Freitag, 30. April 2010

Schwerkraft

Das Leben läuft meistens nach einem bestimmten Plan ab. Also zum Beispiel: Kindergarten, Schule, Bund, Studium, Job in der Bank, Ende. Es ist gut, wenn man einen Plan hat, der funktioniert, blöd nur, wenn man einen Punkt vor „Ende“ merkt, dass der Plan ganz und gar nicht das Richtige für einen ist und zudem noch dafür sorgt, dass man keinen Platz für unerfüllte Träume haben kann. Viele Menschen fügen sich dann dem Gedanken, ein Scheißleben zu haben und kompensieren diesen Mangel durch völlig ausgeflippte Hobbies oder Vorlieben. Manche wenige Menschen dagegen flippen einfach nur aus, ohne sich dem Gedanken zu fügen. So, wie Frederik im neuen Film von Maximilian Erlenwein, „Schwerkraft“

Frederik, hat einen biederen Job in einer Bank. Sein größtes Ärgernis am Tag ist, dass er nie einen Parkplatz findet. Außerdem nagt an ihm, dass er schon immer mal nach Island wollte und, dass ihn seine Freundin verlassen hat. Das ist allerdings schon eine Weile her. Eines Tages kommt Herr Schneider in die Bank und Frederik muss ihm mitteilen, dass sein Kredit gekündigt werden muss. Herr Schneider muss etwas ähnliches bereits erwartet haben, denn er legt Hand an und richtet sich kurzerhand selbst. Dieses Ereignis wirft Frederik völlig aus der Bahn und auch, wenn er von vielen Menschen umgeben ist, hat er das Gefühl, von niemanden wirklich verstanden zu werden. Eines Tages trifft er jedoch auf seinen alten Freund Vince. Der kommt gerade frisch aus dem Knast und hat auch wenig Gründe, mit seinem aktuellen Leben zufrieden zu sein. Er will einen eigenen Club eröffnen und braucht Geld. Der eine also aus Geldnöten, der andere aus Gründen der psychischen Kompensation, tun sie sich zusammen, um gemeinsam Reiche Villen aus zu räumen.

Es hat den Anschein, dass die coolsten deutschen Filme dadurch so cool werden, weil sie von großen Genrekollegen zitieren. Mir persönlich gefällt das vielleicht deshalb so gut, weil deutsche Filme für mich immer, wie der ganz normale Alltag aussehen. Die Filmfiguren fahren die gleichen Autos, wie die, die vor meiner Tür stehen; die tragen die gleichen Klamotten, wie ich und gehen im Rewe einkaufen. Wenn in diesem Alltagsbild Dinge passieren, die man aus Filmen kennt, macht das die Filme irgendwie fast echt. Ich glaube, dieser Effekt ist völlig unbeabsichtigt und auf viele Zuschauer wirkt er bestimmt auch völlig anders. Aber Fakt ist: „Schwerkraft“ klaut, zitiert und adaptiert frech, wie Oskar, erzählt dabei aber eine völlig neue und sehr frische Geschichte. Uns begegnen Zitate aus „Fight Club“, „Public Enemy No.1“, oder „Die fetten Jahre sind vorbei“. Regisseur Maximilian Erlenwein packt alles in einen lockeren, nicht all zu übertrieben Rahmen, würzt das ganze mit fetziger Surf-Rock-Tiki-Funk Musik, gräbt ein paar urige Figuren aus und heraus kommt ein kurzweiliger Film über die Wahrheiten des Lebens. Die beiden sehr unterschiedlichen Schauspieler Fabian Hinrichs und Jürgen Vogel spielen auch zwei sehr unterschiedliche Charaktere und allein durch den Kontrast wirken sie realistisch, ohne, dass sich Darsteller und Zuschauer verbiegen müssen.

