen an zu nehmen. Seine Darstellung des Gangsters Ryder ruft fatale Erinnerungen an den Bösewicht aus „Stirb Langsam 2“ wach. Denzel Washington zeigt immerhin so viel Initiative, seine Darstellung zu reduzieren, wie es seine Rolle vor sieht und verbringt die meiste Zeit des Films sitzend am Mikrophon, was der ganzen Sache natürlich jede Menge Dynamik nimmt. Die Dialoge zwischen den beiden Hauptfiguren haben überhaupt keine Substanz und scheinen nur dazu zu dienen, die Zeit bis zum Ablauf des Ultimatums der Gangster zu füllen.
Die packenden Actionsequenzen kränkeln an der technischen Umsetzung. Um die wahnwitzige Geschwindigkeit der U-Bahn darzustellen hat man den Zug in bester MTV-Manier mit wackeliger Knopfkamera gefilmt und das Bild einfach beschleunigt. Ein ganz einfacher Trick, der seine Wirkung verfehlt und genau so billig aussieht, wie sich seine Beschreibung anhört.

„Die Entführung der U-Bahn Pelham 123“ ist der Versuch, das Remake eines spannenden Films zu machen und das Ergebnis liefert einen einfachen und einfallslosen Abklatsch. Das größte Verbrechen dieses Films ist die Langeweile, obwohl es doch eigentlich gefährlich und vor allem schnell sein sollte.

The Taking Of Pelham 123 (USA 2009): R.: Tony Scott; D.: John Travolta, Denzel Washington, James Gandolfini, u.a.; M.: Harry Gregson-Williams; Offizielle Homepage

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Donnerstag, 24. September 2009

Whisky mit Wodka

„Man wacht nicht eines Tages auf und stellt fest, dass man älter wird. Man stellt fest, dass man schon alt ist“ So sinniert Andreas Dresen durch den Mund seiner Hauptfigur, die müde vom Leben und vom Alkohol am Strand sitzt und verträumt auf das Meer hinaus starrt. Obwohl Dresen erst 46 Jahre alt ist beschäftigt er sich in seinem neuen Film „Whisky mit Wodka“ einmal mehr mit der Thematik des Älterwerdens und dem Altsein.

Otto Kullberg ist Schauspieler. Sein ganzes Leben lang hat er Filme gedreht und ist zu einem echten Original avanciert. Im Laufe der Jahre hat er sich einen festen Ruf erarbeitet und je älter er wird, desto beliebter ist er. Gerade ist er wieder dabei, einen Film zu drehen. Er spielt einen alt gewordenen Casanova, der zahlreiche Affären mit Müttern und deren Töchtern unterhält. Eine Paraderolle also für Otto. Doch neben zahlreichen Star-Allüren hat er sich auch ein ausgewachsenes Alkoholproblem angeeignet und es kommt, wie es kommen muss. Otto bricht während der Dreharbeiten volltrunken zusammen. Regisseur und Produzent werden nervös und der Studiochef trifft eine ungewöhnliche Entscheidung. Es wird ein anderer Schauspieler engagiert, Nun sollen alle Szenen doppelt gedreht werden. Einmal mit Otto und dann noch einmal mit dem wesentlich jüngeren Ersatzschauspieler. Zum einen will man damit die Produktion retten, falls Otto noch einmal zusammenbricht, zum anderen soll der Star motiviert werden, sein bestes zu geben, damit er nicht aus dem Film geschnitten wird. Und so kommt es auch. Es beginnt eine Art Duell und Otto wächst über sich hinaus und verschwendet keine Gelegenheit, dem jüngeren Darsteller in die Scharade zu fahren.

„Whisky mit Wodka“ erzählt eine schöne Geschichte, die durch zwei sehr unterschiedliche, aber charismatische Figuren getragen wird, die im Grunde nur eine ältere und eine jüngere Version der gleichen Figur darstellen. Das Thema des Älterwerdens ist allgegenwärtig. Otto wird immer wieder mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Ob es nun heißt, früher sei er viel besser gewesen, oder ob er mit seiner Schauspielerkollegin alte Plätze aufsucht, die sie früher, als sie noch zusammen waren immer besucht haben. Und natürlich kommt Otto durch die Begegnung mit seiner quasijüngeren Version sehr ins Grübeln. Auch wenn die Figuren durch ihre fantastischen Darsteller (Henry Hübchen und Corinna Harfouch) sehr authentisch entwickelt werden, geht die eigentliche Botschaft des Films leider ein bisschen unter. Das ist der Umgebung und der Rahmenhandlung geschuldet. Es geht um das Drehen eines Filmes und somit werden dem Zuschauer stets detaillierte Blicke hinter die Kulissen gewährt. Das nimmt allerdings ein bisschen überhand und man ist ständig von der eigentlichen Handlung abgelenkt. Die Pappkulissen und Scheinwerfer sind praktisch allgegenwärtig und zerstören zu oft die Stimmung. Es ist mal wieder Zeit für den geflügelten Satz, dass an dieser Stelle weniger mehr gewesen wäre. Auch wenn es diesmal nicht um übermäßig eingesetzte CGI-Effekte geht, ist es doch wieder die äußere Form der mehr Zeit und Aufwand gewidmet wurde, als der eigentlichen Geschichte. Etwas, dass man bei Dresen nach „Wolke 9“ nicht unbedingt erwartet hätte.

„Whisky mit Wodka“ ist aber weitaus mehr als nur ein weiterer Film mit „W“. Er erzählt eine schöne Geschichte, zeigt einen glänzenden Henry Hübchen, bei dem es immer Spaß macht, ihm zu zu sehen und hat sich eben nur ein wenig bei der Verteilung von äußerer und innerer Präsentation verkalkuliert.

Whisky mit Wodka (D 2009): R.: Andreas Dresen; D.: Henry Hübchen, Corinna Harfouch, Sylvester Groth, Markus Hering; Offizielle Homepage

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Donnerstag, 17. September 2009

District 9

Es ist doch eigentlich ein alter Hut. Ein schöner, sonniger Tag; niemand denkt etwas böses. Plötzlich schiebt sich ein riesiges Objekt vor die Sonne und ein bedrohlicher Schatten wandert über die Stadt. Außerirdische Wesen sind angekommen und sie wollen die Erde zerstören und die Menschheit versklaven. Ganz klar. Doch wir werden uns nicht ergeben, sondern wir werden kämpfen und den außerirdischen Aggressor vor die Tür setzen. Oder auch nicht? Dass es manchmal doch anders kommen kann, als man immer denkt, und der Spieß auch sehr schnell umgedreht werden kann, kann man jetzt wieder mal feststellen, wenn man sich den neuen Film von Neill Blomkamp, „District 9“, ansieht.

