Freitag, 27. Januar 2012

Faust

Spielen wir Tourist in Weimar und schnappen uns einmal all die ganzen Flyer mit Veranstaltungshinweisen im Klassiker-Overkill der Kulturstadt. Ein Name taucht immer wieder auf. „Faust – Auf den Busch geklopft.“, „Faust 1 - Zu zweit“, „Faust (Magarethe)“, „Faust 2 - Zu dritt“ - Ganz klar, dass die bedeutendste Arbeit des Dichterfürsten Goethe gerade hier besonders oft und vielseitig dargeboten wird, ist das Werk schließlich in dieser schönen Stadt entstanden. Seit einigen Tagen gibt es nun einen weiteren Faust – und zwar im Kino. Der russische Regisseur Alexander Sokurov inszenierte mit „Faust“ den abschließenden vierten Teil seiner Reihe über „Das Böse und die Macht“

Faust ist ein Gelehrter. Heißt Magister, heißt Doktor gar. Hat sozusagen sämtliche Studienabschlüsse absolviert, die man sich vorstellen kann – auch nach heutigen Maßstäben. Doch all sein Wissen nützt ihm nichts bei der Suche nach den wichtigen Antworten. Hat der Mensch eine Seele? Wo ist die Seele? Im Körper scheint sie sich nicht zu befinden, denn er hat überall nachgesehen. Zusätzlich plagen ihn Geldsorgen. Er kann sich nicht einmal das Gift leisten, dass er gerne schlucken möchte, um seinem Dasein zu entfliehen. Also geht er zum Wucherer, um dort einen Ring zu verpfänden. Dem Wucherer gelingt es jedoch, Faust von seinem Vorhaben abzubringen. Zunächst scheint es so, als wolle er Faust lediglich zeigen, dass das Leben lebenswert ist und es auch schöne Dinge gibt. Schön wäre in diesem Fall Margarethe. Der Wucherer will Faust helfen, sie zu bekommen, geht dabei allerdings mit merkwürdigen Methoden sogar über Leichen. Faust ahnt nicht, dass er Teil eines diabolischen Spiels geworden ist.

Alexander Sokurov ist ein bedeutender Künstler seines Handwerks. Er scheint immer nur den extremen Weg zu suchen, seine Kunst zu verwirklichen. Seinen Film „Russian Ark“ drehte er ohne einen einzigen Schnitt zu tätigen. Die gesamten 92 Minuten wurden ohne Unterbrechungen am Stück gefilmt. Eine enorme Leistung des gesamten Teams hinter diesem Projekt. Seine Tetralogie zum Thema „Das Böse und die Macht“ widmete er Hitler, Lenin, dem japanischen Kaiser Hirohito und zu guter Letzt Faust. Ein schwer nachzuvollziehender Schritt, handelte es sich in den anderen Filme um real existierende Persönlichkeiten, wohingegen Faust – in dieser Version – eine fiktive Gestalt ist. Noch mehr Dinge lassen sich schwer nachvollziehen. Das ungewöhnliche Bildformat von 4:3 beispielsweise, oder das verwaschene Bild, die blassen Farben und die sehr häufig eintretenden verzerrten Perspektiven. Außerdem bieten sich dem Zuschauer zahlreiche groteske Szenen, die ein ums andere Mal sehr ernsthafte Situationen, wie eine Beerdigung, ins Lächerliche zu ziehen scheinen. Die sprunghafte Veränderung der Reihenfolge der Ereignisse, die man aus der Goetheschen Vorlage kennt, kann indes als künstlerische Freiheit gewertet werden. Der ganze Film ist Kunst und ich für meinen Teil habe wenig verstanden, oder richtig gedeutet. Wer hier lediglich eine filmische Adaption des Theaterstücks erwartet, wird enttäuscht werden. Der Film wurde zwar komplett in deutscher Originalsprache gedreht, nutzt aber selten den Originaltext. Hin und wieder gibt es Zitate, die jedoch unvollständig und teilweise an den falschen Stellen zum Besten gegeben werden. Nicht aber, dass hier eine oberflächliche Auseinandersetzung mit der Vorlage diagnostiziert werden darf; Sokurov scheint sich sogar sehr intensiv mit dem Text beschäftigt zu haben. Kenner des Stückes finden zahlreiche Zitate und Elemente wieder, die sogar auf den zweiten Teil der Tragödie hinweisen. Doch auch hier scheint man sich zu viel vorgenommen zu haben, denn weder der erste Teil, noch der zweite Teil sind hier vollständig umgesetzt. Alexander Sokurov hat einen sehr speziellen Stil, und den zieht er kompromisslos durch. Das jemand so etwas heutzutage noch in diesem Ausmaß wagt, ist beeindruckend, leider führt es dazu, dass man größtenteils verwirrt im Kino sitzt und angestrengt auf den Moment wartet, in dem sich alles klärt. Dieser Moment kommt leider nicht und alle Offenheit gegenüber dem Künstler nützt nichts. Man versteht es einfach nicht.

