Donnerstag, 30. April 2009

Barry Levinson - Inside Hollywood


Vor vielen Jahren gab es einen kleinen, aber feinen Film, der es faustdick hinter den Ohren hatte. Regisseur Barry Levinson zeigte uns zusammen mit Robert De Niro und Dusin Hofman in „Wag The Dog“, wie in den USA Wahlkampf betrieben wird und dass eine Krise immer dann kommt, wenn sie am nützlichsten ist. Vor allem aber brachte er den Zuschauer zum Grübeln und regte dazu an, jeder Nachrichtenmeldung mit einer gesunden Portion Skepsis zu begegnen. Jetzt ist der neue Film von Levinson in den deutschen Kinos gestartet und wieder spielt De Niro die Hauptrolle. Diesmal wird man hinter die Kulissen von Hollywood entführt und merkt, dass das Bild, welches dort vermittelt wird, gar nicht so neu und schockierend ist.

Ben ist einer der erfolgreichsten Produzenten in Hollywood und hat gerade einen neuen Film mit Sean Penn fertig gestellt. Außerdem mischt er in zahlreichen anderen hochkarätigen Produktionen mit und steht kurz vor dem Beginn der Dreharbeiten zum neuen Bruce-Willis-Streifen. Privat sieht es ein bisschen chaotischer aus. Mehrere geschiedene Ehefrauen und Kinder wollen versorgt werden. Das scheint Ben allerdings nicht so viel auszumachen und er findet sich irgendwie damit ab. Doch dann gehen die Probleme los. Der Sean-Penn-Film fällt beim Test-Screening beim Publikum durch und die Studiocheffin verlangt vom Regisseur ein alternatives Ende. Der sieht sich natürlich in seiner künstlerischen Freiheit beschnitten. Es liegt an Ben, den ausgeflippten Filmemacher zu überzeugen. Zusätzlich gibt es Probleme mit Bruce Willis, dessen Aussehen gar nicht seinem Image entspricht. Er ist fett und hat einen Vollbart. Wieder ist es Bens Sache, ihn zu überzeugen, sich zu rasieren, sonst soll das Projekt gestoppt werden. Und privat bemerkt Ben mit Unmut, dass einer seiner Kollegen sich heimlich mit einer von Bens Ex-Frauen trifft, für die er allerdings noch immer viel empfindet.

„Inside Hollywood“ wurde sehr sensibel und vorsichtig inszeniert. Obwohl man sich vielleicht eine bissigere Art erhofft hat, bemerkt man doch eine sehr feine Note und Satire im Untergrund, die auf die langjährige Erfahrung der am Film beteiligten Personen schließen lässt. Es gibt zahlreiche witzige Dialoge und so viele Seitenhiebe auf bekannte Hollywood-Akteure, dass man sie wahrscheinlich gar nicht alle mitbekommt. Die einzigen Darsteller übrigens, die wirklich nicht gut weg kommen, sind Sean Penn und Bruce Willis.
Über schauspielerische Leistungen eines Robert De Niro braucht man hier kein Wort mehr zu verlieren, denn mittlerweile ist es fast egal, welche Filme er macht; er ist einfach immer sehr gut. Allerdings sollte er sich in Zukunft vor dem ein oder anderem Fantasy-Märchen oder Slasher in Acht nehmen. Erwähnenswert wäre an dieser Stelle noch Michael Winscott, der den durchgeknallten Regisseur Jeremy spielt. Er ist ein Charakterschauspieler, den man schon in so vielen Filmen gesehen hat und sich nie sein Gesicht merken kann. Zuletzt fiel er mir in Robin Hood als Guy von Gisborne bei einer unbequemen Begegnung mit einem Löffel auf.

„Inside Hollywood“ ist ein kleiner Film, dessen satirische Abrechnung mit Hollywood ganz unterschwellig daher kommt und man muss schon genau aufpassen, dass man sie nicht verpasst. Das ist angesichts des großartigen „Wag The Dog „ ein bisschen schade, aber wer wollte schon nochmal genau das selbe sehen?