Und das ist auch schon alles. Das Schöne an „Schwerkraft“ ist die schlichte Inszenierung einer absurden Geschichte. Dieser Spagat gelingt so gut, dass einem die Absurdität gar nicht mehr auffällt. Kein großer Film, dem man eine übergewichtige Bedeutung andichten muss, aber er macht großen Spaß und lädt gar zum wiederholten Genuss ein.

Schwerkraft (D, 2009): R.: Maximilian Erlenwein; D.: Fabian Hinrichs, Jürgen Vogel, Nora von Waldstätten, u.a.; M.: Jakob Ilja; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar.

Dienstag, 27. April 2010

A Single Man

Er ist der typische Brite und prägt dieses Bild im Moment, wie kein anderer Schauspieler. Er ist sympathisch, weil er immer sympathische Rollen spielt. Er ist der perfekte Gentleman, gut aussehend und wenn man seinen Namen hört, fragt man immer erstmal: „Wer ist das?“, obwohl man mit Sicherheit schon einen Film gesehen hat, in dem er mit spielt. In Großbritannien ist er natürlich allseits bekannt, ist aber dennoch nicht in der Königsdisziplin des modernen britischen Kinos aufgetreten („Harry Potter“), denn er war meistens in wichtigen Nebenrollen zu sehen. Jetzt ist er allerdings in einer Hauptrolle zu sehen und hat dafür prompt eine Golden-Globe-Nominierung erhalten. Es geht um Colin Firth in „A Single Man“

George ist Professor an einer renommierten Universität und nicht viele Studenten genießen das Privileg, einen Platz in seiner Vorlesung ergattern zu können. Wegen seiner wichtigen Stellung in der Gesellschaft und der allgemeinen Gepflogenheiten der Zeit, in der George lebt, hält er sein Privatleben allerdings sehr bedeckt. George ist nämlich homosexuell. Vor nicht all zu langer Zeit verlor er seinen langjährigen Lebenspartner Jim bei einem Autounfall. Die Trauer, die er in der Öffentlichkeit verbergen muss, setzt ihm immer mehr zu und er fasst den Entschluss, sein Leben zu beenden. Doch treten hier unerwartete Hindernisse auf. Seine beste Freundin Charley und der junge Student Kenny ahnen, was er vor hat, und versuchen, ihn davon ab zu bringen. Doch haben sie große Schwierigkeiten, zu George vor zu dringen, denn der sieht nur noch die Vergangenheit, die er nicht zurück zu holen vermag.

Tom Ford ist einer, der bekanntesten Modedesigner der Welt. In der Branche wird er „Mr. Cool“ genannt und stattete zum Beispiel Daniel Craig im letzten Bond-Abenteuer mit schicken Anzügen aus. Vielleicht veranlasste ihn das, selbst ins Filmbuissness ein zu treten. Jetzt liefert Ford mit „A Single Man“ seinen Debutfilm ab. Klar, hier ist Skepsis angebracht. Was weiß ein Modedesigner schon von Filmen? Ein Modedesigner weiß, wie man etwas in Szene setzen muss, damit es die Wirkung erzielt, die er beabsichtigt. Die ganzen Klamotten, die bei einer Modeschau gezeigt werden, würden doch nichts besonderes sein, wenn das Licht nicht stimmen würde oder die Musik und natürlich die Menschen, die die Sachen tragen. Und diese Fähigkeit merkt man dem Film auch als erstes an. Es werden mit absoluter Perfektion Bilder inszeniert. Es gibt gleich zu Beginn sehr lange Szenen, in denen kein Wort gesprochen wird und in denen auch wenig geschieht. Diese Szenen sehen einfach nur gut aus. Natürlich werden diese Bilder durch schicke Klamotten und die unvermeidlichen Modells abgerundet, bauen aber zum Glück nicht darauf auf. So schön die Bilder und langsamen Sequenzen, in denen diese Bilder zelebriert werden auch sind, so unbeholfen wirken dagegen die Szenen, in denen die Story voran getrieben wird. Beinahe lustlos werden die Dialoge zwischen George und Charley abgespult und das ein oder andere Gespräch zwischen George und einem Kollegen ist nur peppig, weil es durch lustige Bildeinblendungen untermalt ist. Die ganze Stimmung des Filmes geht in diesen Szenen verloren, oder man fragt sich zumindest, was die Bilder mit der Story zu tun haben sollen. Ja, irgendwie scheinen diese beiden Ebenen des Filmes nicht konform zu laufen. Auch die sehr guten Leistungen von Colin Firth und Julianne Moore können an diesem Eindruck nicht viel ändern, geschweige denn, die wunderschöne Musik von Abel Korzeniowski.