„Faust“ ist wie ein Fiebertraum von einem Film. Es ist, als wollte der Regisseur zunächst viel mehr darstellen, als es in diesem speziellem Stil möglich ist und nach der Hälfte des Films kürzt er dafür prägende Handlungsstrecken heraus. Hat sich Sokurov zu viel vorgenommen und am Ende lediglich versucht, zu retten, was zu retten ist? Ist sein Konzept dem falschen Ansatz gefolgt? Oder wollte er wirklich, dass der Film genau so ist, wie er ist? Bin ich vielleicht einfach durch dieses Monstrum an Kunst überfordert gewesen? Wahrscheinlich, denn der Film wurde auf den renommierten Filmfestivals weltweit im vergangenen Jahr mit Preisen überhäuft. Soll man sich diesen Film nun ansehen? Ich sage, ja. Vielleicht ist es Kunst, die erst dadurch zur Kunst wird, dass sie betrachtet wird. So ähnlich, wie die Mona Lisa. Ganz im Ernst, aber wirklich schön ist sie nicht und trotzdem gucken sie alle an.

Faust (RU / D / Ö, 2011): R.: Alexander Sokurov; D.: Johannes Zeiler, Anton Adsinsky, Georg Friedrich, u.a.; M.: Andrey Sigle; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

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Donnerstag, 19. Januar 2012

Verblendung

„Manche Bücher sollte man einfach nicht verfilmen“, war das Fazit einer Diskussion, die ich mit Hans vor einigen Jahren hatte. Es ging damals um den ersten Teil der Millenium-Trilogie, der unter der Regie von Niels Arden Oplev im Winter 2009 in den deutschen Kinos lief. Dass eine Produktion, die eigentlich für das Fernsehen gedacht war, den hohen Erwartungen nicht gerecht werden konnte, die man nach Lesen der Romane vielleicht gehabt haben könnte, war eigentlich weniger überraschend. Die große Überraschung folgte etwa ein Jahr später, als zum ersten Mal verlautbart wurde, dass David Fincher derzeit sehr an der Verfilmung der Trilogie interessiert sei, und das, noch während die schwedische Version im Kino lief. Nun ist es soweit und „Verblendung“ läuft in den deutschen Kinos. Schon wieder.

Die Story hat sich nicht verändert. Mikael ist Journalist bei „Millenium“, einer Zeitschrift, die vorwiegend politische Skandale aufdeckt und mächtige Männer in Misskredit bringt. Bei seinem letzten Streich hat Mikael allerdings nicht aufgepasst. Er wurde hereingelegt und hat nun eine Verleumdungsklage am Hals. Einer der reichsten Männer des Landes, Henrik Vanger, bietet ihm Hilfe an, wenn Mikael für ihn das rätselhafte Verschwinden seiner Nichte vor 40 Jahren aufklärt. Die Vanger-Familie ist allerdings voller Intrigen; die Familienmitglieder reden aus unterschiedlichen Gründen nicht miteinander und so wird es dem gebrandmarkten Journalisten nicht eben einfach gemacht. Die Hilfe kommt von Lisbeth Salander, einer sozialen Außenseiterin und Ermittlerin. Ihre Stärken liegen im virtuellen Ausspionieren der Opfer. Zusammen ergründen sie den Fall und stoßen auf ein grausiges Geheimnis.