Das Unfassbare ereignet sich in Südafrika und zwar genau über Johannesburg. Ein riesiges Raumschiff bleibt über der Stadt schweben und rührt sich nicht mehr. Nach kurzer Zeit schickt die Regierung bewaffnete Einsatztrupps nach oben. Im Inneren des Schiffes finden sich ungefähr 2 Millionen Aliens, die alle sehr geschwächt und krank sind. Aus unbekannten Gründen sind sie auf der Erde gestrandet und sind außer Stande, wieder weg zu fliegen. Es wird schnell reagiert und ein Flüchtlingslager für die Fremden direkt unter dem Schiff eingerichtet. Werden die Außerirdischen zunächst noch freundlich aufgenommen und schnelle Hilfe geleistet, spitzt sich die Lage im und um das Lager zu. Es kommt zu Übergriffen und zahlreichen Verbrechen, an denen Aliens beteiligt sind. Außerdem wird das Lager zu einem riesigen Slum, in dem sich auch das organisierte Verbrechen nieder lässt. Die Regierung beauftragt nun den Konzern MNU mit der Räumung von District 9 und der anschließenden Umsiedlung der Aliens in ein Lager weit vor der Stadt. Gesagt getan. Ein bewaffnetes Räumkommando dringt in das Lager ein und geht recht brachial gegen die Fremden vor. Viele der Außerirdischen verstehen nicht, warum sie plötzlich dort weg sollen. Hinzu kommt, dass MNU der weltgrößte Waffenhersteller ist. Die Motive sind also höchst fragwürdig und die brutale Durchführung der Räumung löst allgemeinen Unmut bei der Erdbevölkerung aus.

Neill Blomkamp hatte große Schwierigkeiten, ein Studio für die Produktion zu finden. Also fragte er Peter Jackson um Rat. Der nahm einige Änderungen am Drehbuch vor, so dass die Story in der Kontinuität des Computerspiels „Halo“ angesiedelt werden konnte. Prompt meldete sich Sony als Produzent an und hinter dem Projekt stand plötzlich eine riesige Fangemeinde. Um so überraschender, dass letztendlich trotzdem ein guter Film daraus geworden ist. Blompkamp hat ein ungewöhnliches talent, mit Bildern zu arbeiten und Specialeffects in eben diese Bilder ein zu bauen. Die Kamera steht nie still und es ist immer ein bisschen körnig. Alles sieht aus, wie in den Nachrichten, nur dass eben insektoide Außerirdische durch das Bild huschen. Man gewöhnt sich so schnell an diesen autehntischen Stil, dass man sich oft daran erinnern muss, dass man gerade einen Science-Fiction-Film genießt. Die schlichte, aber doch sehr spannende Geschichte tut natürlich ein übriges. Hoch interessant ist natürlich der Fakt, dass diesmal die Menschen die Bösen sind. Eigentlich ist der Film eine große Metapher auf die Diskriminierung aller Minderheiten. Und die Dinge, die im Film den Außerirdischen angetan werden, werden täglich und weltweit Menschen angetan und zwar von anderen Menschen. Und das ist vielleicht der einzige Kritikpunkt am Konzept des Films. Man kann sich als Zuschauer recht bequem hinter dem Sci-Fi-Motiv verstecken und die sozialkritische Aussage hinter dem Film kann zu leicht weg gewischt werden.

„District 9“ ist aber auf jeden Fall empfehlenswert. Schon allein durch seinen ungewöhnlichen visuellen Stil und der noch ungewöhnlicheren Story. Ein kleines Projekt, dass groß geworden ist, unterhaltsam ist und zu dem noch zum Nachdenken und Diskutieren anregt. Welcher Film kann das schon von sich behaupten?

District 9 (USA 2009): R.: Neill Blomkamp; D.: Sharito Copley, Jason Cope, Nathalie Boltt, u.a.; M.: Clinton Shorter; Offizielle Homepage

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Sonntag, 6. September 2009

Zerrissene Umarmungen

Sie ist eine der schönsten Frauen der Welt. Unzählige Zeitschriften haben ihr diesen Titel bereits verliehen. Sie ist auf der ganzen Welt bekannt und zählt zur absoluten Schauspielerelite. Trotzdem liest man selten etwas in den Klatschspalten über sie. Sie führt nicht das überschwängliche Leben eines Hollywoodstars, sondern macht stets nur durch ihre Leistung als Schauspielerin von sich reden. Es geht um Penelope Cruz, die in Madrid geboren ist und das perfekte Bild, der typischen, heißblütigen, wunderschönen, aber geheimnisvollen Spanierin prägt. Und in den letzten Jahren häufen sich Filme, in denen man einfach merkt, dass sie stets unterschätzt wurde. Zuletzt durfte man sie in „Elegy“ an der Seite von Ben Kingsley bewundern und einige Jahre zuvor traf sie auf den spanischen Regisseur Pedro Almodovar, in dessen neuesten Film „Zerrissene Umarmungen“ sie man seit Donnerstag im Lichthauskino in Weimar sehen kann.

Mateo ist Regisseur und hat schon mehrere hochgelobte Dramen verfilmt. Nun ist es ihm gelungen, eine Komödie zu schreiben und macht sich an die Vorbereitungen zum Dreh. Beim Casting lernt er Lena kennen. Für ihn sind sofort zwei Dinge klar: Sie ist die perfekte Besetzung für seine Hauptrolle und er verliebt sich sofort in sie. Eine heikle Angelegenheit, denn sie ist mit dem Großindustriellen Ernesto Martel zusammen. Dieser beschließt, den Film zu produzieren, um mehr Kontrolle über seine Geliebte zu haben. Das Verhängnis nimmt also unaufhaltsam seinen Lauf. 14 Jahre später arbeitet Mateo an einem neuen Projekt. Plötzlich taucht der Sohn von Ernesto auf und schlägt ihm vor, einen Film über seinen alten Vater zu machen. Mateo, der bis dahin unter neuer Identität gelebt hat, wird von seiner Vergangenheit eingeholt und Geheimnisse, die all die Jahre schlummerten, werden endlich aufgelöst.

Man tut sich ein wenig schwer, die recht simple Story zusammenzufassen, ohne zu viel zu verraten. „Zerrissene Umarmungen“ bietet nämlich das klassische Drama, bei dem von vornherein klar ist, was geschieht und trotzdem hofft man die ganze Zeit, es möge nicht passieren. Jede Figur ist perfekt ausgearbeitet und in die gut konstruierte Geschichte eingebaut. Ist man zu Anfangs noch etwas irritiert durch diverse Zeitsprünge, hat man sich schnell an den Erzählstil gewöhnt und kann sich ihm bis zum Ende nicht mehr entziehen. In der Geschichte geht es die ganze Zeit um das Drehen von Filmen. Das wirkt sich auch auf den visuellen Stil von „Zerrissene Umarmungen“ aus. Almodovar reiht nämlich zahlreiche Zitate an große Klassiker aus vergangenen Tagen an einander. Man fühlt sich immer erinnert an Filme von Hitchcock, oder Robert Wise. Almodovar tut das allerdings auf sehr geschickte Weise, dass man nie wirklich sagen kann, aus welchem Film man diese Szenen kennen könnte. Also, auch ohne sich direkt an das Vorbild erinnern zu müssen, erkennt man die liebevollen Zitate. Und natürlich ist Penelope Cruz wieder wunderbar und man kann sich einfach nicht an ihr satt sehen. Almodovar hat nach den Dreharbeiten zu „Volver“ gesagt, sie sei die Schauspielerin, die er immer gesucht habe und würde nur noch mit ihr Filme machen wollen. Und er setzt sie liebevoll und gekonnt in Szene, lässt mit ihr Bilder entstehen, die man nicht mehr vergisst.