„A Single Man“ ist ein schöner Film, der gekonnt mit seinen Stilmitteln spielt, um tolle Bilder zu zeichnen. Hätte man den gleichen Aufwand und die gleiche Detailliebe in das Erzählen der Geschichte gesteckt, hätte man wirklich einen perfekten Film, der auch noch in vielen Jahren in Erinnerung geblieben wäre. So muss man immer noch fragen: „Wer ist Colin Firth?“

A Single Man (USA 2009): R.: Tom Ford; D.: Colin Firth, Julianne Moore, Nicholas Hoult, u.a.; M.: Abel Korzeniowski; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

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Donnerstag, 15. April 2010

Mal wieder gesehen: Man spricht Deutsh

Ich war vor kurzem mal wieder in Italien. Eine Woche im Frühling in der Toskana. Herrlich! Hier ist der Frühling schon ein paar Tage weiter, die Sonne scheint und es ist schon viel grünes Zeug an den Bäumen. Außerdem ist die Landschaft traumhaft, es gibt fantastisches Essen, leckeren Wein und die Einheimischen sind unglaublich freundlich und freuen sich über jedes zurecht gestammelte Wort in ihrer Muttersprache, das dem Besucher aus Deutschland über die Lippen geht. Dabei sind in manchen Gegenden Italiens die deutschen Touristen gar nicht so beliebt. Der Grund dafür ist ganz einfach: Die Deutschen benehmen sich im Ausland wie die Schweine. Als ich so darüber nach gedacht habe, fiel mir ein kleiner Film ein, den ich vor Jahren mal im Fernsehen gesehen hatte, der absolut schonungslos mit dem Klischee des deutschen Pauschalurlaubers ins Gericht geht und dabei die Wahrheit trifft, wie der sprichwörtliche Hammer den Kopf des gleichfalls sprichwörtlichen Nagels.

Familie Löffler aus Ampermochingen in der Nähe von Dachau („Ja Sie werden doch wohl wissen, wo Dachau ist!“) verbringt ihren Jahresurlaub im italienischen Badeort Terracina. Nach zwei Wochen soll es nun wieder gen Heimat gehen. Weil die Straßen tagsüber hoffnungslos verstopft sein sollen, will man die Nacht durch fahren und den letzten Tag am Strand verbringen. Das Auto steht voll gepackt in Sichtweite und muss stets vom Liegestuhl aus bewacht werden. Familie Löffler ist natürlich nicht unbekannt am Strand. Hier wimmelt es vor lauter anderen Deutschen, die den Strand bevölkern. Während sich also einer der beiden am Strand vergnügt, passt der andere auf das Auto auf, was regelmäßig in absurden Tagträumen endet. Er träumt von heißen Italienerinnen, deren erboste Väter sofort auf ihn schießen und Frau Löffler wird immer wieder von gut aussehenden, charmanten Männern entführt, die allerdings alle einen mächtigen Knacks im Kopf haben.

