Wenn
man an Genrefilme aus Deutschland denkt, erinnert man sich nicht
unbedingt an positive Kinoerfahrungen. „Hell“ hat irgendwie nicht
funktioniert, obwohl die Idee mit einem zur Wüste erstarrten
Deutschland gar nicht so weit her geholt ist. „Anatomie“ hat
versucht, eine Slasher-Reihe im deutschen Kino zu etablieren. Kann
man dem ersten Teil noch eine gewisse Spannung zusprechen und ihm
vielleicht noch die Star-Power anrechnen, ging es mit der Fortsetzung
mächtig schief. Andere Versuche, klassische Hollywoodgenres zu
bedienen waren ebenfalls selten von Erfolg gekrönt. Man denke nur an
den durchaus gelungenen, aber kolossal gefloppten „Cloud Atlas“.
Das Publikum möchte derartige Filme eben lieber mit echten
Hollywood-Stars sehen. Das ist im Großen und Ganzen eine Frage der
Sehgewohnheiten. Etwas, wogegen Til Schweiger zum Beispiel seit
vielen Jahren anzukämpfen versucht. Andreas Prochaska aus Wien
versucht das auch und möglicherweise hat er es mit seinem neuesten
Film auch geschafft.
Finster
fängt es an. Es ist ein trüber Herbstmorgen, irgendwann, gegen Ende
des 19. Jahrhunderts in einem entlegenen Tal, mitten in den Alpen.
Ein einsamer Reiter kommt nach einer langen Reise in einem kleinen
Dorf an und bittet um Quartier. Die ansässigen Bauern sind sehr
skeptisch und fragen sich, was der Fremde hier will. Besonders, da
der Wintereinbruch kurz bevor steht und niemand dass Tal verlassen
kann, solange es eingeschneit ist. Sein Name sei Greider und er
möchte gerne Fotografien anfertigen. Eigentlich ganz harmlos, würde
er nur nicht die ganze Zeit den eindringlichen Blick zelebrieren.
Trotz aller Skepsis überwiegt die Neugier. Man bringt ihm bei einer
verwittweten Frau und der deren Tochter unter. Der Fremde
interessiert sich sehr für das Leben im Dorf und vor allem für die
Familie des Großbauern, die den Ort und seine Bewohner
offensichtlich fest im Griff haben. Und es dauert nicht lange, da
kommt es zu merkwürdigen Todesfällen. Immer sind es die Söhne des
Bauern, die auf brutale Weise zu Tode kommen. Bald ist auch klar,
dass der Fremde aus einem ganz anderen Grund im Tal ist, als Fotos zu
schießen.
Vor
dem Kinobesuch habe ich nicht gewusst, was mich erwartet. Im Vorfeld
habe ich weder Synopsis gelesen, noch Trailer gesehen. Tobias Moretti
wurde an verschiedenen Stellen lobend erwähnt. Mehr wusste ich
nicht. Ab der ersten Minute baut der Film sehr gekonnt eine düstere
und bedrohliche Atmosphäre auf und verwendet hierfür die
klassischen Kniffe. Bombastische Landschaftsaufnahmen, denen aber
irgendwie die Farbe und das Leben fehlt. Musik, die nicht weniger
bombastisch daher kommt, sich aber munter bei gängigen
Komponistengrößen bedient. Während des gesamten Intros sieht man
einen einsamen Reiter mit Cowboyhut und Sporen. Die Ankunft dieses
Reiters wird von argwöhnischen Blicken beobachtet. Die ersten
Dialoge bestehen aus wenigen Worten. Ein Schelm, wer böses denkt,
aber so etwas hab ich doch schon mal irgendwo gesehen. Der Einstieg
zeichnet also ein nahezu perfektes Bild einer Homage an eines der
ältesten Filmgenres überhaupt. Es fühlt sich etwas befremdlich an,
dass alle Dialoge in breiter Alpen-Mundart geführt werden. Mir
erschließt sich nach einer Weile, was „Das finstere Tal“
versucht; der Film entfaltet ein stilechtes Racheepos mit all den
Dingen, die dazu gehören. Der mysteriöse Fremde knöpft sich seine
Gegner der Reihe nach vor und dann gibt es sogar einen klassischen
Showdown in dem Gewehrkugeln und Blut nur so durch die Gegend
spritzen. Jeder Szene dieses Films merkt man die Hingabe zum Genre an
und endlich funktioniert der Versuch, einen hiesigen Genrefilm zu
kreieren. Das liegt an der Umgebung. Dieses Szenario in die Alpen zu
verlegen, wirkt vielleicht abwegig, aber es funktioniert. Was wissen
wir denn schon, was um die Jahrhundertwende in irgendeinem einsamen
Tal dort los war? Außerdem ist der Stil auf visueller Ebene dermaßen
konsequent, dass man vollkommen hineingezogen wird. Zusätzlich
scheint der Film keinerlei überflüssige Elemente einzupflegen.
Alles passt genau da hin, wo es ist. Die Story ist simpel, aber nicht
oberflächlich. Das gleiche gilt für die Charaktere. Zusätzlich
sprüht der Film vor Zitaten an „High Noon“, „Der Name der
Rose“ oder auch „Django Unchained“.Bevor das aber alles
ausartet, entdeckt man immer noch genug eigene Ideen.
„Das
finstere Tal“ ist also ein stilechter Western, der sich nicht davpr
scheut, bei Genre-Referenzen zu klauen, ohne das ganze aber zu einem
Remake, oder Persiflage verkommen zu lassen. Es ist eben einfach
irgendwie etwas Eigenes, erinnert aber stark an Bekanntes.
Es
fällt mir ein bisschen schwer, ausschweifend über den Film zu
schreiben. Einerseits gibt es gar nicht so viel, über das man
berichten kann. Das Gesamtbild dieses Films ist einfach total
stimmig, so dass es kaum markante, oder besonders auffällige
Sequenzen gibt. Außerdem will ich nicht zu viel verraten, denn für
mich hat „Das finstere Tal“ vor allem deshalb so gut
funktioniert, weil ich im Vorfeld nahezu keinerlei Informationen
hatte. Man sollte sich allerdings auf harten Tobak einstellen. Die
FSK hat dem Film zwar eine Ab-12-Freigabe erteilt, was das
Entscheidungsgremium aber dabei geritten hat, versteht wohl kein
Mensch.
Das
finstere Tal (AUT, D, 2014): R.: Andreas Prochaska; D.: Sam Riley,
Tobias Moretti, Paula Beer, u.a.; M.: Matthias Weber; OffizielleHomepage
In
Weimar: lichthaus
Kineast
im Radio: Jeden Sonntag, 14 Uhr auf Radio Lotte Weimar.
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