„Zerrissene Umarmungen“ ist das perfekte Drama, in wunderbaren Bildern und vollendeter Langsamkeit inszeniert und man kann seine Freude kaum verbergen, darüber, dass heutzutage noch solche Filme gemacht werden können und auch noch so schön funktionieren.

Los abrazos rotos (ESP 2009): R.: Pedro Almodovar; D.: Penelope Cruz, Lluis Homar, Bianca Portillo, u.a.; Offizielle Homepage

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Mittwoch, 26. August 2009

Inglourious Basterds

Er gilt als einer der kontroversesten und meistdiskutierten Filmemacher der letzten Jahre. Seine Filme haben einen einzigartigen Stil, der jedes mal aufs neue überrascht und das Publikum stets tief spalten. Dabei sieht er sich selber eher als Künstler und als solcher ist der Film und die Geschichte, die er erzählt, für ihn immer wichtiger, als der kommerzielle Erfolg. Ein Phänomen, welches in der Filmwelt immer seltener wird. Die Rede ist von Quentin Tarantino, dessen neuester Film „Inglourious Basterds“ letzte Woche in den deutschen Kinos angelaufen ist.

Im von den Nazis besetzten Frankreich landet eine kleine Gruppe amerikanischer Soldaten. Sie haben nur ein Ziel, nämlich so viele Nazis wie möglich töten, bevor die eigentliche Landung der amerikanischen Truppen beginnt. Sie tun das nicht aus einem besonderen taktischen Grund, sondern weil sie sich in aller Form rächen wollen. Dabei gehen sie hart und schnell vor und sorgen dafür, dass sich allerlei Legenden und Geschichten um die Basterds ranken. Hitler wird zunehmend nervöser, weshalb er den besten Kommandanten, Hans Landa, damit beauftragt, die Gruppe aufzuspüren und sie zu exekutieren. Hans Landa hat an diesem Auftrag vor allem ein Interesse. Er liebt die Jagd und die Herausforderung und geht dabei nicht weniger skrupellos als die Basterds selbst vor. Unterdessen plant Goebbels eine Porpagandaveranstaltung in Paris. In einem kleinen Kino soll das neueste Machwerk des deutschen Filmes Premiere feiern. Eingeladen ist die Elite des Hitler-Regimes und bietet dadurch das perfekte Ziel für die Amerikaner, oder aber den perfekten Köder für Landa.

Quentin Tarantino hat viele Jahre immer wieder erzählt, er wolle einen Kriegsfilm machen. Auch wenn man ihn diesbezüglich nie richtig ernst genommen hat, und er sich immer von anderen Projekten hat „ablenken“ lassen, hat man sich doch immer gefragt, wie soll ein Kriegsfilm von ihm werden? Wird er trashig, wie die Grindhousefilme? Wird er cool wie Pulp Fiction? Man konnte sich einfach nichts konkretes vorstellen. Nun hat er es endlich geschafft und besagter Kriegsfilm ist schlicht genial. Es wird mit einer solchen Feinfühligkeit und Perfektion eine, oberflächlich gesehen, alberne und unrealistische Geschichte konstruiert, die aber so gut durchdacht ist, dass man sich hinterher fragt, warum ist es nicht in Wirklichkeit so passiert. Tarantinos große Stärke waren stets Dialoge. Es ist unglaublich, wie spannend diese immer wiederkehrenden Gesprächsszenen sind. Da wirkt natürlich zum einen der Text selbst, aber auch die Art und Weise, wie eine bestimmte Figur etwas sagt, ist immer überzeugend und nachvollziehbar. Das zeigt, dass Tarantino einfach ein sehr begabter Regisseur ist, unabhängig davon, was für eine Geschichte er erzählt.
Ein Wort zu den Schauspielern: Brad Pitt wird stets als Hauptrolle genannt, was zur Folge hat, dass man, wenn man die Trailer zum Film sieht, einen falschen Eindruck bekommt. Ja, er ist einer der Hauptfiguren und er ist, wie Brad Pitt nun mal ist, aber er ist nur ein Teil einer ganzen Konstellation an Hauptfiguren. Pitts Rolle würde nicht funktionieren, ohne die von Christoph Waltz. Dieser spielt das Böse in Person, aber ganz kalt und reduziert. Er ist nicht der Bösewicht mit flammenden Hassreden, der brutale Exempel statuiert, nur damit jeder weiß, wie böse er ist. Das hat er gar nicht nötig. Alles, was er tut, folgt einem bestimmten Plan und es bereitet ihm schiere Freude, wenn er alles beobachten kann und merkt, dass er stets einen Schritt voraus ist. Mit vollendeter Höflichkeit, unglaublich gebildet und sprachgewand begegnet er seinen Gegnern und Opfern. Ich habe schon sehr lange keine so überzeugende Darbietung von einem Schauspieler erlebt, wie die von Christoph Waltz. Auch die anderen deutschen Schauspieler wachsen über sich hinaus und man kann sie sehen, wie man sie noch nie gesehen hat.

Das und das schon erwähnte handwerkliche Geschick Tarantinos macht „Inglourious Basterds“ für mich zu einem der besten Filme in diesem Jahr, ganz sicher aber zum Besten von Tarantino selbst. Grenzenlose Begeisterung.

Inglouroius Basterds (USA/D 2009): R.: Quentin Tarantino; D.: Brad Pitt, Christoph Waltz, Til Schweiger, Melanie Laurent, u.a.; Offizielle Homepage

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Mittwoch, 19. August 2009

Maria, ihm schmeckt's nicht

Wir leben in einer modernen Welt. Toleranz wird groß geschrieben und die räumlichen Grenzen zwischen den Völkern verschmelzen immer mehr. Deutschland ist längst nicht mehr die Heimat nur eines Volkes und es haben sich viele völlig unterschiedliche ethnische Gruppen hier niedergelassen, die sich hier genau so zu Hause fühlen, wie wir. Ganz logisch und völlig normal ist es also auch, dass sich zwei Angehörige verschiedener Kulturen verlieben und sich entschließen, zu heiraten. Welche Schwierigkeiten dennoch auftreten und wie weit die Toleranz beider Seiten wirklich geht, erzählt der neue Film von Neele Vollmar „Maria, ihm schmeckt's nicht“, der nun in den deutschen Kinos angelaufen ist.