Es ist irgendwie merkwürdig, weil man die ganze Zeit das Gefühl hat, einen Film zu sehen, den man schon kennt, aber irgendwie auch nicht. Auch, wenn David Fincher behauptet, er hätte die schwedischen Filme nicht gesehen und sich lediglich an Hand der Buchvorlage orientiert, geschehen so unglaubliche Dinge, wie die verblüffende Ähnlichkeit zwischen den beiden Harriets. Das Haus der Vangers sieht genau so aus. Die Einstellung von Mikael an der Jagdhütte ist fast die gleiche, ebenso, wie die in der Vergwaltigungsszene. Als Erklärung für die doch recht große Ähnlichkeit der beiden Filme dient der Umstand, dass viele Mitglieder der Stockholm-Crew schon damals mit gearbeitet hätten. Natürlich sieht alles ähnlich aus, aber irgendwie wirkt alles noch ein bisschen intensiver. Fincher macht alles etwas runder und eleganter. Die Bilder sind einprägsamer, die Story hat mehr Platz, sich zu entfalten und die Figuren wirken gründlicher ausgearbeitet. Hier spielen auch die Interpretationen der beiden Hauptdarsteller, Daniel Craig und Rooney Mara eine große Rolle. Mikael zeigt echte Angst und verspürt stets starke Unsicherheit, sobald es ums Handfeste geht. An solchen Stellen tritt im Regelfall Lisbeth Salander auf, die aber auch hier weniger hart und kalt wirkt. Auch ihre menschlichere Art macht diese Figur tiefgründiger, als in der schwedischen Verfilmung. Das größte Problem taucht tatsächlich erst dann auf, wenn man sowohl die Romane kennt, als auch die früheren Filme gesehen hat. Für diejenigen gibt es nämlich keine neuen Erkenntnisse und es kommt selten Spannung auf. Man weiß eben einfach schon, wer der Mörder ist. Selbst, wenn man es vorher vielleicht vergessen hat, fällt es einem wieder ein, sobald der Film beginnt.

„Verblendung“ hat auch in seiner Neuauflage nichts von der Faszination, die diese beiden sehr speziellen Hauptcharaktere ausüben, eingebüßt. Alles ist besser und aufwändiger produziert, die Musik ebenso eindringlich, wie der überraschend ästhetische Vorspann. Daniel Craig ist ein guter Schauspieler und David Fincher ein guter Regisseur. Wer noch nie Kontakt mit Stieg Larssons Romanen oder den früheren Verfilmungen hatte, wird hier sehr viel Aufregung und Spannung finden und wahrscheinlich die ein oder andere schlaflose Nacht erleben.

The Girl With The Dragon Tattoo (USA, 2011): R.: David Fincher; D.: Daniel Craig, Rooney Mara, Christopher Plummer, u.a.; M.: Trent Reznor; Offizielle Homepage

In Weimar: CineStar

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Donnerstag, 12. Januar 2012

Neustarts ab dem 12. Januar 2012

Verblendung
David Fincher hat sich an die erneute Verfilmung der Millenium-Trilogie von Stieg Larsson gewagt. Weil die Filme in Europa sehr erfolgreich waren, sich die amerikanischen Zuschauer aber nicht gerne europäische FIlme ansehen, wurde jetzt also ein Remake mit amerikanischen Schauspielern - namentlich Daniel Craig und Rooney Mara - produziert. Doch Halt! Es ist ja gar kein Remake sondern eine Neuinterpretation der Buchvorlage. Dass es natürlich trotzdem eine gewisse Ähnlichkeit mit den schwedischen Filmen geben wird, ist irgendwie klar.
Wer sich also die ungeschwedete Version von Stieg Larssons Bestseller-Romanen ansehen möchte, sollte das ab heute in den deutschen Kinos tun.

Offroad
Deutsche Genrefilme haben es schwer. Letztes Jahr kreppierte der Endzeit Thriller "Hell" jämmerlich an den Kinokassen und etwaige Tarantinoverschnitte, wie "Bang Boom Bang" und Ähnliches haben es nie geschafft, eine nennenswerte Fangemeinde um sich zu versammeln.
Nora Tschirner macht sich in diesem waschechten Roadmovie auf eine Tour in einem geklauten Auto voll mit Koks.
Action, Spannung und staubige Straßen gibt es also ab heute in den deutschen Kinos.

Reality XL
Wo wir gerade von deutschen Genrefilmen gesprochen haben, fällt uns doch glatt noch ein Titel ein. "Reality XL" erzählt von merkwürdigen Vorkommnissen in einem Physiklabor. Nach Ende einer Schicht kommt nur noch ein Vertreter des diensthabenden Teams aus dem Raum mit dem Teilchenbeschleuniger wieder heraus. Der wird natürlich befragt und verstrickt sich dabei immer mehr in wiedersprüchlichen Aussagen. Oder verschwimmt hier eher die Grenze zwischen Einbildung und Realität?
Gruslige Schockeffekte und Psychospielchen mit Heiner Lauterbach - ab heute in den deutschen kInos.

