Freitag, 21. Juni 2013

Man Of Steel

Was ist bloß los in Hollywood? Wo ist die ganze Kreativität hin geflogen?  Glauben die Filmschaffenden der großen Blockbuster wirklich, dass sie immer noch genau die gleichen Geschichten erzählen können, die in den 70ern funktioniert haben? Glauben sie, dass sie das immer wieder und wieder erzählen können? Sind sie wirklich so sehr von den Möglichkeiten der Technik geblendet, dass sie keinen Wert mehr auf Originalität legen? Liegt es vielleicht daran, dass die Regisseure nicht die Filme ihrer Kollegen gucken und sie deshalb nicht wissen, wie schnell man sich satt gesehen hat? Inmitten der Masse an hochgezüchteten CGI-Blendern, in den letzten Jahren, gab es aber immer wieder ein paar Ausnahmen. Regisseure, deren Filmen man die Liebe zum Medium und die Hingabe zu den Figuren angesehen hat. Filme, die die Technik mit all ihren faszinierenden Möglichkeiten nutzten, um eine Geschichte zu erzählen. Zwei von diesen Regisseuren haben jetzt zusammen gearbeitet, um dem ersten Superhelden der Welt ein unvergessliches Denkmal zu setzen – mit durchschnittlichen Erfolg.

Storytechnisch ist alles beim Alten geblieben. Auf Krypton herrscht eine leicht angespannte Situation. Der Planet steht kurz vor seiner Vernichtung. Die Bewohner haben in Ermangelung neuer Ressourcen den Kern ausgebeutet und jetzt rächt sich die Natur. Jor-El ist der führende Wissenschaftler des Planeten und sieht nur noch eine Option. Das genetische Profil eines jeden Kryptoniers ist gespeichert, sowie sämtliches Wissen des Planeten. Dieser sogenannte Kodex muss gerettet werden und zu einem anderen, jungen Planeten geschickt werden. Der Ältestenrat lehnt das aber ab. Jor-El pfeift drauf, denn er hat noch einen anderen Grund, noch nicht aufzugeben. Seine Frau hat so eben einen Jungen geboren. Das besondere daran ist, dass seit vielen Generationen nur noch auf künstliche Weise Kinder zur Welt gebracht werden können. Jor-Els Sohn ist das ultimative Symbol der Hoffnung und das letzte wahre Kind Kryptons. Jor-El entschließt sich, das Baby zusammen mit dem Kodex – dem Datenspeicher – zur Erde zu schicken. General Zod ist jedoch der Meinung, ein blutiger Putsch könnte Krypton retten. Er will um jeden Preis verhindern, dass der Kodex den Planeten verlässt. Es wird knapp, aber die Kapsel mit dem Baby startet und General Zod wird in die Phantomzone verbannt. Alles super? Naja, wie man's nimmt. Kaum ist die Kapsel gestartet, explodiert der Planet und die Geschichte Kryptons ist vorbei. Die Kapsel rast, wie geplant, zur Erde und landet in Kansas. Das Baby wird von einem Farmerehepaar aufgenommen und aufgezogen. Die merken relativ schnell, dass ihr Schützling ein paar besondere Fähigkeiten zu haben scheint, die sie natürlich geheim halten wollen. Während Clark Kent – so wurde das Weltraumbaby von den Zieheltern genannt – aufwächst, wird sein Wunsch immer stärker, alles über seine Herkunft zu erfahren. Auf seiner Suche nach Antworten begegnet Clark immer wieder Menschen, denen er helfen muss. Das wiederum erweckt die Aufmerksamkeit einer Reporterin Namens Lois Lane. Auch Genral Zod hört von Clark. Und zwar mehr als diesem lieb sein dürfte.

