Ein Name geistert seit einigen Wochen durch die deutsche Filmlandschaft. Ein Name, der zunächst nur geflüstert wurde und nach der Berlinale laut gefeiert wurde. Ein Name, der erst durch die anderen Namen Christian Petzold und Nina Hoss seine Daseinsberechtigung erhält. Es ist der Name einer Frau und auch der Name einer Geschichte. Es ist außerdem der Name einer ganzen Generation und der Name eines Landes, welches es nur noch in unseren Köpfen zu geben scheint. Der Name lautet „Barbara“
Nachdem sie einen Ausreiseantrag in die BRD gestellt hatte, wurde Barbara Wolf in die Provinz nach Mecklenburg versetzt. Vorher hatte sie eine hochdekorierte Stelle in Berlin an der Charité und nun schiebt sie Schichten in der Kinderchirurgie in irgendeinem Kaff.
Fernab der Zivilisation und immer im Visier der Stasi. Das System verfolgt jeden ihrer Schritte und sie entwickelt eine Art Paranoia gegen beinahe all ihre Mitmenschen. Nur ihr Freund, der sie in den Westen holen möchte und die Ausreißerin Stella, scheinen die sehr reservierte Barbara auftauen zu können.
Ihr Chefarzt Andre hat das auch bemerkt, will jedoch versuchen, einen Draht zu Barbara aufzubauen. Er fühlt sich zu ihr hingezogen. Barbara sieht in ihm jedoch nur ein weiteres Kontrollinstrument der Stasi und blockt alle Annäherungsversuche ab.
Barbara soll stellvertretend für alle Menschen stehen, die in der ehemaligen DDR, oder jedem anderem Land mit einer ähnlichen Geschichte, die unter den Repressalien des Systems gelitten haben. Anders, als andere Filme, die diese Thematik behandelten, vermittelt dieser Film nicht den Eindruck, es ginge uneingeschränkt allen Menschen schlecht in diesem Land. Ein Teil der gezeigten Figuren scheint ein gutes Leben zu führen und ist glücklich. Der Fokus liegt dennoch auf den Menschen, die weniger glücklich sind. Barbara ist eine zutiefst verunsicherte Frau, die sich allerdings abschottet, und ihre Unsicherheit durch emotionale Kälte zu verbergen versucht. Ganze zwei Mal beobachtet man im Film, wie diese Kälte bröckelt und es aus ihr heraus bricht. Die Vielschichtigkeit dieser Figur leidet aber nicht unter diesem reduzierten Ausmaß an Gefühlsregungen. Barbara ist faszinierend und geheimnisvoll. Das muss sie auch sein, denn der Grund für ihre Verschwiegenheit sind ihre Fluchtpläne, über die sie natürlich mit niemanden reden kann. Hier kommt auch die familiäre Atmosphäre eines kleinen abgeschiedenen Dorfes zum tragen, in dem jeder jeden kennt. Als, wenn man nicht ohnehin die ganze Zeit daran denkt, wird man durch überraschende Besuche zwielichtiger Stasibeamter daran erinnert. Das sind die einzigen Szenen, die mich etwas stören. Gelingt es dem Film ansonsten ein sehr nüchternes aber auch frisches Bild auf das Leben in der DDR mit all seinen Ecken und Kanten zu werfen, kommen mir diese Stasijungs doch zu Klischeehaft daher. Schlecht sitzende Klamotten, hässliche Frisuren und Bärte und so richtig blöde Schweine. Kontrolle durch Angst. Das funktioniert zwar, passt aber irgendwie nicht zu der restlichen Darstellung im Film.
„Barbara“ erzählt eine spannende Geschichte über eine ganz normale Frau, die in einem nicht normalen Land lebt. Dieses Land könnte überall auf der Welt sein. Die Details der Geschichte und Kulisse sind vollständig austauschbar. Es ist kein weiterer Historienfilm, der mit dem Finger wedelt. Es ist ein Film, der dich ansieht und dich dann völlig wertfrei fragt: „Was würdest du tun?“
Barbara (D, 2012): R.: Christian Petzold; D.: Nina Hoss, Ronald Zehrfeld, Rainer Bock, u.a.; M.: Stedan Will; Offizielle Homepage
In Weimar: mon ami, CineStar
Der Filmblog zum Hören: Jeden Donnerstag, zwischen 12:00 und 13:00 Uhr auf Radio Lotte Weimar.
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