Ziemlich beste Freunde

Die große Hoffnung der deutschen Kinobetreiber, dass das Neujahrstief nicht eintrifft, scheint sich auch diesmal wieder zu erfüllen. Im vergangenen Jahr hatten wir an dieser Stelle etwa ein „Black Swan“, der weder Zuschauer noch Betreiber enttäuscht haben dürfte. Und diesmal haben wir einen französischen Film. Das finde ich spannend. Französische Filme waren in den letzten Jahren nämlich entweder liebenswerte, manchmal ein bisschen zu alberne Komödien, oder es waren super harte Horror- oder Folterfilme, ala „Martyrs“ oder „Frontier(s)“. Man muss nicht lange überlegen, in welche Schublade wohl der neue Film der Regisseure Eric Toledano und Oliver Nakache „Ziemlich beste Freunde“ gehört.

Philippe ist ein sehr reicher, aber vom Schicksal gebeutelter Mann. Er hat ein sehr großes und luxuriöses Haus, kann diese aber nur mit dem Rollstuhl erkunden, denn er ist vom Hals abwärts gelähmt. Da er einen schwierigen Charakter zu haben scheint, hält es das Pflegepersonal oft nicht lange bei ihm aus. Besonders die Pfleger, die sich Tag und Nacht um seine Bedürfnisse kümmern müssen und somit 24 Stunden am Tag mit ihm verbringen, werfen häufiger denn je das Handtuch. Eines Tages lädt Philippe wieder zahlreiche Bewerber ein, die allesamt hoch motiviert und vorbereitet ins Vorstellungsgespräch kommen. Nur Driss ist alles egal, denn er taucht dort nur auf, weil er für das Arbeitsamt eine Unterschrift braucht. Philippe hat das Gefühl, dass Driss der einzige Bewerber ist, der ehrlich gewesen ist und will ihm eine Chance geben. Driss wird der neue persönliche Pfleger von Philippe. Zumindest auf Probe. Sträubt sich Driss zunächst noch, geht er zunehmend in seiner Rolle auf. Gleichzeitig wirbelt er Philippes Leben und Ansichten ordentlich durcheinander. Doch der merkt, dass ihm das gefällt und er schon viel zu lange auf Abwechslung verzichtet hat. Tatsächlich werden die beiden nach einer Weile ziemlich beste Freunde.

Französische Komödien haben ihren ganz eigenen Charme. Besonders die der letzten Jahre aus der Feder eines Kad Merad oder Dany Boon, haben einen ganz eigenen Stil, der irgendwie entrückt und weltfremd wirkt und zusätzlich immer wieder übertriebene Slapstickeinlagen kredenzt. Und ganz ehrlich gesagt, geht mir genau dieser Stil auf die Nerven. Ich habe keine Lust mehr auf vertrottelte arme Schweine, die sich in unmögliche Situationen bringen und dabei unglaublich viel Spaß haben. Ich will keine überzeichneten Figuren mehr haben, die man im wahren Leben nie antreffen würde. Warum fällt es den Franzosen so schwer, ganz normale Filme zu machen? Warum müssen sie es immer übertreiben - auf die eine oder andere Art? Und da kommt „Ziemlich beste Freunde“ daher, der doch tatsächlich endlich mal anders ist. Der typische französische Unterton ist nicht zu spüren. Der Film fängt sogar ziemlich amerikanisch an, mit einer spektakulären Verfolgungsjagd. Die Figuren wirken gründlich ausgearbeitet und brauchen eben nicht diese übertriebene Attitüde, um deren Oberflächlichkeit zu kaschieren. Sie sind schlicht, aber nicht einfallslos. Hier treffen zwei extrem unterschiedliche Menschen auf einander und allein die Unterschiedlichkeit ist komisch. Die Regisseure lassen diese Konstellation für sich arbeiten und provozieren keine übertriebenen oder unrealistischen Gagfeuerwerke. Die Situation an sich reicht diesem Film völlig aus und bietet obendrein genug Raum für eine gut platzierte und nicht unpassende Ernsthaftigkeit.

