Donnerstag, 24. September 2009

Whisky mit Wodka

„Man wacht nicht eines Tages auf und stellt fest, dass man älter wird. Man stellt fest, dass man schon alt ist“ So sinniert Andreas Dresen durch den Mund seiner Hauptfigur, die müde vom Leben und vom Alkohol am Strand sitzt und verträumt auf das Meer hinaus starrt. Obwohl Dresen erst 46 Jahre alt ist beschäftigt er sich in seinem neuen Film „Whisky mit Wodka“ einmal mehr mit der Thematik des Älterwerdens und dem Altsein.

Otto Kullberg ist Schauspieler. Sein ganzes Leben lang hat er Filme gedreht und ist zu einem echten Original avanciert. Im Laufe der Jahre hat er sich einen festen Ruf erarbeitet und je älter er wird, desto beliebter ist er. Gerade ist er wieder dabei, einen Film zu drehen. Er spielt einen alt gewordenen Casanova, der zahlreiche Affären mit Müttern und deren Töchtern unterhält. Eine Paraderolle also für Otto. Doch neben zahlreichen Star-Allüren hat er sich auch ein ausgewachsenes Alkoholproblem angeeignet und es kommt, wie es kommen muss. Otto bricht während der Dreharbeiten volltrunken zusammen. Regisseur und Produzent werden nervös und der Studiochef trifft eine ungewöhnliche Entscheidung. Es wird ein anderer Schauspieler engagiert, Nun sollen alle Szenen doppelt gedreht werden. Einmal mit Otto und dann noch einmal mit dem wesentlich jüngeren Ersatzschauspieler. Zum einen will man damit die Produktion retten, falls Otto noch einmal zusammenbricht, zum anderen soll der Star motiviert werden, sein bestes zu geben, damit er nicht aus dem Film geschnitten wird. Und so kommt es auch. Es beginnt eine Art Duell und Otto wächst über sich hinaus und verschwendet keine Gelegenheit, dem jüngeren Darsteller in die Scharade zu fahren.

„Whisky mit Wodka“ erzählt eine schöne Geschichte, die durch zwei sehr unterschiedliche, aber charismatische Figuren getragen wird, die im Grunde nur eine ältere und eine jüngere Version der gleichen Figur darstellen. Das Thema des Älterwerdens ist allgegenwärtig. Otto wird immer wieder mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Ob es nun heißt, früher sei er viel besser gewesen, oder ob er mit seiner Schauspielerkollegin alte Plätze aufsucht, die sie früher, als sie noch zusammen waren immer besucht haben. Und natürlich kommt Otto durch die Begegnung mit seiner quasijüngeren Version sehr ins Grübeln. Auch wenn die Figuren durch ihre fantastischen Darsteller (Henry Hübchen und Corinna Harfouch) sehr authentisch entwickelt werden, geht die eigentliche Botschaft des Films leider ein bisschen unter. Das ist der Umgebung und der Rahmenhandlung geschuldet. Es geht um das Drehen eines Filmes und somit werden dem Zuschauer stets detaillierte Blicke hinter die Kulissen gewährt. Das nimmt allerdings ein bisschen überhand und man ist ständig von der eigentlichen Handlung abgelenkt. Die Pappkulissen und Scheinwerfer sind praktisch allgegenwärtig und zerstören zu oft die Stimmung. Es ist mal wieder Zeit für den geflügelten Satz, dass an dieser Stelle weniger mehr gewesen wäre. Auch wenn es diesmal nicht um übermäßig eingesetzte CGI-Effekte geht, ist es doch wieder die äußere Form der mehr Zeit und Aufwand gewidmet wurde, als der eigentlichen Geschichte. Etwas, dass man bei Dresen nach „Wolke 9“ nicht unbedingt erwartet hätte.

„Whisky mit Wodka“ ist aber weitaus mehr als nur ein weiterer Film mit „W“. Er erzählt eine schöne Geschichte, zeigt einen glänzenden Henry Hübchen, bei dem es immer Spaß macht, ihm zu zu sehen und hat sich eben nur ein wenig bei der Verteilung von äußerer und innerer Präsentation verkalkuliert.

Whisky mit Wodka (D 2009): R.: Andreas Dresen; D.: Henry Hübchen, Corinna Harfouch, Sylvester Groth, Markus Hering; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12.25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar.

Donnerstag, 17. September 2009

District 9

Es ist doch eigentlich ein alter Hut. Ein schöner, sonniger Tag; niemand denkt etwas böses. Plötzlich schiebt sich ein riesiges Objekt vor die Sonne und ein bedrohlicher Schatten wandert über die Stadt. Außerirdische Wesen sind angekommen und sie wollen die Erde zerstören und die Menschheit versklaven. Ganz klar. Doch wir werden uns nicht ergeben, sondern wir werden kämpfen und den außerirdischen Aggressor vor die Tür setzen. Oder auch nicht? Dass es manchmal doch anders kommen kann, als man immer denkt, und der Spieß auch sehr schnell umgedreht werden kann, kann man jetzt wieder mal feststellen, wenn man sich den neuen Film von Neill Blomkamp, „District 9“, ansieht.

Das Unfassbare ereignet sich in Südafrika und zwar genau über Johannesburg. Ein riesiges Raumschiff bleibt über der Stadt schweben und rührt sich nicht mehr. Nach kurzer Zeit schickt die Regierung bewaffnete Einsatztrupps nach oben. Im Inneren des Schiffes finden sich ungefähr 2 Millionen Aliens, die alle sehr geschwächt und krank sind. Aus unbekannten Gründen sind sie auf der Erde gestrandet und sind außer Stande, wieder weg zu fliegen. Es wird schnell reagiert und ein Flüchtlingslager für die Fremden direkt unter dem Schiff eingerichtet. Werden die Außerirdischen zunächst noch freundlich aufgenommen und schnelle Hilfe geleistet, spitzt sich die Lage im und um das Lager zu. Es kommt zu Übergriffen und zahlreichen Verbrechen, an denen Aliens beteiligt sind. Außerdem wird das Lager zu einem riesigen Slum, in dem sich auch das organisierte Verbrechen nieder lässt. Die Regierung beauftragt nun den Konzern MNU mit der Räumung von District 9 und der anschließenden Umsiedlung der Aliens in ein Lager weit vor der Stadt. Gesagt getan. Ein bewaffnetes Räumkommando dringt in das Lager ein und geht recht brachial gegen die Fremden vor. Viele der Außerirdischen verstehen nicht, warum sie plötzlich dort weg sollen. Hinzu kommt, dass MNU der weltgrößte Waffenhersteller ist. Die Motive sind also höchst fragwürdig und die brutale Durchführung der Räumung löst allgemeinen Unmut bei der Erdbevölkerung aus.

Neill Blomkamp hatte große Schwierigkeiten, ein Studio für die Produktion zu finden. Also fragte er Peter Jackson um Rat. Der nahm einige Änderungen am Drehbuch vor, so dass die Story in der Kontinuität des Computerspiels „Halo“ angesiedelt werden konnte. Prompt meldete sich Sony als Produzent an und hinter dem Projekt stand plötzlich eine riesige Fangemeinde. Um so überraschender, dass letztendlich trotzdem ein guter Film daraus geworden ist. Blompkamp hat ein ungewöhnliches talent, mit Bildern zu arbeiten und Specialeffects in eben diese Bilder ein zu bauen. Die Kamera steht nie still und es ist immer ein bisschen körnig. Alles sieht aus, wie in den Nachrichten, nur dass eben insektoide Außerirdische durch das Bild huschen. Man gewöhnt sich so schnell an diesen autehntischen Stil, dass man sich oft daran erinnern muss, dass man gerade einen Science-Fiction-Film genießt. Die schlichte, aber doch sehr spannende Geschichte tut natürlich ein übriges. Hoch interessant ist natürlich der Fakt, dass diesmal die Menschen die Bösen sind. Eigentlich ist der Film eine große Metapher auf die Diskriminierung aller Minderheiten. Und die Dinge, die im Film den Außerirdischen angetan werden, werden täglich und weltweit Menschen angetan und zwar von anderen Menschen. Und das ist vielleicht der einzige Kritikpunkt am Konzept des Films. Man kann sich als Zuschauer recht bequem hinter dem Sci-Fi-Motiv verstecken und die sozialkritische Aussage hinter dem Film kann zu leicht weg gewischt werden.

„District 9“ ist aber auf jeden Fall empfehlenswert. Schon allein durch seinen ungewöhnlichen visuellen Stil und der noch ungewöhnlicheren Story. Ein kleines Projekt, dass groß geworden ist, unterhaltsam ist und zu dem noch zum Nachdenken und Diskutieren anregt. Welcher Film kann das schon von sich behaupten?

District 9 (USA 2009): R.: Neill Blomkamp; D.: Sharito Copley, Jason Cope, Nathalie Boltt, u.a.; M.: Clinton Shorter; Offizielle Homepage

In Weimar: CineStar

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Sonntag, 6. September 2009

Zerrissene Umarmungen

Sie ist eine der schönsten Frauen der Welt. Unzählige Zeitschriften haben ihr diesen Titel bereits verliehen. Sie ist auf der ganzen Welt bekannt und zählt zur absoluten Schauspielerelite. Trotzdem liest man selten etwas in den Klatschspalten über sie. Sie führt nicht das überschwängliche Leben eines Hollywoodstars, sondern macht stets nur durch ihre Leistung als Schauspielerin von sich reden. Es geht um Penelope Cruz, die in Madrid geboren ist und das perfekte Bild, der typischen, heißblütigen, wunderschönen, aber geheimnisvollen Spanierin prägt. Und in den letzten Jahren häufen sich Filme, in denen man einfach merkt, dass sie stets unterschätzt wurde. Zuletzt durfte man sie in „Elegy“ an der Seite von Ben Kingsley bewundern und einige Jahre zuvor traf sie auf den spanischen Regisseur Pedro Almodovar, in dessen neuesten Film „Zerrissene Umarmungen“ sie man seit Donnerstag im Lichthauskino in Weimar sehen kann.

Mateo ist Regisseur und hat schon mehrere hochgelobte Dramen verfilmt. Nun ist es ihm gelungen, eine Komödie zu schreiben und macht sich an die Vorbereitungen zum Dreh. Beim Casting lernt er Lena kennen. Für ihn sind sofort zwei Dinge klar: Sie ist die perfekte Besetzung für seine Hauptrolle und er verliebt sich sofort in sie. Eine heikle Angelegenheit, denn sie ist mit dem Großindustriellen Ernesto Martel zusammen. Dieser beschließt, den Film zu produzieren, um mehr Kontrolle über seine Geliebte zu haben. Das Verhängnis nimmt also unaufhaltsam seinen Lauf. 14 Jahre später arbeitet Mateo an einem neuen Projekt. Plötzlich taucht der Sohn von Ernesto auf und schlägt ihm vor, einen Film über seinen alten Vater zu machen. Mateo, der bis dahin unter neuer Identität gelebt hat, wird von seiner Vergangenheit eingeholt und Geheimnisse, die all die Jahre schlummerten, werden endlich aufgelöst.

Man tut sich ein wenig schwer, die recht simple Story zusammenzufassen, ohne zu viel zu verraten. „Zerrissene Umarmungen“ bietet nämlich das klassische Drama, bei dem von vornherein klar ist, was geschieht und trotzdem hofft man die ganze Zeit, es möge nicht passieren. Jede Figur ist perfekt ausgearbeitet und in die gut konstruierte Geschichte eingebaut. Ist man zu Anfangs noch etwas irritiert durch diverse Zeitsprünge, hat man sich schnell an den Erzählstil gewöhnt und kann sich ihm bis zum Ende nicht mehr entziehen. In der Geschichte geht es die ganze Zeit um das Drehen von Filmen. Das wirkt sich auch auf den visuellen Stil von „Zerrissene Umarmungen“ aus. Almodovar reiht nämlich zahlreiche Zitate an große Klassiker aus vergangenen Tagen an einander. Man fühlt sich immer erinnert an Filme von Hitchcock, oder Robert Wise. Almodovar tut das allerdings auf sehr geschickte Weise, dass man nie wirklich sagen kann, aus welchem Film man diese Szenen kennen könnte. Also, auch ohne sich direkt an das Vorbild erinnern zu müssen, erkennt man die liebevollen Zitate. Und natürlich ist Penelope Cruz wieder wunderbar und man kann sich einfach nicht an ihr satt sehen. Almodovar hat nach den Dreharbeiten zu „Volver“ gesagt, sie sei die Schauspielerin, die er immer gesucht habe und würde nur noch mit ihr Filme machen wollen. Und er setzt sie liebevoll und gekonnt in Szene, lässt mit ihr Bilder entstehen, die man nicht mehr vergisst.

„Zerrissene Umarmungen“ ist das perfekte Drama, in wunderbaren Bildern und vollendeter Langsamkeit inszeniert und man kann seine Freude kaum verbergen, darüber, dass heutzutage noch solche Filme gemacht werden können und auch noch so schön funktionieren.

Los abrazos rotos (ESP 2009): R.: Pedro Almodovar; D.: Penelope Cruz, Lluis Homar, Bianca Portillo, u.a.; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus

Rezensionen On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr live auf Radio Lotte Weimar