Wie gesagt: Die Story ist nicht neu und hält sich im ersten Drittel fast schon akribisch an die Vorlage. Zu Beginn wird vor allem der moralischen Integrität Supermans viel Platz eingeräumt. Die Figur des Superman wird sehr detailliert konstruiert und all seine Eigenschaften sind überzeugend und nachvollziehbar eingearbeitet. Das haben die vorigen Superman-Interpretationen allerdings auch immer ganz gut hinbekommen. Einen ersten großen Moment bietet ein phantastischer Blick über die Landschaft des dem Untergang geweihten Kryptons. In den früheren Filmen sah der Planet immer aus wie eine leblose, von Schnee und Eis bedeckte Einöde. Hier ist die Landschaft von rauen und wilden Felsformationen geprägt. Jor-El reitet auf einem fliegenden Ungetüm, welches direkt vom Nachbarplaneten Pandora herüber gehüpft zu sein scheint. Der ganze Einstieg ist unglaublich bombastisch und völlig over-the-top, passt aber total gut zum Bild eines fernen und fremdartigen Planeten, der der Erde eigentlich gar nicht ähnelt. Die Eingangssequenz entbehrt auch nicht einer deftigen Portion Tragik, die der ganzen Geschichte noch einmal die nötige Dimension gibt. Nach dem tollen Auftakt schwingt der Stil um und präsentiert das Leben Kal-Els auf der Erde in nüchternen, fast farblosen Bildern. Dieser Stil holt den Zuschauer ganz nah heran. Die Kamera wackelt und zoomt, wie verrückt und macht die Bilder härter, aber auch irgendwie plastischer. Hin und wieder gibt es prägnante Nahaufnahmen von kleinen Details. Dieser Stil gefällt mir unfassbar gut. Er holt den göttergleichen Superhelden auf ein enorm menschliches Level. In diesen Szenen harmoniert einfach alles. Die Entwicklung des Kindes zum Mann ist nachvollziehbar und stimmig. Dann wird es kurz etwas verwirrend, denn  plötzlich geht es um einen paranormalen Fund am Nordpol. Das Militär ist hier offensichtlich auf ein UFO gestoßen, welches bereits seit 20.000 Jahren im Eis eingeschlossen ist. Hier taucht Lois Lane auf, die nach meinem Geschmack etwas oberflächlich geraten ist. Schön ist allerdings,  wie gezeigt wird, dass die Sache mit der Geheimidentität heutzutage nicht mehr so einfach zu sein scheint. Lois scheint keine fünf Minuten zu brauchen, um heraus zu finden, wo Superman wohnt. Der Film schwingt dann noch einmal um und wird plötzlich sehr hektisch und actionlastig. Die Kämpfe und Zerstörungsorgien sehen sehr schick aus, aber sehr schnell hat man sich satt gesehen. Man gewinnt den Eindruck, so etwas schon zu oft gesehen zu haben. Überhaupt schlägt der Film einen Weg ein, den bisherige Superhelden-Filme im letzten Jahr auch schon gegangen sind. Schon tausendmal scheine ich spektakuläre Showdowns mit brachialer Hardcore-Action gesehen zu haben. Das Traurige ist, dass „Man Of Steel“ das nicht nötig gehabt hätte. Immer wieder blitzt etwas besonderes auf. Etwas frisches und neues, verheißungsvolles. Es fehlt nur ganz wenig, und es wäre großartig geworden. Es ist fast so, als geht der Film immer ein paar Schritte auf einen neuen Weg, nur um dann doch schnell noch abzubiegen und den Trampelpfad zu nehmen, den vor ihn schon so viele andere gegangen sind.
Was mich auch gestört hat, war das Tempo der Actionszenen. Zack Snyder stand meiner Ansicht nach immer für die ultimative Entschleunigung. Mit Langsamkeit und Anmut zelebrierte er in seinen Filmen „300“ und „Watchmen“ absolut eindrucksvolle Bilder. „Man Of Steel“ tut das nicht und bombardiert die Augen stattdessen mit einer Flut aus Bildfragmenten, die man unmöglich so schnell aufnehmen kann. Ganz offensichtlich hatte Christopher Nolan doch mehr Einfluss, als man uns glauben machen wollte. Überhaupt gibt es oft Szenen, die aus zwei verschiedenen Filmen genommen worden zu sein scheinen.
Das Finale übrigens ist hingegen gelungen. Es ist eine harte Szene, in der Superman vor eine folgenschwere Entscheidung gestellt wird. Die Art und Weise wie er sich entscheidet und wie er die Konsequenzen seiner Handlungen erkennt, macht Gänsehaut und gehört mit zu den stärksten Momenten des Films. Davon hätte es viel mehr geben müssen und stattdessen weniger dieser überbordenden Hardcore-Kollaps-Action.
Abschließend noch ein Wort zur Musik. Hans Zimmer wurde immer wieder als bedeutendster Komponist des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Dazu stelle ich fest: Hans Zimmer komponiert keine Themen, entwirft keine Melodien und scheint überhaupt nur sehr wenig Abwechslung in seine Werke einzubauen. Viel mehr sind es Soundscapes, die in Zusammenhang mit den Bildern total gut funktionieren, aber als reine Komposition keinerlei Akzente setzen können. Die verspielte Genialität eines John Williams, der die mit Abstand bekanntesten Filmmelodien der Welt geschrieben hat, kann Hans Zimmer damit nicht ersetzen.

„Man Of Steel“ ist keine Riesenenttäuschung gewesen, aber auch nicht das zeitlose Meisterwerk, was es hätte werden können. Das Schlimmste ist, dass der Film selbst immer wieder zeigt, welchen Weg er hätte gehen können, aber sich einfach nicht traut. Wenn man etwas Neues schaffen will, welches das kollektive Bewusstsein des Publikums nie wieder verlässt, muss man mutig sein. Wenn man diesen Mut nicht aufbringt, dann kommt eben nur ein weiterer Superhelden-Film dabei heraus, den man genießt, so lange es dauert, und dann vergisst man ihn eben wieder.

Man Of Steel (USA, 2013): R.: Zack Snyder; D.: Henry Cavill, Amy Adams, Michael Shannon, Kevin Costner, Russell Crowe, u.a.; M.: Hans Zimmer; Offizielle Homepage

In Weimar: CineStar (nur 3D)

Kineast im Radio: Jeden Sonntag, von 14:00 bis 15:00 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

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