What Just Happened (USA 2008): R.: Barry Levinson; D.: Robert De Niro, Robin Wright Penn, Bruce Willis, u.a.; M.: Marcelo Zarvos; Offizielle Homepage

Filmrezensionen (fast) jeden Donnerstag 12: 25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar

Donnerstag, 23. April 2009

Neveldine & Taylor - Crank 2 - High Voltage

Ich werde es wohl nie lernen. Keine Fortsetzung ist so gut, wie das Original. Wenn mir aber das Original so gut gefallen hat und ich einfach nach mehr lechze, werfe ich eben alle Bedenken und besseres Wissen über Bord und lasse mich auf das Sequel ein. Und dann geht’s los. Man zieht ununterbrochen Vergleiche mit dem Vorgänger, findet ständig Dinge, die es schon gegeben hat, findet den Fortgang der Story irgendwie unpassend, die neuen Idee zu verkrampft. Am Ende ist man enttäuscht, aber es schleicht sich der unverbesserliche Gedanke ins Hirn, sich auch einen dritten Teil anzuschauen, sollte er denn irgendwann mal kommen. Der geneigte Leser mag sich nun fragen, wovon ich überhaupt rede. Wir leben im Zeitalter des Fortsetzungswahns. Alle Filme, der letzten Jahre, die mehr oder weniger erfolgreich liefen, bekommen eine neue Zahl hinter den Titel geschrieben. Nebenbei erwähnt, erwarten den Zuschauer dieses Jahr noch Fortsetzungen zu folgenden Filmen: Star Trek, Transformers, Terminator, Harry Potter, Sakrileg und X-Men. Jetzt ist aber erstmal der neue Film von den Regisseuren Neveldine und Taylor dran. Es geht um „Crank 2 – High Voltage“

Wer den ersten Teil kennt, weiß im Grunde schon, worum es geht. Chev Chelios ist Profikiller für ein Mafiakartell und wird eines Tages von einem Konkurenten vergiftet. Das einzige, was das Gift aufhält, ist Adrenalin. Chev stürmt also die ganze Zeit wie ein Berserker durch den ersten Teil, auf der Suche, nach seinem Mörder in Spe. Ziel erreicht, Gegner tot, Chev zufrieden. Dumm nur, dass er gerade aus einem Hubschrauber gestürzt ist und unterwegs zum harten Boden der Realität ist. Das Unvermeidliche passiert; er prallt auf und ist tot.
An dieser Stelle setzt der zweite Teil ein. Kaum gelandet, wird Chev von düster drein blickenden Menschen von der Straße gekratzt und in einen Transporter geworfen. Plötzlich wacht er auf und wird Zeuge, wie ein Haufen Ärzte sein Herz heraus holen und es durch ein künstliches ersetzen. Außer sich vor Wut, tötet er die Ärzte und unternimmt die Flucht. Sein Ziel ist klar: Er sucht den Mann, der sein Herz in einer handlichen kleinen Kühlbox davon getragen hat. Bei seiner Flucht, wird allerdings die Batterie von Chevs Kunstherz beschädigt. Um nicht einfach um zu fallen, braucht er regelmäßig Stromstöße. Die Schwächeanfälle kommen immer in den unmöglichsten Situationen und viel Zeit zum Nachdenken bleibt nicht. Also unternimmt er alles, um die Kunstpumpe nicht einschlafen zu lassen. Zwischendurch treffen wir alle Charaktere aus dem ersten Teil wieder und lernen zahlreiche neue, skurrile Gestalten kennen.