Der deutsche Urlauber, wie er leibt und lebt, erkennt durchaus die Einzigartigkeit und Schönheit dieses Fleckchens Erde an, akzeptiert aber nicht die Sitten und Gepflogenheiten des Landes, geschweige denn die Tatsache, dass er Gast in einem fremden Land ist. „Wie leichtsinnig, ein voll gepacktes Auto hier ab zu stellen. Hier gibt’s viele Italiener“. Da wird das eigene Essen mit gebracht („Es ist eine Schande, dass dieses begnadete Volk nicht mit Sauerteig um zu gehen weiß“), das Radio mit Bayern 3 am Strand aufgedreht und zum Mittag die Hachse bestellt. Man lernt auch schnell, dass man sich besser nicht mit den Deutschen anlegt, was die Platzverteilung am Strand angeht. Müll, der nun mal anfällt, wird achtlos in alle Richtungen geworfen, Kommunikationsversuche der Einheimischen werden schroff und auf unhöflichste Weise abgeschmettert. Ein ungeheuerliches Bild erschließt sich beim Schauen des Filmes immer deutlicher und man weiß genau, so läuft es wirklich. Gott sei Dank ist es bloß Satire, die selbstverständlich hemmungslos übertreibt. Wirklich? Gehard Polt ist ein Kabarettist und Schauspieler, über den man eigentlich immer lachen kann, und zwar so lange, bis das Gesagte angekommen ist und man plötzlich merkt: Moment! So witzig ist das gerade gar nicht. Das ist kein Witz. Das ist Ernst. Hört sofort alle auf zu lachen! Dieser Mann erzählt die Wahrheit!

„Man spricht Deutsh“ ist ein rabenschwarzer Film, den man kaum noch als Komödie bezeichnen kann, sondern viel mehr als Gesellschaftsstudie. Die kollektive Dummheit sorgt dafür, dass man an vielen Stellen lacht – die Szene in einer großen Prunkvilla in Italien, deren Alarmanlage sofort los geht, sobald jemand im Haus Italienisch spricht zum Beispiel – doch letztendlich lacht man sich selbst aus. Hier ist ein Film entstanden, den man nicht fassen will, denn er ist so wahr, dass es nur Staire sein kann.

Man spricht Deutsh (BRD 1987): R.: Hans Christian Müller; D.: Gerhard Polt, Gisela Schneeberger, Dieter Hildebrand, u.a.

Ausschnitt, imdb, Filmstarts.

Kampf der Titanen

Muskel bepackte Testosterongiganten in spärlicher Kleidung; sie haben Schwert, Schild und Sandalen dabei und mehr brauchen sie auch nicht. Der gute alte Sandalenfilm ist ein schon sehr betagtes Genre, wird aber immer wieder ausgebuddelt und regelmäßigen Frischzellenkuren unterzogen. Interessanter weise dienen diese Filme immer als Sprungbrett für bereits bekannte Schauspieler, die danach entgültig zum Superstar aufsteigen. Zu nennen wäre hier Russel Crowe in „Gladiator“ oder Gerard Butler in „300“. Und jetzt ist Sam Worthington in „Kampf der Titanen“ an der Reihe.

Perseus ist ein einfacher Fischer. Als kleines Baby wurde er von seinem Ziehvater aus dem Meer gerettet und liebevoll groß gezogen. Der kleine Perseus fragt sich zwar immer mal wieder, wo er nun her kommt und wer seine Eltern sind, fügt sich aber enotionslos seinem Los. Er lernt, Fischer zu sein und geht mit stoischer Zufriedenheit dem Fischerhandwerk nach und hat keinerlei Anlass, sich zu beschweren. Eines Tages kommt jedoch seine Familie ums Leben und verantwortlich ist Hades, der Gott der Unterwelt. Hades stiftet nämlich im Auftrag Zeus' Unruhe und Panik unter den Menschen, da diese sich von den Göttern abgewandt haben. In ihrer Panik sollen sie nun wieder beten, denn die Götter leben von Hoffnung und Liebe. Perseus erfährt von Hades, dass er ein Sohn von Zeus höchstselbst ist. Ihm ist das alles egal und er schwört, tödliche Rache an Hades zu üben. Um das zu tun, braucht er ein bisschen Hilfe. Um Hades zu töten, muss man zunächst sein Schoßtierchen - ein gigantischer Krake - töten, der wiederum nur durch den Blick der Medusa einknickt, die ebenfalls kaum freiwillig mit den Augenlidern klappert. Ein wildes Abenteuer beginnt.

