Donnerstag, 27. September 2012

Liebe

Viele regelmäßige Kinobesucher stoßen sauer auf, wenn sie an Kunst im Film oder gar Film als Kunst denken. Das liegt daran, dass die Kunst im allgemeinen immer auf der Suche nach Neuem ist. Die Kunst ist es heute nicht mehr, besonders schön malen zu können, sondern etwas zu machen, was vorher noch niemand gemacht hat. Naja. Zumindest etwas, was vorher noch niemand als Kunst verkauft hat. Das führt dazu, dass die moderne Kunst anstrengend sein kann. Oft genug wird man mit Werken konfrontiert, die man nicht versteht. Und das nervt. Moderne Regisseure, die was auf sich halten, müssen ebenfalls Kunst in ihre Filme einbauen. Gewackel, Unschärfeeffekte, Zeitlupen, Kunst fertig!
Regisseur Michael Haneke dagegen hat sich offenbar nie wirklich um die Kunst als visuelles Mittel geschert. Seine Filme zeichnen sich durch einen sehr realistischen Stil aus, ohne dokumentarisch zu wirken. Seine Kunst ist es, eine Geschichte so intensiv und dicht zu erzählen, dass man sie nie wieder vergisst.

Georges und Anne  sind seit vielen Jahren verheiratet. Sie verbringen ihre Ruhestand in einer schönen Wohnung in Paris. Gemeinsam genießen sie gutes Essen, gehen von Zeit zu Zeit ins Konzert und interessieren sich vor allem für Literatur. Anne hat früher als Klavierlehrerin gearbeitet und einer ihrer Schüler – Alexandre – ist ein weltberühmter Pianist geworden. Nach dem Konzertbesuch eines Abends geschieht etwas merkwürdiges. Anne sitzt plötzlich ganz starr da und reagiert auf nichts mehr. Georges ruft ihren Namen und schüttelt sie, doch sie ist vollkommen weg. In größter Sorge will Georges mit ihr zum Arzt. Da erwacht sie plötzlich und ist wieder, wie vorher. Sie kann sich nicht einmal mehr daran erinnern, was geschehen ist. Georges kann sie überreden, zum Arzt zu gehen. Dort wird eine verstopfte Arterie diagnostiziert und eine Operation wird anberaumt. Während der OP geht allerdings etwas schief und Anne erleidet einen Schlaganfall. Von nun an ist sie halbseitig gelähmt und Georges muss sie pflegen. Da Anne Krankenhäuser verabscheut, geschieht das bei ihnen zu Hause.
Der Alltag des Ehepaares ist von nun an von neuen Ritualen geprägt. Bei allem braucht Anne Georges Hilfe. Die ehemals so resolute und selbstständige Frau leidet sehr unter ihrem Zustand und das lässt sie ihren Mann spüren. Auch Georges leidet, und weiß bald nicht mehr, was er noch tun soll. Bei allem, was er versucht, scheint sich Anne immer weiter von ihm zu entfernen. Eines ist für ihn jedoch zu jedem Zeitpunkt klar. Er liebt seine Frau.