Jan ist Mitarbeiter in einem Verlag, Mitte 30, und er bezeichnet sich selbst als „typisch deutsch“ Er hat sich in die schöne Halbitalienerin Sara verliebt und sie beschließen, zu heiraten. Sara nimmt ihn mit zu ihren Eltern, die in Krefeld leben. Dort stellt sich heraus, Saras Vater Antonio ist genau das, was man als typisch italienisch bezeichnen kann. Er betrachtet den künftigen Bräutigam überaus missbilligend und skeptisch. Als dann ein Treffen zwischen Saras und Jans Eltern statt findet, steht für Antonio fest, dass die Hochzeit nur in seinem Heimatdorf Campobello in Italien statt finden kann. Da niemand den alten etwas kauzigen, aber jähzornigen Vater vor den Kopf stoßen will, willigt man ein und die Fahrt nach Campobello beginnt. Dort angekommen, wird Jan selbstverständlich vom gesamten Dorf begrüßt und beäugt. Rasch ist geklärt, wer wer ist und Jan wird sehr herzlich zum Essen ins Haus der Familie eingeladen. Aber auch hier kommt es immer wieder zu Missverständnissen und peinlichen Momenten. Dazu kommen in den folgenden Tagen immer mehr Komplikationen und Jan merkt bald, dass es nicht immer leicht sein wird, wenn er in diese Familie ein heiratet.

„Maria, ihm schmeckt's nicht“ ist die Verfilmung des Debutromans von Jan Weller. Das Buch hat scheinbar autobiographische Züge und ist obendrein nicht besonders erfolgreich gewesen, was man im Grunde über jedes Buch sagen kann, welches nicht weit genug oben auf der Bestsellerliste erscheint. Selbstverständlich sagt diese Liste nie etwas über die Qualität eines Buches aus und wird in der Regel sogar benutzt, um das Image eines Buches oder eben eines Filmes auf dessen Grundlage auf zu polieren. Jan Weller hat also immense Schwierigkeiten gehabt, eine Produktionsfirma zu finden, die nicht als ersten Schritt sämtliche Exemplare des Buches kaufen wollte, um den Titel auf die Bestsellerliste zu katapultieren. Aus diesem Grund hat es also sehr lange gedauert, bis der Film fertig wurde und ist zudem keine seelenlose Abkupferung des Buches, sondern eine mit viel Sensibilität und Sorgfalt produzierte Adaption eines Buches, das diesen Aufwand vielleicht gar nicht wert gewesen wäre. Warum drückt sich der Rzensist so kompliziert aus, könnte man fragen. Ich scheue mich fast, es zu sagen, aber diesmal ist der Film nun mal einfach besser, als das Buch. Der Film ist so perfekt produziert, dass man sehr schnell die Schwächen der Story und der Figuren bemerkt. Wir haben eine lupenreine Kameraführung und ein tolles Bild, dass die staubige Landschaft um Campobello authentisch zeigt. Die Musik von Niki Reiser ist wunderschön, pompös und melancholisch, als sei sie direkt aus Nino Rotas Kopf gesprungen. Die Schauspieler füllen ihre Rollen sehr überzeugend mit Leben und alles ist so locker inszeniert, als hätte das Leben selbst das Drehbuch geschrieben. Es ist kaum zu glauben, aber wenn jetzt auch noch die Story nicht unter einer gewissen anhaltenden Monotonie schwächeln würde, hätte ich diesmal nichts zu meckern gehabt.

„Maria, ihm schmeckt's nicht“ ist eine sorgfältig und mit viel Liebe zum Detail produzierte Komödie, deren Vorlage eben ausnahmsweise mal von der Adaption übertroffen wird. Wer rechnet denn aber auch mit sowas?

Maria, ihm schmect's nicht (D/I 2009): R.: Neele Vollmar; D.: Christian Ulmen, Mina Tander, Lino Bandi, u.a.; M.: Niki Reiser; Offizielle Homepage

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Donnerstag, 13. August 2009

Michael Mann - Public Enemies

Es scheint gerade in Mode zu sein, sich filmisch mit den Lebensgeschichten bekannter Verbrecher auseinander zu setzen. Letztes Jahr gab es die Verfilmung vom „Baader-Meinhof Komplex“, dieses Jahr kam aus Frankreich ein Epos über den Verbrecher Jacques Mesrine und jetzt läuft sozusagen sein amerikanisches Pendant über die Leinwände: John Dillinger. „Miami Vice“-Regisseur Michael Mann nahm sich die historische Figur vor und brachte ihre Geschichte hochkarätig besetzt in die Kinos.

John ist ein echter Outlaw. Er zieht raubend und plündernd durch das ganze Land. In typischer Gangstermanier stürmt er die Geldhäuser, erleichtert ihre Safes und rast dann in schnittgen, schwarzen Autos davon. Nicht, ohne immer einen lockeren Spruch auf den Lippen, oder eine ebenso lockere Kugel im Lauf zu haben. Er ist allerdings sehr beliebt bei der Bevölkerung, denn er stiehlt nur das Geld der Bank und nie das, was ihre verängstigten Kunden bei sich haben. Die Sympathie hilft ihm natürlich immer, sich zu verstecken und nicht ausgeliefert oder verraten zu werden. Eines Tages lernt er die schöne, aber arme Billie kennen. Er verliebt sich sofort in sie. Mit ihr schmiedet er schöne Zukunftspläne und nimmt sich vor, nach einem besonders lukrativen Job, mit ihr nach Rio aus zu wandern.
Doch die Probleme lassen nicht lange auf sich warten. Viele Mafiosi, bei denen Dillinger bisher immer untertauchen konnte, verweigern ihre Unterstützung und J. Edgar Hoover kämpft um den Ausbau einer landesweiten Polizeibehörde. Aus diesem Grund beauftragt er seinen besten Agenten, Pelvin, mit dem Auftrag, Dillinger zu verhaften. Pelvin ist natürlich nicht weniger skrupellos, als es Dillinger ist, nur dass er eben auf der anderen Seite steht. Ein erbitterter Kampf beginnt und bald scheint klar zu sein, welcher der beiden Kontrahenten das Nachsehen hat.