"Clash Of The Titans" war 1981 eine mäßige Sensation. Hochkarätige Schauspieler prügelten sich durch einen Film mit dünner Story, aber bahnbrechenden Spezialeffekten. Nun kann man dies eigentlich auch vorbehaltlos über die Neuinterpretation sagen. Wir sehen Liam Neeson und Ralph Fiennes, als rivalisierende Götterbrüdern und Shootingstar Sam Worthington als Perseus. Wir sehen hübsche CGI-Effekte mit Riesenskorpionen, dem wuselnden Schlangen-Wuschelkopf der Medusa und noch mehr wuselnde Riesententakel des Riesenkraken. Alles ist schön, bunt und knallig und macht Spaß zu sehen. Die Story ist..tja...dünn, reicht aber aus, um logisch von einer Actionszene zur nächsten katapultiert zu werden. Das Ende ist allerdings doch einen Tick zu mau geraten und lässt befürchten, dass es absichtlich so gestaltet wurde, um die Tore für eventuelle Fortsetzungen offen zu halten.

"Kampf der Titanen" ist kurz und schmerzlos, unterhält für den Moment und verschwindet beinahe sofort wieder aus dem Gedächtnis. Aber er macht Spaß und man kann ihm keine ernsthaften Mängel vorwerfen. Machen wir kurz den Actionfilmcheck: Klare, simple Story? Check! Coole Actionschauspieler? Check! Action? Check! Alles drin, Perfekt!

Clash Of The Titans (USA 2010): R.: Louis Leterrier; D.: Sam Worthington, Liam Neeson, Ralph Fiennes, u.a.; M.: Ramin Djawadi; Offizielle Homepage

In Weimar: CineStar

Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 live auf Radio Lotte Weimar.

Freitag, 9. April 2010

Up In The Air

Ich verreise sehr gerne. Die Aufregung vor der Reise, darüber, etwas neues zu sehen oder das Packen verbreitet immer wieder eine faszinierende Stimmung. Was ich dagegen hasse, ist das Fliegen. Die Vorstellung, von einem riesigen Haufen Schrott mit irrwitzigem Tempo in die untere Stratosphäre geschossen zu werden, bereitet mir immer wieder Schweißausbrüche und ich bin froh, wenn es vorbei ist, bevor es überhaupt angefangen hat. Von einem Mann, der das Fliegen in jeder freien Minute seines Lebens genießen will handelt der neue Film von Jason Reitman, "Up In The Air" mit George Clooney

Ryan arbeitet für eine Firma, die ihre Mitarbeiter quer durchs Land schickt. Sein Job ist es, Leute zu entlassen. Eine Aufgabe, die Ryan beherrscht, wie kein anderer. Am schönsten findet er allerdings, dass er unentwegt fliegen darf. Das Aus-der-Tasche leben, die Sicherheitschecks, Jetlag und 1-Klasse-Essen; all das sind wichtige Inhalte in Ryans Leben. Am wichtigsten sind allerdings Rabbatpunkte und Meilen, die es zu sammeln gilt. So befremdlich es erscheinen mag, Ryan ist mit seinem Leben vollkommen zufrieden. Dann geschehen zwei Dinge. Eine neue Kollegin hat ein Konzept entwickelt, das vorsieht, die Entlassungsgespräche fortan virtuell über Webcam zu absolvieren. Dadurch werden die Reisekosten der Firma stark gesenkt. Ryan findet diese neuen Ansätze natürlich gar nicht gut, vor allem, weil er gerade eine Frau kennen gelernt hat, die den gleichen Knacks zu haben scheint, wie er selbst.