Eines haben alle Filme von Haneke gemeinsam: Immer, wenn ich aus dem Kino komme, bin ich vollkommen platt. Der Regisseur vermag es, die Kernbotschaft seines Filmes so klar zu definieren und vor allem darzustellen, dass man an nichts anderes mehr denken kann. Wie schon am Anfang erwähnt, verschleiert sein Stil nichts durch irgendwelche unpassenden künstlerische Einwürfe, sondern zeigt absolut alles auf eine ganz klare Weise. In einigen Filmen hat Haneke eine ganz eigene Weise bei der Darstellung von Gewalt entwickelt. In „Funny Games“ zum Beispiel gibt es keine explizite Gewaltdarstellung. Viel mehr bleibt die Kamera vor der Tür und man hört höchstens einige Geräusche. Der Zuschauer kann sich also nur vorstellen, was passiert. Das hat eine derart starke Wirkung, die das gezeigte Bild niemals erzielen könnte.
In „Liebe“ ist es so ähnlich. Den eigentlichen Krankheitsverlauf sieht man nicht. Es wird darüber geredet und das eigentlich schockierende ist, dass man den zunehmend schlechter werdenden Zustand Annes mitbekommt. Georges Verzweiflung wird – bis auf eine Schlüsselszene -  auch nie direkt dargestellt. Man merkt ihm aber an, wie sehr er damit zu kämpfen hat. Die beiden Schauspieler füllen ihre Rollen sehr präzise aus. Sie spielen eben nur so viel, wie nötig ist, um die Figuren der etwas abstrakt wirkenden Metaebene des Konstrukts eines Filmes anzupassen. Eigentlich sehen wir echte Menschen, mit echten Emotionen in einer Situation, die ebenfalls hundertprozentig realistisch ist. Es lässt sich im Grunde gar nicht beschreiben, was denn nun so eindrucksvoll an diesem Film ist und warum es so besonders ist, etwas im Kino zu sehen, das im Grunde alltäglich ist. Vielleicht liegt es daran, dass die meisten Filme künstlich wirken, weil sie nun mal versuchen, die Wirklichkeit nachzumachen, oder eben darzustellen. Michael Haneke schafft es nun tatsächlich, die echte Welt in den Film zu holen. Das ist es, was den Film ausmacht. Was der Film inhaltlich und philosophisch bedeutet, muss jeder für sich selbst entdecken.

„Liebe“ ist einmalig. Niemals zuvor habe ich einen ähnlichen Film gesehen. Noch nie war ein Film so nah an der Wirklichkeit, ohne aufgesetzt oder abstrakt zu wirken. Noch nie habe ich so lange gebraucht, um einen Film sacken zu lassen. Mit diesem Film hat Haneke seinen Segen und seinen Fluch geschaffen, denn ich glaube nicht, dass es ihm noch einmal gelingt, ein solches Kunststück zu vollbringen.

Amour (AT/F, 2012): R.: Michael Haneke; D.: Jean-Louis Trintignant, Emmanuelle Riva, Isabelle Huppert, Alexandre Tharaud, u.a.; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

Der Filmblog zum Hören: Jeden Donnerstag, 12:00 bis 13:00 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

Donnerstag, 20. September 2012

Filmkunstmesse Leipzig 2012


Die Filmkunstmesse in Leipzig ist die größte Fachmesse für Arthousekinos in Deutschland.
Die Messe bietet für Kinobetreiber und Verleihfirmen zahlreiche Seminare und Workshops, sich über Strategien bei der Vermarlktung von kleineren Filmproduktionen weiterzubilden.Zusätzlich kann man sich über neue Kinotechnik informieren. Die zunehmende Digitalisierung des Kinos stellt viele kleine Kinos vor das Problem, dass sie nicht wissen, wie das Ganze finanziert werden soll. Der wichtigste Teil der Messe aber sind die FIlme. Viele FIlme, die erst noch in den deutschen kinos anlaufen werden, erleben in Leipzig oft ihre Premieren und in zahlreichen Screenings hat man einfach schon mal die Möglichkeit, die Filme zu sehen und als Kinobetreiber zu entscheiden, ob man sie spielen will.
Und damit sind wir beim interessanten Teil der ganzen Veranstlatung.
Alles, was arthousetechnisch im nächsten halben Jahr auch nur ansatzweise interessant werden könnte, wird hier gezeigt.
So gibt es zum Beispiel die neuen Arbeiten von Francois Ozon und Oliver Stone zu sehen. Fathi Akim ist sogar selbst anwesend und hat seinen neuen Film im Gepäck.
Außerdem läuft die Neuverfilmung von Charles Dickens "Great Expectations" - mit Helena Bonham Carter und Ralph Fiennes - die bereits jetzt schon mit Preisen überhäuft wurde.
Es läuft "Die Jagd", der neue FIlm von Thomas Vinterberg.
Eröffnet wird die Messe von "Die Wand", ein atemberaubender und beeindruckender Solo-Auftritt von Martina Gedeck.
All das läuft und Jan muss draußen bleiben, der aus organisatorischen Gründen noch immer kein Badget um den Hals trägt. Aber das ist ein anderes Thema, über das sich an anderer Stelle mit hochrotem Kopf ereifert wird
Der neue FIlm von Martin MacDonagh steht auf dem Programm und heißt "Seven Psychopaths". Der "Brügge - sehen und sterben"-Regisseur schickt ein hochkarätiges Ensemble in eine turbulente Gangster-Komödie. Wir sehen Colin Farell, Sam Rockwell, Woody Harelson und Christopher Walken. Das Ganze istvöllig überzogen aber mit grandiosen Witzen und spritzigen Dialogen. Ein großer Spaß für Menschen mit einer leichten Affinität zu schwarzem Humor und ein Fest für alle Filmfans. Der Film ist nämlich vollgepackt mit skurillen Zitaten aus dem Actionkino der 70er Jahre.
Hatte ich erwähnt, dass Tom Waits auch mit spielt? Nein? Jetzt sei es erwähnt. Obwohl das eigentlich nicht nötig gewesen wäre. Bei einem Film von MacDonagh, der "Seven Psychopaths" heißt, ist doch eigentlich klar, dass Tom Waits einer von ihnen ist.

Einen ganz anderen Ton schlägt "Lore" an.
Die australische Regisseurin Cate Shortland tut das, was sich offenbar kein deutscher Regisseur traut. Sie präsentiert die filmische Aufarbeitung der unmittelbaren Nachkriegszeit in Deutschland. Lore ist die Tochter eines hochrangigen Nazigenerals. Als die Eltern von den Alliierten abgeholt werden, schnappt sich Lore ihre vier Geschiwster und flieht. Auf dem Weg zur Großmutter quer durch das zerstörte Land, wird Lore mit großen zweifeln an ihrer bisher unerschütterten Überzeugung konfrontiert. Der Film gewährt einen verstörenden Blick auf eine Zeit, über die wir eigentlich gar nicht zu genau bescheid wissen wollen. Auch, wenn viele Dinge nur angedeutet werden, muss man mit Lore schreckliche Dinge durchleben. Selbst Shortland war das wohl alles etwas zu hart, denn sie weicht das ganze ab und zu mit fiebrigen und kunstvollen Einsprengseln auf, die den Zuschauer zwar etwas schonen, aber irgendwie deplatziert wirken. Dennoch ist "Lore" ein sehr beeindruckender Film mit nicht minder beeindruckenden Nachwuchsschauspielern.
Soweit ein kleiner Einblick in die unglaublich große Liste an Filmen, die in diesem Jahr in Leipzig präsentiert wurden.

Auch in ihrer zwölften Ausgabe hat die FIlmkunstmesse in Leipzig wieder gezeigt, wie viel Potential der gesamte Arthouse-Sektor birgt. Überraschendes, Beeindruckendes und viele kleine Filmperlen, die im nächsten halben Jahr laufen werden, lassen das Filmherz höher schlagen und mich regelrecht frohlockend in den kalten winter starten.
Das wird ein Fest...

"Seven Psychopaths" wird in Deutschland, vorraussichtlich unter dem Titel "Sieben Psychos", am 6. Dezember 2012 starten.
"Lore" startet am 1. November 2012. Der Film hat schon jetzt diverse Preise erhalten, unter anderem den Publikumspreis von Locarno. "Lore" wurde außerdem für die Oscars zur Nominierung eingereicht.

Was bleibt

"Der deutsche Film..." Ich habe keine Ahnung, wie viele Rezensionen an dieser Stelle schon mit diesen Worten begonnen haben. Filme aus Deutschland sind wichtig, präsentieren sich aber stets mit einer sehr stark schwankenden Qualität. Es ist also ein Unterschied, ob der Regisseur hinter einem Projekt nun Marcus H. Rosenmüller heißt, oder Til Schweiger. Neben zahlreichen völlig überbewerteten Romantic Commedys aus deutschen Landen, gibt es - Gott sei Dank - immer wieder kleine Perlen, die die große Bürde auf sich genommen haben, die Ehre des deutschen FIlmes zu verteidigen. So auch der neue Film von Hans-Christian Schmid "Was bleibt"

Marko hat es derzeit nicht besonders leicht. Die Beziehung zu seiner Freundin ist grade dabei, in die Brüche zu gehen und Markos Sohn leidet schon jetzt sehr unter der bevorstehenden Trennung seiner Eltern. Dann trudelt eine Nachricht seines Vaters ein. Irgendetwas wichtiges scheint passiert zu sein und die Eltern trommeln die ganze Familie und einige Freunde zusammen, für ein Treffen und eine kleine Feier.
Nachdem alle im Elternhaus eingetroffen sind, stellt sich heraus, dass es eine reine Familienveransstaltung wird und die große Ankündigung eigentlich eher eine Nebenrolle spielt. Der Vater hat seinen erfolgreich laufenden Verlag abgegeben. Gitte, die Mutter von Marko hat allerdings den größeren Hammer auf Lager. Seit vielen Jahren ist sie psychisch schwer krank und hat nun die Medikamente abgesetzt. Sie glaubt, auch ohne sie gut leben zu können. Die Familie ist da anderer Ansicht. Günther - der Vater - hält das für einen großen Fehler und nimmt sich vor, siene Frau noch vorsichtiger zu behandeln. Das wiederum führt dazu, dass Gitte sich ausgeschlossen fühlt. Das alles ist aber nur der Gipfel einer sehr langen und traurigen Familiengeschichte. all das bricht nun über Marko herein, der merkt, dass seine eigene Familie vielleicht noch gerettet werden kann.

Hans-Christian Schmid ist auch ein Regissuer, dessen Arbeiten einer stark schwankenden Qualität unterliegen. "23" zählt unter Fans zu  denausführlichsten Retrospektiven zum Thema Illuminaten und Verschwörungstheorien. "Crazy" wiederum war filmisch eher schwach, hat aber einen unglaublichen Erfolg gefeiert, weil die klischeebeahftete Komödie über kleine Jungs, die auf einem Internat langsam zu großen Jungs werden, bei der Zielgruppe irgendwie genau ins Schwarze getroffen hat. Über den Wahrheitsgehalt solch martialischer Riten, wie Kekswichsen wird noch heute heiß diskutiert.
"Was bleibt" wirkt auf den ersten Blick ganz anders, entpuppt sich aber schnell als perfekte Stilschablone für die Arbeiten von Hans-Christian Schmid.
Der Film fährt den gewohnten reduzierten Stil - unvermeidlich ist natürlich die Wackelkamera - und legt den Fokus auf die Figuren.
Corinna Harfouch ist eine wunderbare Schauspielrin, die ihre Rollen stets enrom überzeugend zu spielen versteht, es aber auch immer wieder sehr verblüffend meistert, ihre ganz persönliche Noite mit einzubringen.
Auch Lars Eidingers Darstellung ist sehr gelungen und es macht große Freude, den Schauspieler bei der Arbeit zu beobachten. Er ist eben einfach ein sympathischer Typ und versteht ebenfalls, diese Eigenschaft in seine Rolle mit einfließen zu lassen.
So positiv diese beiden Schauspieler auffallen, wirkt der Rest des Ensembles irgendwie hölzern und gekünstelt. Viele Szenen im Film sollen sehr alltäglich, also echt, wirken. Durch das hölzerne Spiel einiger Figuren wirkt es aber irgendwie falsch oder unpassend. Man hat nicht den Eindruck, dass die einzelnen Familienmitglieder wirklich unter der Situation leiden. Vor allem Jacob nervt schon fast durch seine komische Gestik, und seine Art zu sprechen klingt, wie auswendig gelernt.
Abgesehen davon ist der Film allerdings sehr rund und erzählt eine traurige Geschichte, die packt und mitfühlen lässt.

Einen dicken Kloß im Hals habend, verlässt man das Kino und ist doch gleichzeitig froh darüber, mal wieder ein solches Erlebnis gehabt zu haben. Filme, die derart gekonnt mit den Emotionen spielen können, gibt es nicht oft. Wenn es sie gibt, dann kommen sie oft aus Deutschland. Mission geglückt?

Was bleibt (D, 2012): R.: Hans-Christian Schmid; D.: Corinna Harfouch, Lars Eidinger, Sebastian Zimmler, u.a.; M.: The Notwist; Offizielle Homepage

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Montag, 10. September 2012

Kineast auf der Filmkunstmesse 2012

Nächste Woche geht es wieder los. Die sympathische Messe für Arthousekino lädt zum 12. Mal nach Leipzig ein. Nachdem ich im letzten Jahr sehr gute Erfahrungen gesammelt habe, wird in diesem Jahr alles ein bisschen anders. Ich habe durch glückliche Umstände die Möglichkeit, wesentlich mehr Filme sehen zu dürfen. Deshalb werden die Beiträge in diesem Jahr etwas anders gestreut. Der Tickercharakter vom letzten Jahr fällt diesmal flach und die Filme, die ich gesehen habe, werden viel ausführlicher besprochen werden. Am 17. September geht's los und ich bin sehr gespannt, was es nach so großartigen Filmerlebnissen im letzten Jahr („Melancholia“, „Drive“, etc.) diesmal zu erleben gibt.

Freitag, 7. September 2012

Total Recall

Da haben wir es doch mal wieder.: Die Einfallslosigkeit erreicht neue Ebenen und man hat sich in Hollywood offensichtlich auf das Neuauflegen von Märchenklassikern festgelegt. Gestern wurde der erste Trailer von „Hänsel & Gretel Hexenjäger“ veröffentlicht und hat für vielerlei Kopfschütteln gesorgt. Es ist kein Wunder, dass angesichts solcher völlig bekloppter Entgleisungen lieber auf Nummer sicher gegangen wird, und man sich auf das Produzieren von Remakes konzentriert.
Besonders das Actionkino aus den späten 80ern und frühen 90ern erlebt derzeit eine Wiederauferstehung, oder eben Leichenfledderei, je nach Ansicht.
Regisseur Len Wiseman, der in der letzten Zeit hauptsächlich durch Leichenfledderei des „Underworld“-Franchise von sich Reden machte und ein eher unterdurchschnittliches „Stirb langsam 4.0“ abgeliefert hatte, geht nun wacklige Schritte in der zwiespältigen Ruhmeshalle der Remakes und läuft derzeit mit seiner Neuauflage des Verhoeven-Trash-Klassikers „Total Recall“ in den deutschen Kinos.

Wir sind in einer düsteren Zukunft. Die Erde ist nach irgendwelchen Kriegen nahezu unbewohnbar. Es gibt noch zwei Flecken, die von Menschen bevölkert sind. Lediglich im ehemaligen Großbritannien und in Australien ist Leben überhaupt noch möglich. In Europa haben es sich die Reichen und Schönen der Welt gemütlich gemacht und auf der anderen Seite der Welt, ist die Arbeiterklasse der neuen Gesellschaft untergebracht. Durch einen großen fahrstuhlartigen Schacht pendeln die Arbeiter regelmäßig quer durch den Planeten, um in riesigen Fabriken zu arbeiten und zu malochen. Dass dieses System nicht nur Freunde hat, ist klar. Besonders in der Kolonie gibt es große Schwierigkeiten mit dem Widerstand, der vom mysteriösen Matthias angeführt wird.
Das kann Kanzler Cohaagen nicht akzeptieren, denn es geht auch um einen Riesenhaufen Geld und Macht.
Douglas Quaid ist ein einfacher Fabrikarbeiter, der aber irgendwie das Gefühl hat, für mehr bestimmt zu sein. Er kriegt diesen Gedanken nicht aus seinem Kopf und auch seine wunderschöne Frau Lori kann ihn nicht so recht trösten. Außerdem wird Doug von merkwürdigen Träumen geplagt. Eines Tages erfährt Doug von einer Firma namens Rekall. Diese Firma hat sich darauf spezialisiert, Erinnerungen zu implantieren, so dass man, zum Beispiel, einen super teuren Urlaub machen kann, ohne wirklich weg zu fahren. Außerdem kann man Dinge tun, die man in der Wirklichkeit nie tun qüesw. Doug besucht Rekall und nach anfänglicher Skepsis entscheidet er sich für ein ganz besonderes Angebot. Er will Geheimagent sein. Das Programm sieht alles vor, was das Herz begehrt.  Eine ausgewachsene Verschwörung, massenhaft böse Jungs, das hübsche Mädchen von Nebenan und die unvermeidliche Femme Fatale. Doug hofft, dass ihm dieses Erlebnis ein bisschen Abwechslung bringt und greift zu. Und damit gehen die Probleme los.

Wie sollte man sich ein Remake angucken? Das hängt im Wesentlichen davon ab, was hier neu aufgelegt wurde. Zu viele Gedanken sollte man sich darüber aber nicht machen. Die meisten Remakes sind nämlich tatsächlich überflüssig und reichen qualitativ sehr selten an das Original. Apropos Original: Bevor man den neuen Film sieht, kann man sich natürlich den alten Schinken ansehen. Dieser Film ist natürlich alt und im Falle eines Science Fiction Filmes ist er technisch längst überholt. In manchen Filmen sieht man, wie man an die Grenzen des Machbaren gestoßen ist und ist vielleicht gespannt, wie man die entsprechende Szene mit moderner Tricktechnik gemacht hat. Beim Betrachten des alten Filmes achtet man auf die Atmosphäre und welche Elemente im Vordergrund sind. Also, was den Film zu dem macht, was er ist.
Im Falle von Paul Verhoevens „Total Recall“ von 1990, sind die prägenden Elemente ganz schnell ganz klar. Aus regelrecht jeder Pore des Films dringt der Koloss Arnold Schwarzenegger. Daneben gibt es eigentlich nur noch Action und eine Frau mit drei Brüsten. Damit sind auch die Prioritäten des Regisseurs dargelegt. Trotzdem gelingt noch der faszinierende Story-Zwist, dass man eigentlich nie so richtig weiß, ob all die Ereignisse nun wirklich stattfinden, oder lediglich in Dougs Kopf.
Len Wisemans Film nun ist viel aufwändiger produziert. Mit beeindruckenden Special-Effects wurde hier eine sehr detaillierte Zukunftswelt geschaffen. Alles ist irgendwie übereinander gestapelt und vermittelt ganz gut den Eindruck einer überbevölkerten Stadt. Einige Ecken sehen zwar exakt so aus, wie in „Blade Runner“, aber das ist okay. Schließlich basiert auch dieser Film auf einer Kurzgeschichte des Blade-Runner-Autoren Philip K. Dick. Die Charaktere sollen viel mehr Tiefe zeigen, als im Original. Das gelingt eher weniger gut und hält eigentlich nur den Flow des Filmes auf. Die Action-Szenen sind sehr schick, allerdings sieht man sich zu schnell an ihnen satt und irgendwann scheint der Film nur noch aus unendlichen Ballereien zu bestehen. Nüchtern betrachtet liefert Len Wiseman also nur Action und die Frau mit drei Brüsten – ohne Arnie. Und damit sind wir beim großen Problem dieser Neuauflage. Schwarzenegger-Filme ohne Schwarzenegger können einfach nicht funktionieren. Durch diesen Darsteller haben alle Filme einen bestimmten Touch bekommen, den man entweder mochte, oder nicht. Arnie gab selbst den allergrößten Mistfilmen noch eine besondere Note.
Egal, was diese besondere Note ausgemacht hat, ernst durfte man das nie nehmen. Aber Len Wiseman nimmt es ernst. Kein hintergründiger Sarkasmus mehr und keine Seitenhiebe auf die heutige Gesellschaft. Keine raffinierte Szene, in der ein Schweißtropfen zum Schlüsselsymbol avanciert. Stattdessen nimmt man lieber Dubstep.
Wie guckt man also am besten ein Remake? In diesem Fall wohl gar nicht.

„Total Recall“ fängt sogar ganz gut an. Der Film bietet einige Ansätze, die er dann aber nicht verfolgt. Technisch beeindruckt Len Wiseman allemal. Er gibt sich so viel Mühe, diese Welt überzeugend aussehen zu lassen und erzielt dabei verblüffende Ergebnisse. Dann lässt er das Potential wirkungslos verpuffen, weil er eben die stumpfsinnige Geschichte eines zwanzig Jahre alten, trashigen Actionfilmes nach erzählen will. Eigentlich - wenn man sich das mal genau betrachtet - ist das eine völlig bekloppte Idee!

Total Recall (USA, CAN, 2012): R.: Len Wiseman; D.: Colin Farrell, Kate Beckinsale, Jessica Biel, Bill Nighy, u.a.; M.: Harry Gregson-Williams; Offizielle Homepage

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