Michael Mann ist ein Regisseur, der sich stets der Glaubhaftigkeit und Authentizität seiner zu meist männlichen Hauptfiguren verschrieben hat. Mit viel Sorgfalt kreierte er die Protagonisten und auch wenn sie meist ganz grobe Haupteigenschaften besaßen – sei es nun Zorn oder Besonnenheit – legte er viel Wert auf die kleinen versteckten, sentimentalen Flecken, die jeden seiner Helden überaus menschlich werden ließen. Von dieser Feinfühligkeit und Sensibilität ist in „Public Enemies“ leider gar nichts zu sehen. Dillinger ist grobschlächtig, ja, aber mehr auch nicht. Er ballert durch die Gegend, hört nie auf zu grinsen, verkauft aber den skrupellosen Bösewicht auch nicht überzeugend, da ganz oft der Johnny Depp aus ihm raus kommt. Alles wirkt ein bisschen aufgesetzt und auch seinen Antrieb, sich entgegen aller guten Ratschläge seiner Freunde, nicht davon abbringen zu lassen, die riskantesten Coups durch zu ziehen, bleibt weitgehend unbeleuchtet. John Dillinger mag eine tragische Figur gewesen sein, aber nicht in diesem Film. Ein weiteres Manko des Films ist die Kamera. Michael Mann hat schon immer eine Vorliebe für schnelle Fahrten und hektische Schnitte gehabt, hatte dies aber immer unglaublich präzise und klar dargestellt. Hier nun hat er sich eine einfache digitale Handkamera geschnappt und hält wacklig drauf. Durch das messerscharfe Digitalbild sieht alles sehr steril und unglaubwürdig aus. So, als würde das ganze auf einer Bühne im Theater statt finden und einer auf der Bühne filmt das ganze mit seinem Handy.

Das und die teilweise dünne Handlungsdichte machen „Public Enemies“ zu einer großen Pusteblume und der kleinste Hauch enthüllt einen rohen im Grunde oberflächlichen Film, der einfallslos inszeniert wurde. Schade, denn die Kombination Johnny Depp, Christian Bale klang sehr vielversprechend.

Public Enemies (USA 2009): R.: Michael Mann; D.: Johnny Depp, Christian Bale, Marion Cotillard, u.a.; M.: Elliot Goldenthal; Offizielle Homepage

In Weimar: CineStar

Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar

Donnerstag, 6. August 2009

Review - Vicky Christina Barcelona

Es gibt Filme, die immer wieder auftauchen. Keiner weiß warum, oder was so besonders an ihnen ist, aber sie haben eine gewisse Magie, der man sich nicht entziehen kann. Ein klassisches Beispiel dafür ist der letzte Film von Woody Alan "Vicky Christina Barcelona". Der Film kam im letzten Jahr heraus und läuft nun bald wieder in Weimar im Kino. Grund genug, für mich, den Film nochmal unter die Lupe zu nehmen.

Vicky und ihre Freundin Christina sind Amerikanerinnen und besuchen Barcelona. Wenn wir also so schnell geklärt haben, wie der Titel zustande kommt, werfen wir einen genaueren Blick auf die Handlung. Vicky wird bald heiraten und die Reise ist sozusagen ihre Junggesellinnenfahrt. In Barcelona angekommen, genießen sie zahlreiche kulturelle Sehenswürdigkeiten und lernen außerdem die spanische Küche zu schätzen. Bei einem dieser Restaurantbesuche lernen sie Juan Antonio kennen, der ihnen ohne Umschweife ein amouröses Angebot macht. Während Vicky natürlich sehr skeptisch ist, geht Christina sofort auf das Angebot ein. Sie reisen zu einer kleinen Insel, auf der sie Juan fürstlich bewirtet und ausführt. Christina kann dem charmanten Spanier nicht lange widerstehen und es kommt zum Unvermeidlichen. Vicky hält brav Abstand, doch dann wird Christina plötzlich krank und Juan widmet seine volle Aufmerksamkeit nun Vicky. Die Komplikationen werden noch verschärft, als Juans Ex-Frau wieder auftaucht und die klassische Dreiecksbeziehung ordentlich aufmischt.

Woody Alan ist ein Altmeister des ironischen tragikomischen Films. Er liebt schlagfertige Dialoge und lässt seine Figuren auch dergleichen durchlaufen. In total verspielter Lockerheit werden unglaublich komplizierte Personenkonstellationen aufgedröselt und im besten Fall noch komplizierter. Ein Rezept, dass sich jahrelang bewährt hat. Kein Grund also für Alan, es in seinem neuen Film anders zu machen. In locker-leichter Art mit leicht enervierender Musik werden sämtliche Berg- und Talfahrten genommen. Technisch ist der Film solide inszeniert, jedoch mit durchschnittlicher Bilderkost durchsetzt, bei der man sagt, man hätte die historischen Gebäude Barcelonas wesentlich schöner einfangen können. Schauspielerische Glanzleistungen könnte man bei Penelope Cruz und Javier Bardem suchen. Dieser Mann ist unglaublich wandlungsfähig, hat er doch vorher den gemeinsten Bösewicht aller Zeiten in "No Country For Old Men" gespielt und mimt nun den charmanten Casanova, der immer ein lockeres Augenzwinkern in den Raum wirft.

"Vicky Christina Barcelona" ist ein kleiner Film, der trotz seiner schlichten Darstellung der große Abräumer auf den Festivals letztes Jahr war. Eben eine schwer zu greifende Magie, der sich keiner so richtig entziehen kann.

Vicky Christina Barcelona (USA/Esp 2008): R.: Woody Alan; D.: Javier Bardem, Rebecca Hall, Penelope Cruz, Scarlett Johansson; Offizielle Homepage

In Weimar: Kommunales Kino mon ami

Rezension On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar

Freitag, 31. Juli 2009

Harry Potter und der Halbblutprinz

Eine Geschichte, die direkt aus dem Märchenbuch stammen könnte. Eine mittellose Londoner Schriftstellerin geht jeden Tag in das selbe Café. Hier klammert sie sich stundenlang an einer Tasse fest. Mehr kann sie sich einfach nicht leisten. Irgendwann beginnt sie, sich die Zeit zu vertreiben und kritzelt die ersten Sätze einer neuen Geschichte auf eine Serviette. Sie handelt vom kleinen Jungen Harry, dessen Eltern Zauberer waren. Er ist nun alt genug, um die Zauberschule Hogwarts zu besuchen. Hier erlebt er mit seinen Freunden Ron und Hermine zahlreiche Abenteuer und begegnet immer wieder dem finsteren Bösewicht Voldemort. Diese Serviettengeschichte macht die arbeitslose Autorin plötzlich berühmt und Harry Potter wird zum Dauerschlager in kindlichen und elterlichen Bücherregalen. Aus der Serviette sind nunmehr 7 Bücher geworden und seit einigen Wochen läuft der sechste Kinofilm in den Deutschen Lichtspielhäusern. Während die Bücher immer spannender wurden, hatten die Verfilmungen zuweilen Schwierigkeiten, die enormen Erwartungen zu erfüllen.