„Ziemlich beste Freunde“ bringt frischen Wind in de Gestade der ehrwürdigen französischen Komödie. Der Film wagt einfach den Blick über den Tellerrand und macht dabei eine wesentlich bessere Figur, als die letzten Werke der Monsieurs Boon und Merad. Eine kurzweilige und sehenswerte, sehr sympathische kleine Komödie, die den französischen Film zwar nicht allein zu retten vermag, ihm aber einen Schubs in die richtige Richtung gibt. Wegen einer speziellen Szene, die unter anderem mit Frisuren und Bärten zu tun hat, soll der Film übrigens jetzt in Frankreich auf den Index. Das beste Zeichen, dass hier alles richtig gemacht wurde.

Intouchables (F, 2011):R.: Nakache & Toledano; D.: Francois Cluzet, Omar Sy, Audrey Fleurot, u.a.; M.: Ludovico Einaudi; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus, CineStar

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Donnerstag, 5. Januar 2012

Neustarts ab dem 5. Januar 2012

Das Jahr geht los und startet etwas schüchtern mit einigen nicht ganz so großen Titeln. Vielleicht ist das aber auch nur das Atemholen, bevor es richtig kracht.

New Kids Nitro
Los geht's mit einer Fortsetzung. Die Holländische Oberprollkomödie "New Kids Turbo" handelte damals von fünf Jugendlichen in ihrem kleinen friesländischem Dörfchen, die allerlei Blödsinn angestellt haben und vor allem nicht mit entsprechend dumm-prolligen Sprüchen gegeizt haben. Gemäß allen Fortsetzungsregeln wird das ursprüngliche Konzept einfach breit gewalzt. Alles ist noch blöder, alberner, noch prolliger.
"New Kids Nitro" ist sehr spezieller Humor, aber wer keine Lust auf Feinsinnigkeit hat, und lieber mit presslufthammerartigen Kettensägen schwingenden Mettwurstattitüden vorlieb nimmt, ist hier genau richtig.

Desweiteren starten heute noch zahlreiche kleinere Filme, deren Bedeutung man schlicht nicht überbewerten sollte. Die wichtigsten aber hier nochmal im Überblick.

Ziemlich beste Freunde- Eine französische Komödie um einen Querschnitzgelähmten und dessen eher unorthodoxer Pflegekraft. Dazu in der nächsten Woche mehr.

Chinese zum Mitnehmen - Wieder eine Komödie um einen Pedanten, der gerne spekatukläre Zeitungsartikel sammelt und eines Tages unverhofft auf einen Chinesen trifft...
Klingt komisch? Ist auch komisch.

Jonas - Chrisztian Ulmen drückt als pickeliger pubertierender Teenager noch einmal die Schulbank. Man lernt halt nie aus...

Der Gott des Gemetzels

Und damit beginnen wir das Kinojahr 2012, welches natürlich noch tausendmal besser werden wird, als das vergangene Jahr. Uns erwarten zahlreiche Fortsetzungen, denn Hollywood wagt es derzeit nicht, irgendwas Neues zu etablieren. So werden also die erfolgreichsten Filme des Jahrzehnts mehr oder weniger gut fortgesetzt. Ob es an der Apokalypse liegt? War Roland Emmerichs „2012“ so eindrucksvoll, dass tatsächlich alle Leute denken, die Welt würde untergehen?
Egal! Bevor wir uns so richtig ins neue Jahr stürzen widmen wir uns kurz einem Film, der gerade noch so im Jahr 2011 angelaufen ist. Es ist der neue Film eines Regisseurs, der sich schon teuflischen Dämonen, komischen Vampiren und noch komischeren Piraten gewidmet hat. Er hat aber auch die Kunst des Kammerspiels absolut perfektioniert und inszenierte zum Beispiel ein beklemmend, faszinierendes „Der Tod und das Mädchen“ Nun meldet er sich in seiner Königsdisziplin zurück und bringt ein zeitgenössisches Theaterstück auf die Leinwand. Hier kommt „Der Gott des Gemetzels“

In einer kleinen, gemütlichen Wohnung mitten in New York treffen sich die Ehepaare Longstreet und Cowan. Es gilt, ein ernstes Thema aus zu diskutieren. Der Sohn der Cowans hat dem Sohn der Longstreets im Streit zwei Zähne ausgeschlagen. Ganz klar, dass diese Angelegenheit geklärt werden muss. Obwohl die beiden Paare sehr unterschiedlich sind, gelingt eine höfliche und gepflegte Konversation. Das begeistert Michael Longstreet dermaßen, dass er die Cowans sogar noch zum Kaffee trinken einlädt. Der Cobbler wird aus dem Kühlschrank geholt und der Espresso kredenzt. Smalltalk wird immer wieder durch eingehende Anrufe auf Mr Cowans Handy unterbrochen. Der ist nämlich Rechtsanwalt und vertritt derzeit ein großes Pharmaunternehmen. Allerdings scheint es mit dem neuen Produkt der Firma einige Probleme zu geben. Während der Telefonate herrscht stets unbehagliches Schweigen seitens der Anwesenden. Und dann schaukelt sich die ganze Situation hoch. Immer wieder hängt sich der Anwalt an bestimmten Formulierungen von Mrs Longstreet auf, der Vater des Geschädigten versucht, die Wogen zu glätten und plaudert über seinen Job als Klospülungsvertreter, was den Anwalt wiederum dazu provoziert, sich über ihn lustig zu machen. Die Mütter wollen beim Thema bleiben und geraten dabei immer heftiger aneinander, auch wenn sie zunächst ihr Interesse für Kunst teilen – und dann doch nicht mehr. Alles eskaliert, als zum hundertsten Mal das Handy von Mr Cowan klingelt.

Roman Polanski wird stets eine etwas verrückt lustige Haltung nachgesagt. Woher dieses Image genau kommt, kann man nur vermuten. Sicher, seine Vampirparodie war enorm witzig und auch sein Ausflug in die Weiten des piratenverseuchten Ozeans entbehrte nicht einer gewissen Komik. Doch immer wieder präsentiert er uns ernsthafte und ernst zu nehmende Arbeiten. Abgesehen von irgendwelchen Skandalen und Gerichtsverhandlungen, die diesen Regisseur vielleicht heimsuchen, ist er ein guter Handwerker und ein Meister der schlichten und intensiven Inszenierung. Das mag auch daran liegen, dass seine kreativen Ursprünge eher auf der Theaterbühne liegen und nicht hinter der Kamera. Bei „Der Gott des Gemetzels“ haben wir alle Zutaten für ein spannendes Kammerspiel. Vier sehr gute Schauspieler in einem - oberflächlich betrachtet - geschmackvoll eingerichtetem Wohnzimmer, ein heikles Gesprächsthema und jede Menge festgefahrene Meinungen und Ansichten. Okay, wahrscheinlich hätte jeder Regisseur mit ein bisschen Verstand im Kopf daraus ein spannendes Kammerstück machen können. Wichtig ist hier die Idee und der Mut, so etwas heutzutage überhaupt inszenieren zu wollen. Es passiert - oberflächlich betrachtet - tatsächlich nicht viel. Der unbedarfte Zuschauer denkt vielleicht: „Die labern eineinhalb Stunden lang nur und gehen nicht mal vor die Tür. Stinklangweiliger Mist!“ Aber die Dynamik der Beziehungen untereinander und die Charakterentwicklung passiert so subtil und realistisch und man hat die ganze Zeit das Gefühl, man kenne das von selbst geführten Diskussionen. Die Charaktere sind natürlich ganz klar gezeichnet und in dieser etwas naiven Form sogar überzeichnet. Aber nur mit derartig eindeutigen Charakterzügen funktioniert dieser Film auch so gut und wir haben die nötige Dynamik, die es braucht, um es eben nicht langweilig werden zu lassen. Klar, dass sehr viel von dieser Wirkung durch die Leistung der vier Darsteller erzielt wird. Auch, wenn mir persönlich Christoph Waltz am besten gefallen hat, kann man nicht sagen, dass einer besonders herausfällt. Alle spielen gleich gut.

„Der Gott des Gemetzels“ ist ein Spiegel. Er zeigt uns, was vermutlich tagtäglich in Millionen von Wohnzimmern statt finden kann. Es ist bitterböse und unterhaltsam zugleich. Die Kultiviertheit und Zivilisiertheit, die wir uns so – Gott verdammt nochmal - hart erarbeitet haben, ist mit einem Glas Scotch, oder eben einen Stockhieb weg gewischt. Großartig. Genau das Richtige, um für den Weltuntergang in Stimmung zu kommen.

Carnage (USA, 2011): R.: Roman Polanski; D.: Kate Winslet, Jodie Foster, Christoph Waltz, John C. Reilly, u.a.; M.: Alexandre Desplat; Offizielle Homepafge

In Weimar: lichthaus

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