Vor drei Jahren war „Crank“ eine echte Überraschung. Der Film war dreckig, sehr actionlastig, durchsetzt von coolen Sprüchen und vor allem wahnsinnig schnell. Gepaart mit einem hohen Brutalitätsgrad und einer einfachen, stumpfsinnigen Story, war das für mich der perfekte Männerfilm. Tja und im zweiten Teil haben wir genau die selben Elemente, nur eben noch schneller und überzogener. So unglaublich es klingen mag, aber genau das lässt Langeweile aufkommen. Die Anarcho-Regisseure leben sich richtig aus und man sieht genau, für welche Szenen mehr Geld zur Verfügung stand. Jason Staham tobt ununterbrochen, Amy Smart stolpert halbnackt von einer dummen Situation in die andere und die skurrilen Gangster sterben wie die Fliegen. Insgesamt war der erste Teil aber wesentlich cooler und spontaner. Im zweiten Teil ist alles ein bisschen verkrampft. Mit Biegen und Brechen werden unmögliche Zusammenhänge zum Vorgänger geschaffen und ein Ende zusammengeschustert, dass so unkreativ, wie offen ist, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Teil Drei über die Leinwände flimmert.
Es bliebe noch zu erwähnen, dass „Crank 2 – High Voltage“ ein Film für Erwachsene ist und deshalb auch keine Jugendfreigabe in Deutschland erhalten hat. Wer sich darüber jetzt zu Tode ärgern möchte, weil er das zarte achtzehnte Lebensjahr noch nicht erreicht hat, darf sich auf die entschärfte DVD-Asugabe freuen, die allerdings noch ein paar Monate auf sich werden lässt.

„Crank 2 – High Voltage“ ist ein völlig überzogener und vor allem überflüssiger Film. Genau, wie die Warnung, sich diesen Film anzusehen. Denn wem es in Bezug auf Fortsetzungen genauso geht, wie mir, kann gar nicht anders, als ins Kino zu rennen. Aber es soll niemand sagen, ich hätte ihn nicht gewarnt. Mein Gott, wir armen Opfer.

Crank 2 - High Voltage (USA 2009): R.: Neveldine & Taylor; D.: Jason Statham, Amy Smart, Art Hsu, u.a; M.: Mike Patton; Offizielle Homepage

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Sonntag, 19. April 2009

Tarsem Singh - The Fall

Bei der Masse an Fantasyfilmen, die monatlich über unsere Kinoleinwände flimmert, könnte man glauben, es gäbe einen Modellbausatz. „Dein Fantasy-Epos zum selber machen“ Enthalten ist ein strahlender Held, ein ganz gemeiner Schurke, eine hinreißend schöne Frau und natürlich ein Artefakt, um das sich alles dreht. Dazu gibt es noch opulente Schlachten, ein bis zwei Heere digitaler Kreaturen, ganz bestimmte Kamerafahrten, zu der ganz bestimmte Musik zu hören ist und natürlich das Budget von ungefähr 300 Millionen Dollar. Und dann kann der Bastelspaß los gehen.
Manchmal gibt es allerdings Regisseure, die das Fantasy-Tool-Kit links liegen lassen und das ganze ein bisschen individueller gestalten. Einer ist zum Beispiel der spanische Regisseur Guillermo del Toro, der hinter „Pans Labyrinth“ stand. Der indische Filmemacher Tarsem Singh gehört ebenfalls zu den Fantasy-Querulanten und faszinierte und schockierte zu gleich mit dem Thriller „The Cell“.
Nach über zwei Jahren Drehzeit und einem weiteren Jahr Suche nach einem Verleih läuft jetzt sein neuer Film „The Fall“ in den deutschen Kinos.

Alexandria liegt im Krankenhaus. Sie lebt 1920 mit ihrer Familie in Los Angeles und arbeitet jeden Tag auf einer Orangenplantage. Bei der Arbeit hat sie sich den Arm gebrochen und wartet nun auf Genesung. Bei einem ihrer Streifzüge trifft sie den Stuntman Roy, der ihr immer wieder fantastische Geschichten erzählt. In seinen Geschichten geht es um fünf skurile Helden, die sich alle aus unterschiedlichen Gründen geschworen haben, einen bösen Gouverneur zu töten. Hauptfigur ist der maskierte Bandit, der seinen Bruder rächen will. Die Helden durchleben zahlreiche Abenteuer und Kämpfe in einer fremden, faszinierenden Welt. Während Roy die Geschichte erzählt, bilden sich in Alexandrias Kopf die Bilder dazu. Roy hingegen baut seine eigene Lebensgeschichte in das Märchen mit ein und alle Menschen in der Umgebung der Beiden spielen auch in der Geschichte eine Rolle. Bald stellt sich heraus, dass Roy in Wirklichkeit von einem Mann betrogen wurde und ihm seine Freundin ausgespannt wurde.
Während Alexandria immer stärker und gesünder wird, scheint Roy genau diese Lebensenergie zu verlieren und wird immer lustloser. Bald hat er nur noch einen Gedanken vor Augen, nämlich sich das Leben zu nehmen. Das schlägt sich natürlich dramatisch auf den Fortgang des Märchens nieder.