Jason Reitman ist ein relativ neues Mitgleid der amerikanischen Super-Regisseur-Riege. Sein angenehmstes Merkmal ist seine Schlichtheit. Ein Regisseur, der George Clooney als Hauptdarsteller bekommt, hat viele Gründe, sich feiern zu lassen. Reitmans Filmen merkt man das nicht an. "Thank You For Smoking" war cool und locker; "Juno" erzählte eine schöne Geschichte. In "Up In The Air" werden diese Eigenschafften kombiniert und mit einer nahezu perfekten Inszenierung abgerundet. Man sieht wunderschöne Aufnahmen von amerikanischen Großstädten aus der Vogelperspektive und der Vorspann des Filmes ist in diesem Jahr eindeutig der schönste seiner Art. Und das nicht nur, weil diese kleine Mini-Subkultur im Film derzeit am Aussterben ist. George Clooney und Vera Farminga harmonieren ebenfalls nahezu perfekt. Neben zahlreichen schönen Dialogen ist ein heimlicher Höhepunkt der Rabattkartenvergleich. Trotz der vielen lockeren Witzelein handelt der Film eine ernsthafte Thematik ab, die er allerdings derart elegant einfließen lässt, dass die Tiefgründigkeit ganz heimlich daher kommt. Das ist eine Kunst, die nicht viele Regisseure beherrschen. Witzig sein, ohne lächerlich zu wirken und ernsthaft sein, ohne ins Jammertal zu wandern.
Außerdem prägt der Film auf sehr frische Art und Weise die Ästhetik des Fliegens und der Flughäfen. So, wie sich George Clooney durch Sicherheitsschleusen bewegt, wie ein Fisch im Wasser, bekommt man unvermeidbar auch Lust, zu fliegen.

"Up In The Air" ist ein wunderbarer Film, der durch schöne Bilder und einer lockeren Inszenierung glänzt und George Clooney mal wieder in einer Paraderolle auftreten lässt. Wer ihn derzeit im Kino sehen will, sollte auf "Männer, die auf Ziegen starren" verzichten und stattdessen die Kino-Boing besteigen.

Up In The Air (USA 2009): R.: Jason Reitman; D.: George Clooney, Vera Farminga, Anna Kendrick, u.a.; M.: Rolfe Kent; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar

Montag, 5. April 2010

Ajami

Es ist Ostern. Neben dem fröhlichen Eiersuchen in Eiseskälte und den zahlreichen Familienzusammenkünften, bedeutet das für mich vor allem eins: Urlaub! Konsequenterweise konnte ich mir letzte Woche keinen Film ansehen und rezensieren. Ich bezweifele nicht, dass die italienischen Kinos ein reichhaltiges Angebot liefern, aber mein Italienisch ist nur halb so gut ausgeprägt, wie das Aldo des Apachen, so dass ich mich gegen einen Kinobesuch in Florenz entschieden habe. Einen verstohlenen Blick auf die Filmplakate, der aktuell anlaufenden Filme konnte ich mir dennoch nicht verkneifen. - „Ein Prophet“ mit Tahar Rahmin zum Beispiel, der eine erstaunliche Ähnlichkeit mit Shiah LeBeouf hat, es aber nicht ist, wie ich es in den letzten Wochen immer wieder skandiert habe. So entstehen Gerüchte, weil jemand, der von sich behauptet, Ahnung zu haben, zu faul war, einmal im Internet zu recherchieren. Wie dem auch sei: Um „Ein Prophet“ soll es heute noch nicht gehen. Viel mehr hatte ich vor meinem Urlaub Gelegenheit, einen anderen Film zu sehen, der sich einer altbekannten Problematik annimmt. Nach über einem Jahr Verzögerung läuft er nun endlich in Deutschland: „Ajami“