Wir erinnern uns: Der Dunkle Lord Voldemort galt als besiegt, doch nun ist er wieder auferstanden und scharrt seine Anhänger um sich. Sein Erzfeind Harry Potter erlebt unterdessen einen Tiefschlag nach dem andern, denn nachdem seine beiden Eltern ermordet worden sind, ist nun auch noch sein Mentor Sirius Black getötet worden. Seit der dunkle Lord wieder da ist, lebt es sich für alle guten Zauberer sehr gefährlich. Sogar in Hogwarts fühlt sich niemand mehr richtig sicher. Dennoch versucht man, einen normalen Schulalltag zu meistern. Unterricht, Quidditch spielen und...ach ja...Mädchen. Mittlerweile sind Harry und Ron keine kleinen Jungs mehr, ebenso wenig, wie Hermine und Ginny keine kleinen Mädchen mehr sind. Es stehen also schier unlösbare und dramatische Probleme ins Haus und angesichts dieser Probleme, würde sogar Harry Potter lieber noch einmal gegen den Hornschwanz kämpfen. Hinzu kommt, dass Dumbledore immer wieder heikle Aufträge für Harry hat. So soll er zum Beispiel den neuen Lehrer für Zaubertränke aushorchen, um mehr über Tom Riddle zu erfahren. Außerdem häufen sich die Mordanschläge auf Dumbledore. Irgendwer im Schloss führt also was böses im Schilde.

Es ist zum regelmäßigen Einerlei geworden. Harry Potter ist fester Bestandteil des Kinoprogramms und ein oft gesehener Gast auf den Hitlisten an der Kasse. Der sechste Teil erfindet das Rad natürlich nicht neu und baut auf den bewährten Supereffekten und der Mischung aus düsterer Fantasy Story und alltäglichen Augenzwinkereien der Zauberschüler. Im Vergleich zu seinen Vorgängern ist dieser Film wesentlich düsterer und das ist wörtlich zu nehmen. Alles ist, wie in einen Schleier gehüllt. Es fehlt allem und jeden an Farbe. Kühle Blautöne dominieren die Geschichte. Überhaupt gibt es wenig erfreuliches, oder gar übermütiges. Das alles schlägt teilweise so aufs Gemüt, dass die kleinen Auflockerungen stets eine große Welle der Erleichterung bringen, die aber nicht lange anhält, denn wir wissen ja bereits, dass es kein all zu gutes Ende nimmt. Hier kommt der größte Kritikpunkt zum tragen und den kann man nicht mal dem Film selbst vorwerfen. Durch die allgemeine Hysterie, die stets um den Zauberer Harry Potter entsteht, wenn ein neues Abenteuer erscheint, ist es beinahe unmöglich, nicht zu wissen, wie das überaus dramatische Ende der Geschichte ausfällt. Das nimmt dem Film leider einen Großteil seiner Spannung und Wirkung. Hinzu kommt, dass der namensgebende Fakt, der Halbblutprinz nämlich, überhaupt nicht thematisiert wird, geschweige denn genauer erläutert wird. Diejenigen, die das Buch gelesen haben, mögen ja vielleicht wissen, was das nun eigentlich ist, aber alle anderen bleiben im Dunkeln, beziehungsweise im Düsteren.

Ich hätte „Harry Potter und der Halbblutprinz“ genießen können, hätte ich nicht vorher schon die wichtigsten Details gekannt. Falls es wirklich noch Menschen gibt, die total unbedarft sind, möchte ich denen nicht diesen Genuss zerstören und erzähle das spannende Ende erst, wenn das Mikro aus ist.*

Harry Potter and the Half-Blood Prince (GB/USA 2009): R.:David Yates; D.: Daniel Radcliffe, Michael Gambon, Emma Watson, ua.; M.: Nicholas Hopper; Offizielle Homepage

In Weimar: CineStar

On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar.

*So sagt man das im Radio.

Samstag, 25. Juli 2009

Brüno

Wenn man sich über die Gesellschaft und die eigene Kultur aufregen will, muss man immer ein bisschen aufpassen, damit man sich als Angehöriger eben dieser Gesellschaft nicht selbst ins Knie schießt. Als Filmemacher hat man da mehrere Möglichkeiten, die Zustände der Gesellschaft an zu prangern. Man könnte sich ganz sachlich und ernsthaft damit auseinander setzen. Pros und Kontras auflisten und das ganze möglichst wertungsfrei, damit sich der Zuschauer ganz unbefangen seine eigene Meinung machen kann. Soweit die Theorie, aber der Spaß bleibt dabei doch auf der Strecke. Deshalb machen sich viele der so genannten provokanten Filmemacher einfach lustig über alles, was ihnen einfällt. Sacha Baron Cohen zum Beispiel ist ein Künstler, der sich ein besonderes Konzept überlegt hat, die Abgründe der amerikanischen Gesellschaft bloß zu stellen und zu kritisieren. Er verkleidet sich und erfindet Figuren, die allein durch ihre Anwesenheit an bestimmten Orten schon nach Schlägen schreien. Vor zwei Jahren war er als judenfeindlicher Journalist aus Kasachstan mit dem Namen Borat in Hollywood unterwegs. Jetzt geht er als schwuler Fernsehmoderator aus Österreich nach Amerika. Sein Name: Brüno!

Über den Inhalt oder die Handlung des Films zu reden, erspare ich mir jetzt, denn die Spannung würde verloren gehen, wenn man auch nur eine Sache erzählt. Nur soviel: Es werden mal wieder sämtliche Tabus und Grenzen überschritten und man kann sich nur darüber wundern, wie es Cohen gelungen ist, da lebend wieder heraus zu kommen. Er ist Brüno, ein Fernsehmoderator aus Österreich, der durch ein kleines Missgeschick bei der Mailänder Modewoche in Ungnada fiel. Um wieder berühmt und beliebt zu werden, geht er nach Amerika. Hier sollte man etwas wichtiges über ihn erfahren. Brüno ist schwul, und zwar stockschwul und er macht daraus nie einen Hehl. Der Film handelt also davon, wie normale Menschen auf ihn reagieren und dabei buchstäblich die Hosen runterlassen.

Sacha Baron Cohen traut sich was. Als Borat trat er in Texas bei einem uramerikanischen Rodeo auf und sang die amerikanische Hymne mit dem ausgedachten Text der ksachischen Hymne und sorgte für lautstarken Unmut. Als Brüno treibt er es noch weiter. Interessant ist immer wieder, wie man auf ihn reagiert. Er pöbelt hemmungslos durch die Gegend. Er sagt immer das Falsche und tritt sozusagen von einem Fettnäpfchen zum nächsten. Man könnte sagen, er tut das, weil er ein besonders tolpatschiger oder dummer Mensch ist, aber natürlich ist das alles Teil der Figur. Beeindruckend ist, wie Cohen diese Figuren bis ins kleinste Detail entwirft, so dass er trotz seiner Lächerlichkeit zumindest am Anfang immer ernst genommen wird. So schafft er die unmöglichsten Situationen und kritisiert auf schockierende, aber durchaus unterhaltsame Weise die amerikanische Gesellschaft.
Das Manko dieses Films ist, dass er im Grunde das selbe macht, wie schon einmal. Diesmal geht er stets auf Nummer sicher und die verrücktesten Szenen sind allesamt inszeniert. Diese Inkonsequenz nervt. Provozieren: Ja; Konsequenzen dafür tragen: Lieber nicht.