Man merkt es gleich, die Story gibt eigentlich nicht viel her und bildet nur den Rahmen für eine Reihe opulent inszenierter Bilder, die wirklich atemberaubend sind. Mit einer unglaublichen Detailliebe zeichnet Tarsem diese Bilder, bis es an eine Sammlung von epischen Fresken erinnert. Hinzu kommen wunderschöne Kostüme, die das Bild und sein Motiv stets komplettieren.
Tarsem verzichtet hierbei nahezu komplett auf digitale Effekte oder sonstige Spielereien und drehte statt dessen an über 250 Originalschauplätzen und ließ unglaublich große Filmbühnen aufbauen. Das sorgte dafür, dass die Kosten für die Produktion explodierten und der Regisseur nach Fertigstellung echte Schwierigkeiten hatte, den Film zu verkaufen. Doch es gibt auch Schwachpunkte. Die Hingabe, die man den Bildern anmerkt, fehlt leider bei den Figuren, die allesamt oberflächlich und teilweise lächerlich wirken. Besonders sauer stößt hierbei der Naturforscher Darwin auf, der in einem schreiend bunten Federkostüm immer die genialsten Vorschläge hat, die ihm aber eigentlich ein kleiner Affe flüstert, den er immer dabei hat. Zusammen zucken lassen den Zuschauer auch diverse Erklärungsversuche, warum der Held mit einem spanischen Akzent spricht.

Tarsem muss sich immer wieder Vergleiche zu seinem Vorgängerfilm „The Cell“ gefallen lassen und bei diesem Vergleich hält „The Fall“ leider nicht stand. Sowohl die Story, als auch die Bilder überzeugten mich bei „The Cell“ mehr und ich vermute, dass der Regisseur angesichts der Schwierigkeiten bei der Produktion von „The Fall“ zu viele Zugeständnisse machen musste, so dass das Ergebnis möglicherweise nicht den ursprünglichen Vorstellungen entspricht. „The Fall“ ist etwas anderes im Fantasy-Einerlei, aber nichts wirklich packendes. Insgesamt muss ich leider sagen, dass mich dieser Film nach der langen Wartezeit enttäuscht hat.

The Fall (GB / I / USA 2006): R.: Tarsem Singh; D.: Catinca Untaru, Lee Pace, Justine Waddell, u.a.; M.: Kristina Levy; Offizielle Homepage

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Donnerstag, 9. April 2009

Jonathan Demme - Rachels Hochzeit


Eine Hochzeit soll im Prinzip für alle Beteiligten ein schönes und unvergessliches Erlebnis werden. In unterschiedlichen Kulturen wird dieser festliche Akt auf unterschiedliche Weise zelebriert. Schauen wir nach Amerika. Dort ist eine Hochzeit – zumindest in Filmen - immer eine riesige Veranstaltung mit unzähligen Gästen, Programmpunkten und Bergen von Essen. Ein organisatorischer Alptraum und alles muss perfekt sein. Nichts darf schief gehen. Beim krampfhaften Ringen um Perfektion kann es passieren, dass man den Blick für das Wesentliche verliert. Unliebsame Gäste, eine völlig zerrüttete Familie und geradezu hysterische Sucht nach Harmonie, all das kann man im neuen Film von Jonathan Demme, „Rachels Hochzeit“, sehen.

Kym hat eine unangenehme Karriere als Junkie hinter sich. Seit neun Monaten ist sie clean und darf nun für ein Wochenende die Entzugsklinik verlassen. Ihre Schwester Rachel heiratet. Zu Hause begegnet man Kym mit Skepsis und Misstrauen, denn sie ist das schwarze Schaf der Familie. Neben zahlreichen unausgesprochenen Vorwürfen, plagt sich Kym mit Schuldgefühlen, denn sie fühlt sich verantwortlich dafür, dass ihre Eltern sich getrennt haben.
Zur Hochzeit versammelt sich nun die ganze Familie und die Erinnerungen kommen mit aller Wucht zurück. Es ist viel Ärger vorprogrammiert und es gibt viel Streit um Banalitäten. Immer wieder steht der Konflikt zwischen den beiden ungleichen Schwestern im Vordergrund. Während Rachel nämlich eine erfolgreiche Karriere als Psychologin bevor steht, muss Kym immer wieder Treffen anonymer Suchtkranker besuchen und ihre Zukunft sieht gar nicht so rosig aus. Außerdem ist Kym so versessen auf Wiedergutmachung, dass sie sich am laufenden Band bei allen Menschen pauschal entschuldigt und glaubt, damit seien alle Zwistigkeiten beigelegt. Zusätzlich tut sich Kym sehr schwer damit, sich einzugliedern, da sie viele Familienmitglieder nicht mehr kennt.
Dabei darf die bevorstehende Hochzeit nicht außer Acht gelassen werden. Weswegen alle bestrebt sind, sich ihre gute Laune nicht verderben zu lassen.

„Rachels Hochzeit“ ist ein schlichter Film und Regisseur Jonathan Demme („Das Schweigen der Lämmer“, „Der Manchurian Kandidat“) zeigt, dass er nach zahlreichen seltsamen Filmen, noch ganz normale Menschen filmen kann. Der Film ist so schlicht, dass man sich teilweise an Vinterbergs „Das Fest“ erinnert fühlt, auch wenn Demme den Dogma-Stil nicht ganz so brutal nutzt. Wir sehen minutenlange Begrüßungsszenen, ohne dass etwas prägnantes passiert. Es gibt Dialoge, die absolut belanglos sind und ins Nichts führen. Überhaupt ist die ganze Familie so unspektakulär normal dargestellt, dass man sich bald eher wie ein Voyer, als wie ein Kinobesucher vorkommt. Das erfüllt den Film mit einer gewissen Spannung und ist im Vergleich mit anderen aktuellen Kinofilmen der lebende Beweis für „Weniger ist mehr“.
Hervorzuheben ist die Hauptdarstellerin Anne Hathaway, die endlich mal nicht in dümmlich-leichten Teenie-Komödien zu sehen ist und durchaus schauspielerische Qualitäten besitzt, die man ihr nicht zu getraut hätte. Sie schafft es, die patzige und freche, böse Schwester zu mimen, der scheinbar alles völlig egal ist, was mit der Familie zu tun hat, aber innerlich unglaubliches Leid erfährt und sich von niemanden verstanden fühlt.

„Rachels Hochzeit“ ist kein wichtiger Film und wegen seines reduzierten Stils auch völlig unspektakulär. Dennoch wird eine hochdramatische Geschichte erzählt und trotz des Quasi-Happy-Ends bleibt einem ein kleiner Kloß im Hals.
Nach Genuss des Films hat man übrigens auf alles Lust, nur nicht aufs Heiraten.

Rachels Hochzeit (USA 2008): R.: Jonathan Demme; D.: Anne Hathaway, Rosemarie DeWitt, Bill Irwin, u.a; M.: Zafer Tawil; Offizielle Homepage

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Donnerstag, 2. April 2009

Danny Boyle - Slumdog Millionaire

Wer kennt das nicht? Freitagabend vor dem Fernseher sitzen und glotzen. Zum Feierabend neigt das Programm stets dazu, ab zu flachen, so dass man anfängt, ununterbrochen zu switchen. Und welche Sendung ist es, bei der man immer hängen bleibt? „Wer wird Millionär“ Die beliebteste Quizshow der Welt, bei der man immer denkt: „Das hätte ich auch gewusst“ Man regt sich über Kandidaten auf, die einfachste Dinge nicht zu wissen scheinen. Wie blöd muss man sein, als LKW-Fahrer nicht zu wissen, wer den Fahrtenschreiber erfunden hat. Die Kandidaten sitzen grade so lange im Rampenlicht, dass man für eine halbe Stunde mit ihnen mit fiebern kann, dann verschwinden sie wieder. Und wenn sie zu früh ausgeschieden sind, findet man am nächsten Tag nicht mal ein Foto von ihnen in der Zeitung. Wie es einem Quizkandidaten ergehen kann, kann man jetzt im Oscar-Abräumer des Jahres „Slumdog Millionaire“ sehen. Danny Boyle nimmt das Thema auf, um eine wirklich interessante Geschichte zu erzählen.

