Donnerstag, 2. April 2009

Danny Boyle - Slumdog Millionaire

Wer kennt das nicht? Freitagabend vor dem Fernseher sitzen und glotzen. Zum Feierabend neigt das Programm stets dazu, ab zu flachen, so dass man anfängt, ununterbrochen zu switchen. Und welche Sendung ist es, bei der man immer hängen bleibt? „Wer wird Millionär“ Die beliebteste Quizshow der Welt, bei der man immer denkt: „Das hätte ich auch gewusst“ Man regt sich über Kandidaten auf, die einfachste Dinge nicht zu wissen scheinen. Wie blöd muss man sein, als LKW-Fahrer nicht zu wissen, wer den Fahrtenschreiber erfunden hat. Die Kandidaten sitzen grade so lange im Rampenlicht, dass man für eine halbe Stunde mit ihnen mit fiebern kann, dann verschwinden sie wieder. Und wenn sie zu früh ausgeschieden sind, findet man am nächsten Tag nicht mal ein Foto von ihnen in der Zeitung. Wie es einem Quizkandidaten ergehen kann, kann man jetzt im Oscar-Abräumer des Jahres „Slumdog Millionaire“ sehen. Danny Boyle nimmt das Thema auf, um eine wirklich interessante Geschichte zu erzählen.

Jamal ist ein ganz armes Schwein, der in den Slums von Mumbai geboren wurde und dort auch aufgewachsen ist. Sein Bruder und er verloren schon früh ihre Mutter und leben nun als bettelarme Straßenkinder auf Müllkippen und ähnlichen Orten.
Eines Tages lernen sie Latika kennen, ein kleines Mädchen, das ihr Schicksal teilt. Zusammen geraten sie an einen Gangster, der Kinder „sammelt“ und sie zum Betteln schickt. Dieser hat festgestellt, dass kranke und vor allem verstümmelte Kinder viel mehr Geld nach Hause bringen, so dass er nicht lange fackelt und beginnt, die Kinder sehr schmerzhaft zu blenden.
Jamal und sein Bruder ergreifen die Flucht und dabei verlieren sie Latika. Nach vielen Jahren kehren die Brüder in ihre alte Heimat zurück. Während Jamal nur das Ziel vor Augen hat, Latika wieder zu finden, verfolgt sein Bruder eine hoffnungsvolle Karriere als Gehilfe eines Gangsterbosses und wird dabei immer skrupelloser.
Eines Tages entschließt sich Jamal, bei „Wer wird Millionär“ mitzumachen, um so seine große Liebe zu finden. Er hofft, wenn er weit genug kommt, sieht sie ihm im Fernsehen und kommt zu ihm. Doch auch hier warten Schwierigkeiten auf ihn, denn er kommt so weit, dass er das Misstrauen des Showmasters erregt, und dieser ihn wegen Betrugsverdacht verhaften lässt.

Es war die Filmsensation des Jahres. Ein Film, von dem wir hier vorher fast nichts gehört haben, wird der große Sieger bei der Oscar-Verleihung. Acht Auszeichnungen – unter anderem die für den besten Film des Jahres – kann das Ausnahmeprojekt verbuchen.
Regisseur Danny Boyle feiert also einen Erfolg, auf den er schon viele Jahre gewartet hat. Boyle war immer ein Freund kontroverser Themen, die meistens mit brachialen und schockierenden Bildern umgesetzt wurden. „Trainspotting“, „The Beach“ und „28 Days Later“ waren allesamt beeindruckende Filme, die sich fernab vom Mainstream bewegten und immer genau da hin stachen, wo es weh tat. „Slumdog Millionaire“ wird hingegen als der Feel-Good-Film des Jahrzehnts bezeichnet und wartet mit knalligen Bildern und mitreißenden Farben auf. Außerdem ist der Film unglaublich schnell erzählt und reißt den Zuschauer von Anfang an mit. Dankenswerter Weise verzichtet Boyle fast ganz auf prägende Einflüsse aus Bollywood, so dass es weder ein typisch britischer, noch typisch indischer Film wird.
Um es zusammen zu fassen: Der Film ist rundum gelungen. Spannend, tragisch, witzig, mitreißend inszeniert.
Wird er aber dem unglaublichen Hype gerecht? Für mich jedenfalls nicht. Auch wenn es kaum ernsthafte Kritikpunkte gibt, ist es dennoch eine oberflächliche Liebesgeschichte, die kaum die sozialen Umstände der Slumdogs in Indien beleuchtet. Es gibt keine sozialkritischen Aussagen, oder schockierende Bilder, die den Zuschauer wachrütteln. Eben Feel-Good.

Ich denke aber, wenn ein englischer Regisseur sich dieses Themas annimmt, muss er so etwas mit einfließen lassen, denn seine Zuschauer – die der reichen, westlichen Welt nämlich – erfahren sonst nicht, dass es auch elend arme Menschen gibt, die auf der Straße und vom Müll leben müssen.
„Slumdog Millionaire“ ist ein guter Film, der aber in unseren Zeiten deplatziert wirkt. Ich warte auf Boyles nächstes Zombie-Szenario.

Slumdog Millionaire (UK/IND 2009): R.: Danny Boyle; D.: Dev Patel, Freida Pinto, Irrfan Kahn, u.a.; M.: A.R. Rahman; Offizielle Homepage

Filmrezensionen jeden Donnerstag um 12.25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar

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