Wem die skandalöse Klischeeschlacht mit Borat gefallen hat und einfach mehr will, kommt an "Brüno" nicht vorbei. Neben zahlreichen Peinlichkeiten und Schocks sollte man sich aber vor allem eines bewusst sein. Die einzigen Menschen, die bei diesem Film wirklich nicht gut weg kommen, sind die Homosexuellen.

Brüno (USA 2009): R.: Sacha Baron Cohen; D.: Sacha Baron Cohen, Gustaf Hammersten, Clifford banagale, u.a.; Offizielle Homepage

In Weimar: CineStar

On Air: Jeden Donnerstag 12.25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar

P.S.: Die nächsten Filme, die ich mir angesehen habe, werden hier nicht vorgestellt. Aus zwei Gründen: "Transformers 2" war einfach so furchtbar, dass allein die Erwähnung des Films kalten Schweiß auf die Stirn treibt. "Public Enemy No.1 - Todestrieb" leif in Weimar leider nur eine Woche, weshalb auch dessen Besprechung flach fällt. Ab nächste Woche geht's gewohnt weiter mit - wie ich hoffe - "Inglorious Bastardz".
-Jan-

Montag, 6. Juli 2009

Che - Revolucion

Er hat ein Gesicht, das jeder auf dieser Welt kennt. Es ziert in verschiedenen modischen Varianten, zahlreiche Kleidungsstücke, Taschen, Poster und ist der Inbegriff für Rebellion, Revolution und für das sprichwörtliche Rütteln am Käfig. Die Rede ist von Ernesto „Che“ Guevara. Aber was wissen wir über diesen Mann? Ja, also: Cuba eben. Und Revolution halt. Fidel Castro. Und Zigarren. Nur, wer sich ausführlich mit der jüngeren Geschichte Lateinamerikas beschäftigt, kennt die genauen Abläufe der verschiedenen Gelegenheiten, durch die Che Guevara berühmt wurde. Die Wenigsten wissen, was er für ein Mensch war. Um dem abzuhelfen, hat Regisseur Steven Soderbergh jetzt das Leben des Arztes Ernesto aufwändig verfilmt. Diese Filme sollen uns den Mythos näher bringen, doch damit scheitert Soderbergh kläglich.

Wir werden direkt in die Geschichte katapultiert. Eine amerikanische Journalistin interviewt Che Guevara und er erzählt. Alles beginnt mit einem konspirativen Treffen. Che, Fidel und einige andere beschließen, die Revolution nach Cuba zu bringen. Und los geht’s. Mit einem Schiff wird die Überfahrt bewältigt und eine kleine Gruppe von etwa 30 Kämpfern startet den langen Marsch in die Hauptstadt Havanna. Unterwegs treffen sie nicht nur auf Regierungstruppen, sondern auch auf zahlreiche Mitstreiter. Je weiter die Widerstandskämpfer kommen, desto mehr Einheimische schließen sich ihnen an. Die Guerillas folgen bei ihrem Vorgehen einem bestimmten Konzept. Jeder Schritt ist wohl überlegt und liegt immer einer bestimmten Taktik zugrunde. Bauern werden professionell ausgebildet, sowohl im Kämpfen, als auch beim Schreiben und Lesen. Mit unglaublicher Präzision und Disziplin marschieren sie immer weiter und üben so Druck auf die Regierung aus. Und eines Tages kommt es tatsächlich zum spektakulären Einmarsch in Havanna. Der Krieg ist vorbei, die Revolution beginnt. Unterwegs werden Bündnisse mit zahlreichen Splittergruppen getroffen und so verfügt der Widerstand über eine größere Streitmacht, als die Armee der Regierung. Unterwegs wurde außerdem schnell noch fest gelegt, dass Fidel Castro der alleinige Oberkommandierende der Rebellenstreitkräfte ist, so dass auch für den nächsten Führer des Landes gesorgt ist.

Der ein oder andere mag jetzt denken: Warum erzählt der jetzt eigentlich schon den ganzen Film? Tja. Das sind eben die historischen Fakten und Ereignisse, die genau so statt gefunden haben. Und entsprechend penibel und genau handelt der Film diese Ereignisse ab. Das Interview dient als Rahmenhandlung und der Rest wird in Form von Rückblenden mit Off-Kommentaren erzählt. Die wenigen Szenen, bei denen ein Anflug von Spannung aufkommt, werden durch schroff eingeblendete Interviewpassagen veredelt, wodurch niemals Kino-Feeling aufkommen kann. Es ist eben ein teuer produzierter Dokumentarfilm geworden. Das alles wäre nicht so schlimm, da es sich ja um einen Kunstgriff und ein filmisches Konzept handelt, welches bei diesem Stoff durchaus stimmig sein kann. Aber trotz der peniblen Abhandlung der Fakten, ist der Film viel zu oberflächlich, da die wirklich interessanten Fragen gar nicht angesprochen werden. Was war dieser Che eigentlich für ein Mensch? Welche Motive hatte er, sein wohl durchdachtes Konzept der Revolution in ganz Lateinamerika zu etablieren? Warum hat er trotz seines schweren Asthmas die ganze Zeit geraucht, wie ein Schlot? Davon ist in diesem Film überhaupt nicht die Rede. Alles ist derart nüchtern inszeniert, dass man glauben könnte, man sitzt wieder in der Schule und kriegt einen Lehrfilm vorgeführt. Dazu kommt die Länge des Films. Über zwei Stunden diese Art Film sorgten zumindest bei mir dafür, dass mein Interesse, eventuell den zweiten Teil zu sehen, vollkommen erloschen ist.
Zum Abschluss noch ein Wort zur viel gepriesenen, charismatischen Darstellung von Benicio del Toro. In diesem Film hätte jeder x-beliebige Schauspieler diese Rolle übernehmen können. Da war del Toro selbst im schnarchigen 007-Abenteuer „Lizenz zum töten“ charismatischer.

„Che - Revolucion“ ist nur zu empfehlen für Leute, die sich wirklich für die Geschichte Cubas interessieren und einfach mal gerne ein kompaktes Sammelwerk vorgesetzt bekommen wollen. Zuschauer, die ein spannendes Kinoerlebnis und eine packende Darstellung einer interessanten, historischen Figur erwarten, werden leider enttäuscht.

Che – The Argentine (Spanien / USA 2008): R.: Steven Soderbergh; D.: Benicio del Toro, Demian Bechir, Julia Ormond, u.a; M.: Alberto Iglesias; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

On Air: Jeden Donnerstag 12.25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar

Freitag, 26. Juni 2009

State Of Play - Der Stand der Dinge

Haben Sie auch manchmal das Gefühl, dass irgendwas falsch läuft in unserer Welt? Dass Sie wissen, was schief geht, aber es einfach nicht greifen können, weil sie sich einfach nicht vorstellen können, dass etwas so ungeheuerliches möglich ist? Sie sehen die Zusammenhänge, aber keiner glaubt Ihnen? Genau so geht es Russell Crowe, der im neuen Film "State Of Play" von Kevin Macdonald einen Journalisten spielt, der eine ungeheure Verschwörung aufzudecken glaubt.