Jamal ist ein ganz armes Schwein, der in den Slums von Mumbai geboren wurde und dort auch aufgewachsen ist. Sein Bruder und er verloren schon früh ihre Mutter und leben nun als bettelarme Straßenkinder auf Müllkippen und ähnlichen Orten.
Eines Tages lernen sie Latika kennen, ein kleines Mädchen, das ihr Schicksal teilt. Zusammen geraten sie an einen Gangster, der Kinder „sammelt“ und sie zum Betteln schickt. Dieser hat festgestellt, dass kranke und vor allem verstümmelte Kinder viel mehr Geld nach Hause bringen, so dass er nicht lange fackelt und beginnt, die Kinder sehr schmerzhaft zu blenden.
Jamal und sein Bruder ergreifen die Flucht und dabei verlieren sie Latika. Nach vielen Jahren kehren die Brüder in ihre alte Heimat zurück. Während Jamal nur das Ziel vor Augen hat, Latika wieder zu finden, verfolgt sein Bruder eine hoffnungsvolle Karriere als Gehilfe eines Gangsterbosses und wird dabei immer skrupelloser.
Eines Tages entschließt sich Jamal, bei „Wer wird Millionär“ mitzumachen, um so seine große Liebe zu finden. Er hofft, wenn er weit genug kommt, sieht sie ihm im Fernsehen und kommt zu ihm. Doch auch hier warten Schwierigkeiten auf ihn, denn er kommt so weit, dass er das Misstrauen des Showmasters erregt, und dieser ihn wegen Betrugsverdacht verhaften lässt.

Es war die Filmsensation des Jahres. Ein Film, von dem wir hier vorher fast nichts gehört haben, wird der große Sieger bei der Oscar-Verleihung. Acht Auszeichnungen – unter anderem die für den besten Film des Jahres – kann das Ausnahmeprojekt verbuchen.
Regisseur Danny Boyle feiert also einen Erfolg, auf den er schon viele Jahre gewartet hat. Boyle war immer ein Freund kontroverser Themen, die meistens mit brachialen und schockierenden Bildern umgesetzt wurden. „Trainspotting“, „The Beach“ und „28 Days Later“ waren allesamt beeindruckende Filme, die sich fernab vom Mainstream bewegten und immer genau da hin stachen, wo es weh tat. „Slumdog Millionaire“ wird hingegen als der Feel-Good-Film des Jahrzehnts bezeichnet und wartet mit knalligen Bildern und mitreißenden Farben auf. Außerdem ist der Film unglaublich schnell erzählt und reißt den Zuschauer von Anfang an mit. Dankenswerter Weise verzichtet Boyle fast ganz auf prägende Einflüsse aus Bollywood, so dass es weder ein typisch britischer, noch typisch indischer Film wird.
Um es zusammen zu fassen: Der Film ist rundum gelungen. Spannend, tragisch, witzig, mitreißend inszeniert.
Wird er aber dem unglaublichen Hype gerecht? Für mich jedenfalls nicht. Auch wenn es kaum ernsthafte Kritikpunkte gibt, ist es dennoch eine oberflächliche Liebesgeschichte, die kaum die sozialen Umstände der Slumdogs in Indien beleuchtet. Es gibt keine sozialkritischen Aussagen, oder schockierende Bilder, die den Zuschauer wachrütteln. Eben Feel-Good.

Ich denke aber, wenn ein englischer Regisseur sich dieses Themas annimmt, muss er so etwas mit einfließen lassen, denn seine Zuschauer – die der reichen, westlichen Welt nämlich – erfahren sonst nicht, dass es auch elend arme Menschen gibt, die auf der Straße und vom Müll leben müssen.
„Slumdog Millionaire“ ist ein guter Film, der aber in unseren Zeiten deplatziert wirkt. Ich warte auf Boyles nächstes Zombie-Szenario.

Slumdog Millionaire (UK/IND 2009): R.: Danny Boyle; D.: Dev Patel, Freida Pinto, Irrfan Kahn, u.a.; M.: A.R. Rahman; Offizielle Homepage

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