Es geht um das Leben in Tel Aviv, im Stadtteil Ajami. Hier leben Juden und Moslems in direkter Nachbarschafft. Der Konflikt zwischen Israelis und Pallästinensern spielt aber nur eine hintergründige Rolle und bietet den Rahmen für eine komplexe und spannende Familiengeschichte. Omar zum Beispiel. Sein Onkel betreibt ein Café. Eines Tages stürmt ein bewaffneter Schutzgelderpresser herein und wird prompt von Omars Onkel niedergeschossen. Es stellt sich heraus, dass der Erpresser einer verfeindeten Familie angehört und es entsteht eine unvermeidliche Kettenreaktion. Zunächst wird Omars Onkel selbst niedergeschossen und Omar soll nun auch umgebracht werden. Die einzige Möglichkeit, aus dieser Blutfehde heraus zu kommen, besteht darin, eine große Summe Geld als Wiedergutmachung an die verfeindete Familie zu zahlen. Außerdem geht es um Dando, den Polizisten, der seinen Bruder sucht, der als Soldat zu einem Einsatz aufgebrochen ist und nie wieder gekommen ist. Es geht um Mallek, der illegal aus Palästina nach Tel Aviv eingewandert ist, um hier zu arbeiten, damit er die Krankenhausrechnung seiner totkranken Mutter bezahlen kann. Das sind nur einige der vielen Menschen, denen der Zuschauer in „Ajami“ begegnet.

Für die Regie zeichneten sich die beiden Regisseure Yaron Shanti und Scandar Copti aus, die beide in Ajami aufgewachsen sind. Bemerkenswert ist hier die Tatsache, dass einer Jude und der andere Muslim ist. Dadurch ergibt sich eine einzigartige Perspektive auf die Situation in Tel Aviv, die sich auch immer wieder im visuellen Stil des Films niederschlägt. Das ganze ist mit einfacher Handkamera gefilmt und die Schauplätze sind immer echt. Es wurden keinerlei Kulissen für den Film gebaut. Bei vielen Szenen wurden für die Dreharbeiten nicht mal Straßen gesperrt. Die ausgedachten Figuren agieren also in einer Umgebung, die echter ist, als sie selbst. Und gerade, weil die Umgebung echt ist, wirken einige Szenen und Dialoge ein bisschen zu konstruiert und gekünstelt. Das tut dem Rest des Films allerdings keinen echten Abbruch. „Ajami“ zeichnet ein ultrarealistisches Bild des Lebens in diesem Stadtteil, ohne zu kritisieren, oder zu romantisieren. Das gelingt eben dadurch, dass er das Leben und das Arbeiten einfängt, sowie die ganze undurchsichtige Situation und den alltäglichen Wahnsinn. Die Story wird ein wenig holprig erzählt und man hat sich für eine episodenhafte Dramaturgie entschieden. Das sorgt am Anfang dafür, dass man als Zuschauer Schwierigkeiten hat, in die Geschichte komplett ein zu tauchen. Hat man aber die Verbindungen zwischen den einzelenen Hauptfiguren hergestellt, erschließt sich einem eine spannende und dramatische Familiengeschichte.

„Ajami“ ist ein toller Film, der sich hinter Genrekollegen, wie „Gomorrah“ nicht verstecken muss. Bilder und Story harmonieren perfekt. Einziges Manko ist die deutsche Synchronisation, die möglicherweise wegen zu hohem Zeitdrucks mächtig in die Hose gegangen ist. So toll es ist, wenn bekannte und gute Stimmen zu hören sind, um so ärgerlicher ist es, wenn man lieblose und unmotivierte Sprecher hört. Schade.

Ajami (IL 2009): R.: Scandar Copti & Yaron Shanti; D.:Fouhad Habash, Nisrine Rihan, Elias Saba, u.a.; Offizielle Homepage

In Weimar (noch bis 07,04.2010): Kommunales Kino Mon Ami

Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar