Ich habe mich immer beschwert! Es gäbe nichts Neues mehr. Niemand wagt sich noch an eigene Ideen heran und alle produzieren nur noch Fortsetzungen etablierter Marken. Immer auf der sicheren Seite stehen. Bloß keine Experimente. Warum man solche große Angst vor Experimenten hat? Es kann so viel schief gehen und es kann so viel falsch gemacht werden. Natürlich muss es nicht immer so laufen und zahlreiche verrückte und halsbrecherische Ideen haben schon zu absoluten Filmperlen geführt.
Aber im Falle von „90 Minuten – Das Berlin Projekt“ ist viel schief gegangen und es wurde viel falsch gemacht. Aber fangen wir von vorne an.
Die Hauptstadt im Premierenfieber. Der neue Film mit Superstar Sebastian läuft in einem Berliner Kino an. Der Saal ist voll und die Promis sind auch anwesend. Nur Sebastian nicht. Der will die Premiere seines Filmes als Alibi nutzen. Er hat nicht vor, sich den Film an zu sehen. Er will sich rächen. Irgendein obskurer Guru ist nämlich für den Tod von Sebastians Freundin verantwortlich. Sebastians Plan ist recht simpel. Während der Film läuft, in dessen Premiere er vermeintlich sitzt, will er zum Guru rennen, ihn umbringen und wieder zurück sein, bevor der Film endet. Er hat genau 90 Minuten Zeit.
So einfach, wie er sich das vorgestellt hat, wird es dann doch nicht. Nicht nur das verwirrende Labyrinth der Großstadt stellt ihn vor zahlreiche Herausforderungen, offensichtlich wird er auch von mehreren merkwürdigen zwielichtigen Männern verfolgt, die ihn aufhalten wollen. Doch damit sind Sebastians Probleme nicht vorbei. Seine eigene Moral hält ihn immer wieder davon ab, den Abzug zu betätigen; selbst, als sein Opfer endlich vor ihm steht.
Die Story hört sich sehr spannend an. Nicht die Neuerfindung des Rades, aber es bietet doch genug Stoff für einen soliden Thriller im Stile eines Jason Bournes vielleicht. Solche Thriller funktionieren dann am besten, wenn man die Story und die Situation an sich wirken lässt, ohne all zu viel dazu zu packen. Das braucht man bei diesem Film nicht erwarten, denn es handelt sich um ein Filmexperiment. Der komplette Film besteht aus einer einzigen Einstellung. Das sogenannte One-Shot-Verfahren erweckt den Eindruck, es gäbe den ganzen Film über keinen Schnitt. Echte One-Shot-Filme sind unglaublich aufwändig, denn alles muss in einem Take funktionieren. Alle Abläufe müssen zeitlich perfekt auf einander abgestimmt sein. Geht nur eine Sache schief, muss man von vorne anfangen.
Moment mal! Echte One-Shot-Filme? Soll das etwa heißen...?
Ja! „90 Minuten – Das Berlin Projekt“ ist kein echter One-Shot-Film, sondern nutzt dieses Element nur als Stilmittel. Schnell wird klar, dass getrickst wurde und Menschen, die sich in Berlin auskennen, merken ab der ersten Minute, dass manche Dinge schon aus geographischer Sicht unmöglich zu absolvieren sind, ohne zu schneiden.
Handwerklich sind diese Schnitte aber sehr gut gelöst und beim reinen Zuschauen fallen sie kaum auf.
Mich stört, dass diese One-Shot-Idee zum Kunstgriff verkommt und über die offensichtlichen Schwächen des Filmes auch nicht hinweg zu täuschen vermag. Die Story ist substanzlos und wird durch eine verworrene Das-passiert-alles-nur-in-seinem-Kopf-Parabel ad absurdum geführt. Die Figuren im Film sind oberflächlich, sollen aber den Eindruck vermitteln, tiefgründig zu sein. Udo Kier ist die ewige Nebenrolle und verstellt sich mittlerweile schon gar nicht mehr. Udo Kier ist eben Udo Kier.
Das ganze wird untermalt von hektischer Over-The-Top-Orchestermusik und die ganze Produktion wirkt viel zu oft, wie ein Möchtegernfilm.
„90 Minuten – Das Berlin Projekt“ kann sich nicht entscheiden, was er sein will. Will er ein Experiment sein? Dafür ist er zu mainstreamig geraten. Will er ein spannender Thriller sein? Dafür wird die Story zu abstrus. Und so passiert es, dass der Film irgendwie nichts Ganzes und nichts Halbes geworden ist und obendrein nervt die One-Shot-Ästehtik unfassbar schnell und man will nicht mehr. Lange, bevor die 90 Minuten um sind. Das passiert eben, wenn Experimente schief gehen.
90 Minuten – Das Berlin Projekt (D, 2011): R.: Ivo Trajkov; D.: Bierim Destani, Richard Sammel, Udo Kier, u.a.; M.: Birger Clausen; Offizielle Homepage (rofl)
Der Filmblog zum Hören: Jeden Donnerstag, zwischen 12:00 und 13:00 Uhr auf Radio Lotte Weimar.
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