Ein Film, der funktionieren soll und den meisten Menschen, die ihn sehen, gefallen soll, hat es nicht einfach. Sehr viele Faktoren gilt es zu berücksichtigen, damit alles stimmt. Der Film sollte eine überzeugende und packende Story erzählen. Dafür eignet sich ein aktueller Bezug zur wirklichen Welt. Dadurch kann man sich als Zuschauer schneller mit den Figuren identifizieren. Je nach Thema ist also eine gewisse Ernsthaftigkeit angebracht. Zu ernst sollte es aber auch nicht werden. Nicht wenige Menschen gehen ins Kino, um sich unterhalten zu lassen. Ein paar auflockernde, oder witzige Passagen können dem Film also auch nicht schaden. Wenn das ganze obendrein noch von guten Schauspielern getragen wird und sich der Regisseur nicht scheut, mit ein paar Konventionen zu brechen, kommt ein nahezu perfekter Film dabei heraus, der innerhalb kürzester Zeit zum absolut Renner avanciert. „Ziemlich beste Freunde“ ist das perfekte Beispiel für einen solchen Film. „Willkommen in der Bretagne“ dagegen, hat so ziemlich alles falsch gemacht, was falsch gemacht werden kann.
Catherine arbeitet für den Staat und ist als Personalmanagerin in einem Krankenhaus in Paris angestellt. Eine kleine Klinik in der Provinz hat allerdings große finanzielle Probleme. Der dortige Personalchef wird entlassen und Catherine soll seinen Posten übernehmen. Sie ist bekannt dafür, Wunder zu vollbringen, und konsequente und nachhaltige Finanzpläne aufzustellen. Nun muss sie also in die Provinz und findet es hier recht traurig. Das Krankenhaus ist hoffnungslos verschuldet und Catherine steht eine trostlose Aufgabe bevor. Zufällig freundet sie sich mit ein paar Schwestern von der Entbindungsstation an, die sich nach der Arbeit immer zum Bowling treffen. Hier nun lernt Catherine die eigentliche Herzlichkeit und auch Eigenheit der Bretonen kennen. Zunächst noch etwas distanziert, taut Catherine schnell auf und fühlt sich schnell wohl. Doch dann kündigt der Leiter des Krankenhauses an, die Entbindungsstation zu schließen. Die neue Freundschaft wird auf eine harte Probe gestellt.
Der Originaltitel des Films lautete „Bowling“. Das war ganz okay. Man konnte sich zwar schon fast denken, worum es ging, aber ein bisschen neugierig hat der Titel schon gemacht. „Willkommen in der Bretagne“ dagegen lässt sofort in eine Richtung denken, die der Film am Ende gar nicht einschlägt. Soll der Titel suggerieren, dass die Bretonen ein total ungewöhnliches Völkchen sind? Die Sch'tis, zum Beispiel, sind auf ihre Art wirklich speziell und nicht ganz dicht. Die Bretonen hingegen sind total ausgeglichen und ganz und gar nicht verrückt. Sie sind ganz normale Leute, die ein ganz normales Leben führen, welches zu großen Teilen eben außerhalb Paris' statt findet. Der Film dichtet den Bretonen also Eigenschaften an, die sie in Wirklichkeit gar nicht haben – und die auch im Film kaum noch zum Tragen kommen. Das fiese ist, dass der Zuschauer sofort in diese versnobte Perspektive gedrückt wird, die wahrscheinlich der Schickeria und der Yuppie-Bagage aus den Pariser Edelvierteln entspringt. Alles, was außerhalb der Hauptstadt liegt, ist dörflich - gradezu bäuerlich.
So ärgere ich mich also schon über den Film, noch bevor der Vorspann abgelaufen ist.
Dann macht Catherine relativ früh eine Bemerkung über das Wetter, und darüber, wie trostlos es in der Bretagne sei. Dem unbedarften Zuschauer fällt auf: Hier ist es wunderschön. Eine tolle Landschaft und ein hübsches kleines Städtchen mit hübschen kleinen Häuschen. Herrlich! Die verwöhnte Pariszicke findet's eben schrecklich und trostlos. Wir Bauern!
Der Rest der Geschichte ist relativ vorhersehbar, aber okay. Keine Überraschungen, aber wenigstens schlüssig und relativ rund. Das einzige, was etwas verunglückt ist, ist die Sache mit dem Bowling. Das Bowlingmotiv steht irgendwie neben der Story und der Bezug wirkt krampfig. Ein Jammer, denn das Bowling ist schön geworden und kann als einziger Part im Film Emotionen transportieren.
Der aktuelle Bezug wird von der Finanzkrise besorgt. Die Finanzpläne Catherines werden mit einem Aufstand quittiert, der so künstlich und von Pappe wirkt, als sei er direkt aus „Westside Story“ geklaut. Das setzt dem Ganzen die Krone auf.
Lahm, uninspiriert, krampfhaft! So kann man „Willkommen in der Bretagne“ am besten beschreiben. Der Film will zu viel sein, was er nicht sein kann. Stattdessen hätte man sich auf die eigenen Elemente konzentrieren sollen. Warum Gesellschaftskritik und schrullige Provinzler rein packen, wenn es doch eigentlich um Bowling geht? Warum hat man sich entschieden, ein lahmes und charakterloses Filmchen zu machen, anstatt einen frischen und knalligen Kracher? Warum hat man es nicht genau so gemacht, wie bei „Ziemlich beste Freunde“?
Bowling (F, 2012): R.: Marie-Castille Mention-Schaar; D.: Catherine Frot, Mathilde Seigner, Firmine Richard, u.a.; M.: Erwann Kermorvant; Offizielle Homepage
In Weimar: lichthaus
Der Filmblog zum Hören: Immer Sonntags, 14:00 bis 15:00 Uhr auf Radio Lotte Weimar.
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