Es
war die erste große Überraschung in diesem Jahr und entwickelte
sich in rasanter Geschwindigkeit vom niedrig budgetierten
Außenseiterprojekt zum Geheimtipp zahlreicher renommierter
Festivals. Der Name Sundance ziert das Plakat und garantiert so ein
kreatives und alternatives Filmerlebnis. Dann kam die überraschende
Nachricht, dass der Film zahlreiche Oscar-Nominierungen erhalten hat.
Unter Anderem geht „Beasts of the Southern Wild“ ins Rennen um
den Preis für den besten Film und für die beste Hauptdarstellerin.
Ebenso schnell war ich angefixt und ganz wild auf den Film – und
noch schneller kam die Ernüchterung.
Wir
sind irgendwoim Süden der USA in den Sümpfen. Genauer gesagt,
befinden wir uns in der kleinen Siedlung Bathtub. Hier lebt das
kleine Mädchen Hushpuppy mit ihrem Vater. Die Leute in Bathtub sind
ein eigenes Völkchen. In ihrer Isolation sehen sie einen Segen und
lieben ihre Heimat, auch wenn diese nicht mehr als eine Ansammlung
stinkender Sümpfe darstellt – zumindest für Außenstehende.
Hushpuppy kennt das Leben in ihrer Welt und harmoniert mit ihrer
Umgebung so sehr, dass ein Lächeln reicht, um einen Fisch zu fangen.
Eines Tages kommt ein großer Sturm, der den Bewohnern von Bathtub
keinerlei Angst bereitet. Im Gegenteil. Sie freuen sich darauf und
sagen sich: „Wenn das Wasser zurück kommt, um sich zu holen, was
ihm früher schon zu stand, dann werden wir die letzten sein, die
etwas dagegen tun werden.“
Und
so ist es dann auch. Der Sturm überflutet alles und Hushpuppy, ihr
Vater und einige andere Bewohner des Ortes, ziehen sich in ein
kleines Lager zurück, wo sie fortan leben. Doch die Menschen von der
anderen Seite des Dammes wollen das Gebiet zwangsevakuieren und der
Sturm hat obendrein noch ein paar urzeitliche Bestien zu tage
gefördert.
„Beasts
Of The Southern Wild“ ist der erste Spielfilm der Künstlergruppe
„Court 13“, die in den letzten Jahren mit einigen aufregenden
Kurzfilmen auf sich aufmerksam machte. In diesen Kurzfilmen bedienten
sich die Bilder einer ganz besonderen Sprache und vor allem die Art
und Weise, wie digitale Effekte mit realen Bildern harmonierten, war
etwas Besonderes und ein echter Hingucker. In Verbindung mit der
ungewöhnlichen Geschichte und den Bildern, die sich automatisch im
Kopf etablierten, versprach dieser Film ein echtes visuelles
Highlight zu werden und das Kinojahr mit einem Knall zu eröffnen.
Von den visuellen Fähigkeiten des Künstlerkollektives ist während
des gesamten Filmes kaum etwas zu sehen. Schlimmer noch; das niedrige
Budget zwang die Filmemacher dazu, nicht nur an Ausstattung und
Kostümen zu sparen, sondern offensichtlich auch an Filmmaterial und
Ausrüstung. Einige Einstellungen und Szenen sind mit ganz einfachen
Digitalkameras aufgenommen und das Bild wackelt so sehr, dass man
fast nichts zu erkennen vermag. Andere Bilder wirken dafür wiederum
total perfekt komponiert. Wenn zum Beispiel die urzeitlichen Viecher
in Suprazeitlupe durch das Dickicht streifen, sieht das schon
beeindruckend aus. Ebenso beeindruckend ist eine kurze Szene in einem
Nachtclub, der auf Stelzen in Mitten der Wassermassen immer noch
geöffnet hat.
Derartige
Momente kommen aber viel zu selten. Stattdessen sehen wir kitschige
Bilder vom kleinen Mädchen – der Heldin des Filmes – die mit
ihren sechs Jahren nie aufgibt und immer weiter kämpft. Nur wofür
sie das tut, wird nicht klar. Ihr Blick spiegelt häufig den Zweifel
wider, wenn sie von ihrem zu Hause spricht. Ist ihr zu Hause nicht
eigentlich im Schlamm versunken?
Die
Metaphern, die der Film entwirft, sind ebenfalls nicht besonders
einfallsreich. Klar! Wir haben es relativ schnell kapiert, dass es
sich um die Katrina-Thematik handelt und die Urzeitviecher stehen für
die bösen Behörden, die Hushpuppy aus ihrer Heimat verschleppen
wollen. Angesichts der Absurdität der Lebensphilosophie des Vaters,
die in keinster Weise nachvollziehbar ist, sondern einfach nur
idiotisch und lebensmüde, ist man sogar gewillt, den
paramilitärischen Beamten, oder eben den Auerochsen, einfach recht
zu geben und zu sagen: „Nun lasst euch halt retten. Ist doch egal!“
Für
das amerikanische Publikum ist es sicher ein Fest, diese simplen
Sinnbilder zu sehen und es ist viel einfacher, derartige politische
und auch gesellschaftliche Kritik in Zuckerwatte zu packen und mit
sich überschlagender Stimme kreischend auf das kleine süße und so
tapfere Mädel zu zeigen und zu sagen: „Sie ist so stark. Wäre ich
nur auch so stark“
So
gesehen kann man sich als enttäuschter Kritiker noch weiter
hineinsteigern und dem Film offen praktizierten Patriotismus
vorwerfen und sagen, der Film verharmlose die wirklich schrecklichen
Zustände in den Überschwemmungsgebieten des Hurrikans. Ja, genau!
So gesehen ist der Film patriotischer – und damit schlimmer – als
ein „Zero Dark Thrity“. So einem Film sieht man es sofort an,
dass hier lediglich die umstrittene Außenpolitik der vereinigten
Staaten gerechtfertigt werden soll. Einem kleinen sechsjährigen
Mädchen mit feuchten Kulleraugen jedoch nicht.
Beasts
Of The Southern Wild (USA, 2012): R.: Ben Zeitlin; D.: Quvenzahne
Wallis, Dwight Henry, Levy Easterly, u.a.; M.: Court 13; OffizielleHomepage
In
Weimar: lichthaus
Der
Filmblog zum Hören: Jeden Sonntag, 14:00 bis 15:00 Uhr auf RadioLotte Weimar.
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