Cal ist eine Art Einsiedlerkrebs. Er arbeitet seit Jahren für den Washington Globe und ist ein Journalist der ganz alten Schule. Er hasst Computer und Internet, steht immer dafür ein, unvoreingenommen und wahrheitsgemäß zu berichten, wofür er von einigen Kollegen mehr als einmal belächelt wird. Deshalb bekommt er immer eher kleinere Fälle, wie Schießereien im Drogenmilieu, und steht so der Verlagschefin und dem Vorstand nicht im Weg, beim Verkauf der großen Storys. Eines Tages recherchiert er einen Mordfall und stellt Zusammenhänge zu einem anderen Fall fest. Die Mitarbeiterin des Abgeordneten Stephen Colins wurde tot in einer U-Bahnstation aufgefunden. Angeblich Selbstmord. Brisant ist, dass der Abgeordnete schon seit Jahren gegen einen Konzern ermittelt, der sich für die Privatisierung des amerikanischen Militärs stark macht. Cal glaubt nicht an Selbstmord, und stellt bald fest, dass es ein unglaublich weitverzweigtes Netz an Lügen und Intrigen aufzudröseln gilt. Während Kollegen und Freunde stets abwinken und Cal nicht ernst nehmen, merkt er schnell, dass er auf der richtigen Spur ist, denn auf ihn wird ein Mordanschlag verübt.

"State Of Play" erzählt vom wohl größten Dilemma der letzten Jahre. Wir werden manipuliert, weil wir manipulierbare Medien nutzen. Man muss alles hinterfragen und darf keine Information ohne weiteres hin nehmen. Ironischerweise ist auch diese Botschaft in einem Medium versteckt, welches extrem angreifbar durch Manipulation ist. So weit und intensiv geht der Film dann leider doch nicht. Regisseur Kevin Macdonald erzählt eine spannende Kriminalgeschichte und würzt das ganze mit einer großen Portion Politthriller. Und das ist es, was mich an diesem Film stört. Er ist sehr spannend, kratzt bei der eigentlichen Thematik aber nur die Oberfläche an und die Story wird nicht konsequent fertig erzählt. Viel zu oft wirkt das ganze zu geradlinig konstruiert, als hätte ein eifriger Produzent die Schere angesetzt, um niemanden wirklich auf die Füße zu treten.
So verbirgt sich im Film also doch - aber eher unfreiwillig - die Aussage, dass eben keine Informationen ungefiltert zu uns dringen. Wer wirklich wissen will, was passiert, kann das durchaus in Erfahrung bringen, darf sich aber unterwegs nicht von den Informationen ablenken lassen, die allein zu einem dringen.

"State Of Play" ist spannend, handelt aber den Zeitgeist und das Bild der heutigen Medien und der Berichterstattung nur oberflächlich ab, um einen spannenden, aber nicht ungewöhnlichen Krimi zu erzählen. Da wäre mehr drin gewesen.

State Of Play (USA 2009): R.: Kevin Macdonald; D.: Russell Crowe, Ben Affleck, Helen Mirren, u.a.; M.: Alex Heffes; Offizielle Homepage

In Weimar: CineStar

On Air: Jeden Donnerstag, 12.25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar

Freitag, 19. Juni 2009

Public Enemy No. 1 - Mordinstinkt

In den 70er Jahren gab es einen Mann, der in Frankreich sehr schnell zu unglaublicher Berühmtheit gelangte. Allerdings war er kein Schauspieler, oder berühmter Musiker. Er war auch kein Modedesigner oder Politiker. Er war ein skrupelloser Verbrecher und tat mehr oder weniger das, was er wollte. Damit sprach er wahrscheinlich sehr vielen Menschen aus der Seele und erfreute sich größter Beliebtheit. Sein Name war Jacques Mesrine und der neue Film von Jean-Francois Richet „Public Enemy No. 1 – Mordinstinkt“ widmet sich dem Leben dieses Mannes.

Jacques kehrt als Soldat aus Algerien zurück und hat dort viele schreckliche Dinge erlebt. Daheim wartet das biedere Familienleben auf ihn und sein Vater verschafft ihm einen Job, der er nicht annimmt. Stattdessen verbringt er lieber viel Zeit mit seinen alten Freunden, die ihr Geld durch schmutzige Geschäfte verdienen. Sie alle arbeiten für den Pariser Gangsterboss Guido, der nun auch Jacques an heuert. Das Leben wird schön. Jaques hat geld, lernt eine schöne Spanierin kennen und gründet eine Familie. Doch eines Tages geht ein Job, den er für Guido erledigt, schief und Jacques wandert für mehrere Jahre ins Gefängnis. Als er wieder frei kommt, entschließt er sich für ein ehrliches Leben und wendet sich vom Gangstertum ab. Lange geht es nicht gut und er beginnt, wieder für Guido zu arbeiten. Nachdem seine Frau ihn mit den Kindern allein gelassen hat, startet er mit der schönen Jeanne eine Serie von immer dreister werdenden Überfällen, bis er schließlich zur Zielscheibe konkurierender Gangster und der Polizei wird.

Vincent Cassel hat die Rolle des bekanntesten Verbrechers der letzten 50 Jahre übernommen und erfüllt ihn auf beängstigende Weise und voller Intensität mit neuem Leben. Wenn man Fotos von Jacques Mesrine gesehen hat und Fernsehaufnahmen kennt, ist die Ähnlichkeit verblüffend. Auch spielt er die klar umrissenen Charakterzüge dieses Mannes sehr gekonnt und schafft es, einen vom Schicksal gebeutelten Kriegsveteranen daruistellen, der einfach keinen anderen Weg sieht, als Verbrechen zu begehen, um irgendwie zu überleben. Das ganze wird in klaren Bildern auf sehr langsame Weise inszeniert, so dass die unglaubliche Spannung der Geschichte an sich, ungehindert zum Tragen kommt. Eine erwähnenswerte Konsequenz dieses authentischen, klaren Stils, sollte man allerdings noch beachten. Als Gangster, der Gangstersachen tut, kommt Jacques nicht drum herum, wild und scharf zu schießen. Die schockierenden Gewaltdarstellungen, sind nichts für zart besaitete, runden das harte Bild des Verbrecherkönigs allerdings perfekt ab.

„Public Enemy No. 1 – Mordinstinkt“ ist ein sehr spannender Film, der sofort fesselt und bis zum vorläufigen Ende nicht los lässt. Und auch, wenn es ein sehr guter und sehr sehenswerter Film ist, muss ich fast nahe legen, ihn sich erst an zu sehen, wenn der zweite Teil läuft. Das Ende ist so abrupt, dass ich es immer noch nicht fassen kann...

L'instinct de mort (Frankreich 2008): R.: Jean-Francois Richet; D.: Vincent Cassel, Cecile De France, Gerard Depardieu, u.a.; M.: Marcus Trumpp; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

On Air: Jeden Donnerstag, 12.25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar